ZEIT für X

Brückenfunktion für Forschung in Nach­haltiger Chemie

21. Januar 2025
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Ein Artikel der Fakultät für Chemie der Georg-August-Universität Göttingen

Grünen Wasserstoff ressourcenschonend produzieren? Biokunststoffe entwickeln? Das gelingt Teams am Friedrich-Wöhler-Forschungs­institut für Nachhaltige Chemie der Georg-August-Universität Göttingen.

Das Friedrich-Wöhler-Forschungsinstitut für Nachhaltige Chemie, kurz WISCh, der Georg-August-Universität Göttingen widmet sich der Forschung und forschungs­orientierten Lehre auf dem Gebiet der nach­haltigen Chemie mit den Schwer­punkten Katalyse und nach­haltige Synthesen. Die Forschung innerhalb des Instituts ist insbesondere durch inter­disziplinäre Zusammen­arbeit gekennzeichnet. So wird neuen Methoden der Weg geebnet, um zum Beispiel Krankheiten zu bekämpfen und Nachhaltigkeit und Ressourcen­schonung voran­zu­treiben. Darüber hinaus bildet das Wöhler-Forschungs­institut durch forschungs­orientierte Lehre den wissenschaftlichen Nachwuchs im Bereich der Grünen Chemie aus. Auch der Wissens­transfer in die Gesellschaft sowie die wissenschaftliche Kommunikation durch Vortrags­reihen, Symposien, Vorlesungen und Workshops sind zentrale Aktivitäten der Instituts­mitglieder. Das im Jahr 2019 gegründete Institut schlägt eine Brücke zwischen allen Instituten der Fakultät für Chemie sowie ihren Nachbar­fakultäten und bündelt die inter­institutionellen Bemühungen um nachhaltige Strategien für das molekulare Design. Darüber hinaus bildet es eine Plattform für internationale und inter­disziplinäre Zusammenarbeit und Wissens­austausch. Grünen Wasserstoff ressourcen­schonend produzieren.

Prof. Dr. Lutz Ackermann, Geschäftsführender Direktor des WISCh, hat mit seinem Team eine innovative Strategie zur elektro­chemischen Molekül­synthese gekoppelt an Wasserstoff­produktion erarbeitet. Grüner Wasserstoff gilt als sauberer Energieträger der Zukunft: Er lässt sich dezentral und mithilfe erneuerbarer Energieformen wie Sonnen- oder Windenergie ohne die Freisetzung von klimaschädlichem Kohlen­stoff­dioxid erzeugen. Forschende des WISCh arbeiten intensiv an Systemen, in denen die elektro­chemische Wasser­stoff­produktion an die Umwandlung von Kohlen­stoff-Wasser­stoff-Bindungen gekoppelt wird. Um den Verlauf derartiger Reaktionen zu kontrollieren, wurden in der Vergangenheit seltene Metalle als Katalysatoren eingesetzt. In mehreren neuen von Ackermanns Gruppe entwickelten Verfahren dienen hingegen preiswertes Cobalt oder Eisen als Katalysator.

Katalysatoren dienen der Verlaufskontrolle bei chemischen Reaktionen. Bisher waren für ihre Herstellung seltene Metalle nötig. Im WISCh gelang die Entwicklung ressourcenschonenderer Varianten.
© Universität Göttingen Katalysatoren dienen der Verlaufskontrolle bei chemischen Reaktionen. Bisher waren für ihre Herstellung seltene Metalle nötig. Im WISCh gelang die Entwicklung ressourcenschonenderer Varianten.

Die Umwandlung von eigentlich unreaktiven Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen gewinnt in verschiedenen Zusammen­hängen an Bedeutung und ist ein Forschungs­schwer­punkt der Gruppe um Prof. Dr. Lutz Ackermann von der Fakultät für Chemie. Eine große Heraus­forderung ist dabei die voll­ständige Selektivitäts­kontrolle, besonders zur Vermeidung unerwünschter Enantiomere. Diese Moleküle verhalten sich in ihrer räumlichen Struktur wie ein Spiegel­bild zu den gewünschten Molekülen. „Die volle Selektivitäts­kontrolle ist fundamental, zum Beispiel für die Entwicklung neuer Medikamente“, betont Ackermann. Im nun erforschten Ansatz ermöglicht Cobalt die gezielte Bildung des gewünschten Moleküls. Die verschiedenen Reaktions­schritte sind gut kontrollierbar, was das Verfahren besonders effizient macht. „Außerdem eröffnet er Chancen für zahlreiche Einsatz­zwecke. Gezieltes Katalysator­design gibt uns Zugang zu diversen chiralen Molekül­motiven.“ Auch Katalysatoren auf Eisen­basis eröffnen nicht nur neue Möglichkeiten für die Herstellung von Chemikalien, sondern tragen auch wesentlich zur Reduzierung des ökologischen Fuß­abdrucks und Sicherheit der chemischen Synthese bei.

Neuer Typ von Biokunststoff entwickelt Mitglieder des Wöhler-Forschungs­instituts sind aber auch in anderen Themen­feldern der Nachhaltigkeit aktiv: Kunststoffe sind in unserem täglichen Leben weit verbreitet: Sie sind leicht, billig und anpassungs­fähig. Doch wenn Kunststoffe hergestellt, verarbeitet und entsorgt werden, ist dies nicht nachhaltig und gefährdet weltweit Umwelt und menschliche Gesundheit. Wieder­verwendbare und recycelbare Kunststoffe aus pflanzlichen Rohstoffen wären eine Alternative – bislang waren die technologischen Heraus­forderungen zu ihrer Herstellung und Verarbeitung jedoch immer noch zu groß. Existierende Verarbeitungs­methoden sind energieintensiv und nicht nachhaltig. Die WISCh-Mitglieder Prof. Dr. Kai Zhang (Forst­wissenschaften) und Prof. Dr. Philipp Vana (Physikalische Chemie) haben in einem gemeinsamen Projekt eine Methode gefunden, um einen neuen Typ von Hydro­plastik mit Wasser zu verarbeiten und umzuformen: das „Hydrosetting“. Das daraus entstehende Produkt ist eine umwelt­freundliche Alternative zu herkömmlichem Kunststoff.

Im WISCh gelang die Entwicklung einer praktikablen Methode, um umweltfreundliche Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zu entwickeln.
© Universität Göttingen Im WISCh gelang die Entwicklung einer praktikablen Methode, um umweltfreundliche Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zu entwickeln.

Kunststoffe sind Polymere, was bedeutet, dass ihre molekulare Struktur aus einer großen Anzahl ähnlicher Einheiten aufgebaut ist, die miteinander verbunden sind. Gegenwärtig werden die meisten Kunststoffe unter Verwendung von Erdöl-basierten Chemikalien hergestellt, was sowohl bei der Gewinnung der Ausgangs­stoffe als auch bei der Entsorgung umweltschädlich ist. Im Gegen­satz dazu steht Zellulose, der Haupt­bestandteil der pflanzlichen Zellwände und das am häufigsten vorkommende natürliche Polymer der Erde. Es stellt eine nahezu unerschöpfliche Roh­stoff­quelle dar. Durch eine gering­fügige Veränderung eines sehr kleinen Teils der Zellulose-Struktur gelang es dem Göttinger Team, ein spezifisches Material, sogenanntes Cellulose­cinnamat, zu produzieren. Damit kann ein neuer Typ von Biokunst­stoff hergestellt werden. Dieser besteht aus hydro­plastischen Polymeren. Diese sind weich und lassen sich bei Kontakt mit Wasser formen. Diese Methode ermöglicht es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, eine Vielzahl von Formen her­zu­stellen, indem sie den Biokunststoff einfach in Wasser tauchten und an der Luft trocknen lassen. Die Formen bleiben lang­fristig stabil und können immer wieder umgeformt werden. Obwohl der Kunststoff in der Praxis nicht im direkten Kontakt mit Wasser verwendet werden sollte, weil er dann seine Form verliert, kann er Wasser aufnehmen und in feuchten Bedingungen verwendet werden. Diese neuen Biokunststoffe zeigen hoch­wertige mechanische Eigenschaften im Vergleich zu derzeit weit verbreiteten klassischen Kunststoffen.

Biokunststoffe wie unserer können in vielen verschiedenen Bereichen, etwa in der Biologie, Elektronik und Medizin, eingesetzt werden.

Prof. Dr. Philipp Vana, Physikochemiker und Mitglied des Friedrich-Wöhler-Forschungs­instituts

„Unsere Forschung liefert eine praktikable Methode, um weitere umweltfreundliche Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zu entwickeln“, ordnet Prof. Dr. Kai Zhang die bisherigen Ergebnisse ein. Das neue Verfahren kommt ohne teure und komplexe Maschinen und energie­intensive Verarbeitungs­bedingungen aus. Es vereinfacht die Herstellung von Kunststoffen erheblich und macht deren Verarbeitung und Recycling umweltfreundlicher und nachhaltiger. „Biokunststoffe wie unserer können in vielen verschiedenen Bereichen, etwa in der Biologie, Elektronik und Medizin, eingesetzt werden“, ergänzt Vana. „Die schädlichen Auswirkungen von herkömmlichen Kunststoffen auf die Umwelt könnten minimiert werden, wenn alternativ Biokunststoffe wieder­verwendet würden.“

„Chemie als Motor für Nachhaltigkeitsinnovationen“, dafür setzt sich das Wöhler-Forschungs­institut ein. Und so lautet auch der Titel einer öffentlichen Ringvorlesung, die vom Institut organisiert wurde. Ein Teil der Vorträge ist hier einsehbar: