CIBSS - Von Infektionen, Symbiosen und Tumorzellen
AnzeigeDer Exzellenzcluster CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies erforscht biologische Signale und entwickelt Lösungsansätze in den Bereichen Gesundheit und Ernährungssicherung.
Die Zellen komplexer Lebewesen kommunizieren über biologische Signale, um Aufgaben zu koordinieren, Gewebe zu bilden und sich an Umweltbedingungen anzupassen. Seit 2019 erforscht der Exzellenzcluster Centre for Integrative Biological Signalling Studies (CIBSS) an der Universität Freiburg, wie sich diese „Sprache des Lebens“ entschlüsseln und anwenden lässt. Wissenschaftler*innen aus den Lebens-, Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie aus Ethik und Recht untersuchen, wie lebende Systeme Signale integrieren, um Entscheidungen zu treffen, die – von Zellen über Organe bis hin zu ganzen Organismen – die Entwicklung, Funktion und Gesundheit steuern. Der Exzellenzcluster entwickelt dabei Lösungsansätze für aktuelle globale Herausforderungen in den Bereichen Gesundheit und Ernährungssicherung.
CIBSS ist Teil des interdisziplinären Schwerpunktbereichs „Signale des Lebens“ im Forschungsprofil der Universität Freiburg. Im Mai 2025 gab die Deutsche Forschungsgemeinschaft bekannt, dass CIBSS für weitere sieben Jahre gefördert wird.
Nachhaltigere Pflanzensymbiosen und neue Ansätze gegen Infektionen und Krebs
Wie die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei CIBSS funktioniert, zeigt die Forschung an Lektinen. Diese Proteine sind an Signalprozessen beteiligt, die wichtig für die Zellkommunikation und -interaktion sind. Signalprozesse verlaufen oft nach ähnlichen Prinzipien, selbst in so verschiedenen Zelltypen wie Krankheitserregern, Pflanzenwurzeln und Immunzellen. Das Verständnis gemeinsamer Prinzipien eröffnet neue Forschungsansätze und innovative Anwendungen – von verbesserten Strategien gegen Infektionskrankheiten über nachhaltigere Pflanzensymbiosen bis hin zu neuen Ansätzen in der Krebstherapie.
Proteine mit vielseitigen Funktionen: Lektine bei bakteriellen Infektionen
Der Zellbiologe Prof. Dr. Winfried Römer und sein Team arbeiten daran, zu verstehen, wie Krankheitserreger die Zellmembranen ihrer Wirtszellen manipulieren, um Infektionen auszulösen. Einer unserer Schwerpunkte liegt dabei auf der Frage, inwiefern Lektine bei bakteriellen Infektionen zelluläre Prozesse beeinflussen“, sagt Römer. Das Team um Römer zeigte, dass bakterielle Lektine wie LecA nicht nur eine Art Klebstoff sind, mit dem sich Bakterien an Wirtszellen anheften. LecA aktiviert zudem zelluläre Signalwege, die es dem Bakterium erleichtern, in die Wirtszelle einzudringen.
Das Molekül Glykolipid Gb3 spielt dabei eine zentrale Rolle. „Gb3 ist nicht nur ein Bindungspunkt für bakterielle Lektine, sondern war schon länger als Tumormarker bekannt, der auf der Oberfläche vieler Krebszellen übermäßig stark angereichert vorkommt“, sagt Römer. Die Forschenden beobachteten, dass zwei der untersuchten Lektine gezielt an Gb3 binden, was das Potenzial für Anwendungen außerhalb der Infektionsforschung deutlich machte. Zum einen eröffnet diese Bindungsperspektive die Möglichkeit, bakterielle Infektionen gezielt zu verhindern, indem man die Lektin-Gb3-Interaktion blockiert. Zum anderen lässt sich Gb3 in der Krebsforschung als Angriffspunkt nutzen, um Tumorzellen spezifisch zu erkennen.
Lektine als Werkzeuge um symbiotische Partnerschaften in der Pflanzenwelt zu optimieren
Auch der Pflanzenforscher Prof. Dr. Thomas Ott arbeitet schon seit längerem an Lektinen. Eines von Römers Ergebnissen motivierte ihn und sein Team zu untersuchen, ob durch Lektine verursachte Membranveränderungen auch in gleicher Weise in der Wurzelknöllchensymbiose zu beobachten sind. „Die strukturelle Ähnlichkeit der Einstülpungen war faszinierend, auch wenn die beteiligten Lektine letztlich unterschiedlich sind“, sagt Ott. Bei der Wurzelknöllchensymbiose gehen Bodenbakterien, sogenannte Rhizobien, eine enge Partnerschaft mit Pflanzen ein, indem sie Wurzeln besiedeln und die Pflanzen kleine Knöllchen bilden. Darin wandeln sie Stickstoff aus der Luft in eine für die Pflanze nutzbare Form um – ein Prozess, der für Pflanzen selbst nicht möglich wäre und ihnen eine individuelle Stickstoffversorgung ermöglicht. So entsteht eine natürliche „Düngerfabrik“. Eines von Otts Zielen ist es, Strategien zu entwickeln, wie sich diese wertvolle Eigenschaft optimieren und auf andere Nutzpflanzen übertragen lässt. In der Landwirtschaft könnte das den Einsatz synthetischer Düngemittel reduzieren. Otts Team arbeitet mit dem natürlichen Lektin LDP1. Die Forschenden konnten zeigen, dass sich LDP1 in der sogenannten Infektionskammer anhäuft, dem Bereich der Wurzel, in dem die Symbiose zwischen Pflanze und Rhizobien eingeleitet wird. Zusammen mit Winfried Römer untersuchte das Team, wie sich LDP1 außerhalb seines natürlichen pflanzlichen Kontexts verhält. „Wir konnten Winfried Römers System nutzen, ohne Monate oder Jahre darauf zu verwenden, ein eigenes aufzubauen“, sagt Ott. „Das war ein großer Vorteil.“ Die Forschenden fanden Hinweise darauf, dass das untersuchte Lektin unter bestimmten Bedingungen Membraneinstülpungen fördert. Anders als bei Krankheitserregern, bei denen dieser Effekt verhindert werden soll, könnte er in Pflanzen gezielt gefördert werden, um symbiotische Interaktionen zu unterstützen.
Innovative Immuntherapie durch Lektin-CAR-T-Zellen
Eines der Spezialgebiete der Immunologin Prof. Dr. Susana Minguet ist die sogenannte CAR-T-Zell-Therapie. Bei diesem Verfahren der Immuntherapie werden körpereigene T-Zellen von Patient*innen genetisch so verändert, dass sie Krebszellen mithilfe von sogenannten chimären Antigenrezeptoren (CAR) erkennen und angreifen. Bisher basierte diese Technologie meist darauf, dass CAR-T-Zellen bestimmte Proteine auf Tumoren erkennen. In der Zusammenarbeit von Minguet und Winfried Römer entstand die Idee, diese Strategie zu erweitern und Lektine in CARs einzubauen, sodass T-Zellen Tumorzellen auch anhand veränderter Zuckerstrukturen identifizieren. „Damit eröffneten sich völlig neue Möglichkeiten zur Bekämpfung von Tumoren, die bisher als unangreifbar für bestehende Immuntherapiestrategien galten“, sagt Minguet. „Der interdisziplinäre Austausch hat entscheidend dazu beigetragen.“
Inzwischen konzentriert sich das Team darauf, die Reaktion der CAR-T-Zellen zu optimieren, die auf die Erkennung ihres Ziels folgt. „Um Tumorzellen wirksam zu eliminieren, reicht die Erkennung allein nicht aus: CAR-T-Zellen müssen richtig aktiviert werden.“ Hierfür ist es entscheidend, die vom CAR ausgelösten Signalwege in den T-Zellen sorgfältig auszubalancieren: Sie müssen einerseits stark genug sein, um eine wirksame Aktivierung und Tumorzellabtötung zu gewährleisten, dürfen aber andererseits nicht zu stark sein, um eine sogenannte T-Zell-Erschöpfung auszulösen. Diese schwächt die Immunantwort gegen Krebs und verringert die langfristige Wirksamkeit einer Therapie. Künftig wollen die Teams von Minguet und Römer die Möglichkeiten von Lektinen noch weiter erforschen. Dazu gehört, Lektine durch Protein-Engineering weiter zu optimieren oder zusätzlich Lektin-NK-Zellen („Natural Killer Cells“) einzusetzen, um das Spektrum der mit Lektinen ausgerüsteten Immunzellen zu erweitern. Römer: „Die enge Verbindung zwischen Susanas Erfahrung in der Immuntherapie und unserer Expertise in der Lektin- und Membranforschung ist entscheidend, um solche innovativen Ansätze Realität werden zu lassen.“