
Brückenfunktion für Forschung in Nachhaltiger Chemie
AnzeigeGrünen Wasserstoff ressourcenschonend produzieren? Biokunststoffe entwickeln? Das gelingt Teams am Friedrich-Wöhler-Forschungsinstitut für Nachhaltige Chemie der Georg-August-Universität Göttingen.
Das Friedrich-Wöhler-Forschungsinstitut für Nachhaltige Chemie, kurz WISCh, der Georg-August-Universität Göttingen widmet sich der Forschung und forschungsorientierten Lehre auf dem Gebiet der nachhaltigen Chemie mit den Schwerpunkten Katalyse und nachhaltige Synthesen. Die Forschung innerhalb des Instituts ist insbesondere durch interdisziplinäre Zusammenarbeit gekennzeichnet. So wird neuen Methoden der Weg geebnet, um zum Beispiel Krankheiten zu bekämpfen und Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung voranzutreiben. Darüber hinaus bildet das Wöhler-Forschungsinstitut durch forschungsorientierte Lehre den wissenschaftlichen Nachwuchs im Bereich der Grünen Chemie aus. Auch der Wissenstransfer in die Gesellschaft sowie die wissenschaftliche Kommunikation durch Vortragsreihen, Symposien, Vorlesungen und Workshops sind zentrale Aktivitäten der Institutsmitglieder. Das im Jahr 2019 gegründete Institut schlägt eine Brücke zwischen allen Instituten der Fakultät für Chemie sowie ihren Nachbarfakultäten und bündelt die interinstitutionellen Bemühungen um nachhaltige Strategien für das molekulare Design. Darüber hinaus bildet es eine Plattform für internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit und Wissensaustausch. Grünen Wasserstoff ressourcenschonend produzieren.
Prof. Dr. Lutz Ackermann, Geschäftsführender Direktor des WISCh, hat mit seinem Team eine innovative Strategie zur elektrochemischen Molekülsynthese gekoppelt an Wasserstoffproduktion erarbeitet. Grüner Wasserstoff gilt als sauberer Energieträger der Zukunft: Er lässt sich dezentral und mithilfe erneuerbarer Energieformen wie Sonnen- oder Windenergie ohne die Freisetzung von klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid erzeugen. Forschende des WISCh arbeiten intensiv an Systemen, in denen die elektrochemische Wasserstoffproduktion an die Umwandlung von Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen gekoppelt wird. Um den Verlauf derartiger Reaktionen zu kontrollieren, wurden in der Vergangenheit seltene Metalle als Katalysatoren eingesetzt. In mehreren neuen von Ackermanns Gruppe entwickelten Verfahren dienen hingegen preiswertes Cobalt oder Eisen als Katalysator.

Die Umwandlung von eigentlich unreaktiven Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen gewinnt in verschiedenen Zusammenhängen an Bedeutung und ist ein Forschungsschwerpunkt der Gruppe um Prof. Dr. Lutz Ackermann von der Fakultät für Chemie. Eine große Herausforderung ist dabei die vollständige Selektivitätskontrolle, besonders zur Vermeidung unerwünschter Enantiomere. Diese Moleküle verhalten sich in ihrer räumlichen Struktur wie ein Spiegelbild zu den gewünschten Molekülen. „Die volle Selektivitätskontrolle ist fundamental, zum Beispiel für die Entwicklung neuer Medikamente“, betont Ackermann. Im nun erforschten Ansatz ermöglicht Cobalt die gezielte Bildung des gewünschten Moleküls. Die verschiedenen Reaktionsschritte sind gut kontrollierbar, was das Verfahren besonders effizient macht. „Außerdem eröffnet er Chancen für zahlreiche Einsatzzwecke. Gezieltes Katalysatordesign gibt uns Zugang zu diversen chiralen Molekülmotiven.“ Auch Katalysatoren auf Eisenbasis eröffnen nicht nur neue Möglichkeiten für die Herstellung von Chemikalien, sondern tragen auch wesentlich zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks und Sicherheit der chemischen Synthese bei.
Neuer Typ von Biokunststoff entwickelt Mitglieder des Wöhler-Forschungsinstituts sind aber auch in anderen Themenfeldern der Nachhaltigkeit aktiv: Kunststoffe sind in unserem täglichen Leben weit verbreitet: Sie sind leicht, billig und anpassungsfähig. Doch wenn Kunststoffe hergestellt, verarbeitet und entsorgt werden, ist dies nicht nachhaltig und gefährdet weltweit Umwelt und menschliche Gesundheit. Wiederverwendbare und recycelbare Kunststoffe aus pflanzlichen Rohstoffen wären eine Alternative – bislang waren die technologischen Herausforderungen zu ihrer Herstellung und Verarbeitung jedoch immer noch zu groß. Existierende Verarbeitungsmethoden sind energieintensiv und nicht nachhaltig. Die WISCh-Mitglieder Prof. Dr. Kai Zhang (Forstwissenschaften) und Prof. Dr. Philipp Vana (Physikalische Chemie) haben in einem gemeinsamen Projekt eine Methode gefunden, um einen neuen Typ von Hydroplastik mit Wasser zu verarbeiten und umzuformen: das „Hydrosetting“. Das daraus entstehende Produkt ist eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichem Kunststoff.

Kunststoffe sind Polymere, was bedeutet, dass ihre molekulare Struktur aus einer großen Anzahl ähnlicher Einheiten aufgebaut ist, die miteinander verbunden sind. Gegenwärtig werden die meisten Kunststoffe unter Verwendung von Erdöl-basierten Chemikalien hergestellt, was sowohl bei der Gewinnung der Ausgangsstoffe als auch bei der Entsorgung umweltschädlich ist. Im Gegensatz dazu steht Zellulose, der Hauptbestandteil der pflanzlichen Zellwände und das am häufigsten vorkommende natürliche Polymer der Erde. Es stellt eine nahezu unerschöpfliche Rohstoffquelle dar. Durch eine geringfügige Veränderung eines sehr kleinen Teils der Zellulose-Struktur gelang es dem Göttinger Team, ein spezifisches Material, sogenanntes Cellulosecinnamat, zu produzieren. Damit kann ein neuer Typ von Biokunststoff hergestellt werden. Dieser besteht aus hydroplastischen Polymeren. Diese sind weich und lassen sich bei Kontakt mit Wasser formen. Diese Methode ermöglicht es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, eine Vielzahl von Formen herzustellen, indem sie den Biokunststoff einfach in Wasser tauchten und an der Luft trocknen lassen. Die Formen bleiben langfristig stabil und können immer wieder umgeformt werden. Obwohl der Kunststoff in der Praxis nicht im direkten Kontakt mit Wasser verwendet werden sollte, weil er dann seine Form verliert, kann er Wasser aufnehmen und in feuchten Bedingungen verwendet werden. Diese neuen Biokunststoffe zeigen hochwertige mechanische Eigenschaften im Vergleich zu derzeit weit verbreiteten klassischen Kunststoffen.
Biokunststoffe wie unserer können in vielen verschiedenen Bereichen, etwa in der Biologie, Elektronik und Medizin, eingesetzt werden.
Prof. Dr. Philipp Vana, Physikochemiker und Mitglied des Friedrich-Wöhler-Forschungsinstituts
„Unsere Forschung liefert eine praktikable Methode, um weitere umweltfreundliche Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zu entwickeln“, ordnet Prof. Dr. Kai Zhang die bisherigen Ergebnisse ein. Das neue Verfahren kommt ohne teure und komplexe Maschinen und energieintensive Verarbeitungsbedingungen aus. Es vereinfacht die Herstellung von Kunststoffen erheblich und macht deren Verarbeitung und Recycling umweltfreundlicher und nachhaltiger. „Biokunststoffe wie unserer können in vielen verschiedenen Bereichen, etwa in der Biologie, Elektronik und Medizin, eingesetzt werden“, ergänzt Vana. „Die schädlichen Auswirkungen von herkömmlichen Kunststoffen auf die Umwelt könnten minimiert werden, wenn alternativ Biokunststoffe wiederverwendet würden.“
„Chemie als Motor für Nachhaltigkeitsinnovationen“, dafür setzt sich das Wöhler-Forschungsinstitut ein. Und so lautet auch der Titel einer öffentlichen Ringvorlesung, die vom Institut organisiert wurde. Ein Teil der Vorträge ist hier einsehbar: