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Menschen mit VR-Brillen, vor einem Monitor, der einen Wald zeigt

Future Forests – Wie werden die Wälder fit für die Zukunft?

01. November 2025
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Ein Beitrag der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Klimawandel und Artenverlust setzen den Wäldern zu. Der Exzellenzcluster Future Forests an der Universität Freiburg wird erforschen, mit welchen Strategien sich den Gefahren begegnen lässt.

Wir verlangen viel vom Wald: Er soll Erholungsraum sein und Naturerfahrung ermöglichen. Er muss einer Vielzahl an Pflanzen und Tieren intakte Lebensräume bieten. Bäume und Waldboden sollen CO2 und Wasser speichern, gerade jetzt in Zeiten des Klimawandels. Obendrein muss der Wald auch noch wirtschaftlich sein und Holz liefern. Die Wissenschaft nennt das die „Ökosystemleistungen“, die der Wald für uns erbringt.

Doch es ist ungewiss, ob der Wald seine vielen Aufgaben weiterhin wird erfüllen können. Der Klimawandel setzt ihm mit Dürren und Stürmen zu. Gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten breiten sich aus, während einheimische Arten verschwinden. Diese Veränderungen vollziehen sich so schnell, dass die natürlichen Anpassungsprozesse oft nicht ausreichen, um den Fortbestand gesunder und artenreicher Waldökosysteme zu sichern.

Daher muss der Mensch nachhelfen und die sich neu entwickelnden Wälder aktiv an die Zukunft anpassen. Wie kann der Um- und Aufbau zukunftsfähiger Wälder gelingen? Das ist eine Frage, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Freiburg beschäftigt. Seit Jahrzehnten liegt hier, am Fuß des Schwarzwalds, eines der wichtigsten internationalen Zentren der Forst- und Umweltwissenschaften.

Künstlicher Stress für Bäume

In einem ehemaligen Hangar am Freiburger Flugplatz stehen in einer langen Reihe sechs große, mehr als drei Meter hohe Schränke – sogenannte Ecotrone. Durch die Sichtfenster in den Türen ist Eichenlaub zu erkennen, hell beleuchtet von LEDs. In echtem Waldboden wachsen hier junge Eichen heran, jeweils vier Bäume in einem Ecotron. Fabio Scarpa ist Doktorand und führt gerade einen Versuch mit den Ecotronen durch: „Wir machen hier Grundlagenforschung, um zu verstehen, wie Eichen auf wiederholte Dürreperioden reagieren“, erklärt er.

Geräte in der Universität Freiburg mit dem Namen Ecotrone, in denen sich extreme Umweltbedingungen und ihr Einfluss auf Bäume simulieren lassen.
© Michael Spiegelhalter Die Universität Freiburg besitzt sechs Ecotrone, in denen sich extreme Umweltbedingungen und ihr Einfluss auf Bäume simulieren lassen.

Die Eichen müssen in den kommenden Wochen einiges über sich ergehen lassen, immer wieder werden sie Hitze und Wassermangel ausgesetzt. Das geht, weil sich in den Ecotronen verschiedene Umweltbedingungen präzise simulieren lassen: von extremer Hitze oder Kälte über Trockenheit und Feuchtigkeit bis hin zu variierenden Lichtverhältnissen und unterschiedlichen CO2-Konzentrationen in der Luft. Die Ecotrone verfügen zudem über sensible Instrumente, mit denen sich die Reaktionen der Pflanzen auf diesen Stress messen lassen – etwa, welche organischen Gase sie über Blätter und Boden abgeben, und ob sie an Gewicht zunehmen oder verlieren.

Mit dem Versuch wollen Scarpa und seine Kolleginnen und Kollegen in der Forschungsgruppe PHYTOAKMETER herausfinden, ob die Bäume eine Art Gedächtnis für erlittenen Stress haben und deshalb anders reagieren, wenn sie einer zweiten oder dritten Trockenperiode ausgesetzt sind. Solche Erkenntnisse können helfen, zukünftig besser zu verstehen, wann Wälder besonders durch Klimastress gefährdet sind.

In einem Ecotron wachsen junge Eichen unter streng kontrollierten Bedingungen heran, um zu erforschen, wie sie auf Dürrestress reagieren.
© Michael Spiegelhalter In einem Ecotron wachsen junge Eichen unter streng kontrollierten Bedingungen heran, um zu erforschen, wie sie auf Dürrestress reagieren.

Zukunftsszenarien an virtuellen Wäldern simulieren

Ortswechsel in die Freiburger Innenstadt: Im Raum des XR Future Forests Labs steht der Entwickler Paul Lakos auf einer Metallplattform. Er trägt eine Virtual-Reality-Brille und schaut sich um. Was er durch die Brille sieht, können auch seine Kolleginnen und Kollegen auf einem großen Bildschirm hinter ihm verfolgen: Dort befindet sich Lakos mitten in einem virtuellen Wald, hoch oben auf der Plattform eines Messturmes.

Lakos ist XR-Entwickler. „XR“ steht für „Extended Reality“, also die Verschmelzung von realer Welt und digitalen Elementen. Der virtuelle Wald, in dem Lakos sich befindet, ist kein Fantasieprodukt, sondern der „digitale Zwilling“ eines echten Waldstücks, das gut 30 Kilometer nördlich von Freiburg liegt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Sonderforschungsbereichs ECOSENSE erproben dort, im echten Wald, wie man die Stressreaktion der Bäume auf den Klimawandel mithilfe eines Netzwerks aus Mikrosensoren messen kann.

Menschen mit VR-Brillen, vor einem Monitor, der einen Wald zeigt
© Silvia Wolf Das XR Future Forests Lab entwickelt virtuelle Abbilder echter Wälder, die mit VR-Technik begehbar sind.

Jeder einzelne Baum des ECOSENSE-Versuchswaldes hat sein exaktes Pendant im virtuellen Wald. Um den digitalen Zwilling zu erstellen, hat das XR-Team das reale Waldstück von oben mit einer Drohne gescannt. Aus den Daten hat dann eine spezielle KI errechnet, welcher Baum an welcher Stelle steht, welcher Art er angehört und wie groß er ist. So lässt sich Baum für Baum ein ganzer Wald im Computer nachbauen.

„Mithilfe der XR-Technik werden wir Wälder aus allen Teilen der Erde direkt hierher in die Fakultät holen. Unsere Studierenden und Forschenden können dann virtuelle Exkursionen durch die Wälder unternehmen“, erklärt Christian Scharinger, der das XR Future Forests Lab leitet.

Die Technik kann aber noch mehr: „Wir werden das Unsichtbare sichtbar machen“, sagt Scharinger. Bald werde es möglich sein, in Echtzeit Daten zu einzelnen Bäumen einzublenden – beispielsweise die Daten zum CO2-Austausch eines Baumes mit seiner Umgebung oder zu seiner Wasseraufnahme, die die von ECOSENSE entwickelten Mikrosensoren viele Kilometer entfernt messen.

Und sogar in die Zukunft lässt sich schauen: „Wir werden am digitalen Zwilling bald natürliche Veränderungen und menschliche Eingriffe simulieren können. So bekommen wir eine Vorstellung davon, wie sich die Bewirtschaftung des Waldes – etwa welche Bäume gefällt oder welche Baumarten gepflanzt werden – in einigen Jahren oder Jahrzehnten auswirken wird. Wir werden auch mögliche Folgen des Klimawandels simulieren und visualisieren können.“

Dass modernste Werkzeuge wie das XR Future Forests Lab und die Ecotronen den Freiburger Forschenden neue Erkenntnisse ermöglichen, ist der finanziellen Förderung durch die gemeinnützige Eva Mayr-Stihl Stiftung zu verdanken. Die Stiftung hat einen ihrer Schwerpunkte auf die Forstwissenschaften gelegt.

Ein Mann vor einem Bildschirm, der einen 3D-Wald zeigt
© Silvia Wolf Basierend auf Drohnen-Scans von echten Wäldern entstehen Baum für Baum ‚digitale Zwillinge‘ der Wälder im Computer.

Exzellenzcluster Future Forests erforscht die Anpassung klimaresilienter Wälder

Das größte Forschungsvorhaben aber wird im kommenden Jahr starten. Anfang 2026 nimmt der Exzellenzcluster Future Forests an der Universität Freiburg seine Arbeit auf, mit Förderung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und zusätzlicher substanzieller Unterstützung durch die Eva Mayr-Stihl Stiftung. In dem Forschungsverbund werden mehr als einhundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sieben Jahre lang untersuchen, wie die Anpassung der Wälder und der Erhalt ihrer Ökosystemleistungen gelingen kann. Der Exzellenzcluster wird deutschlandweit der einzige seiner Art sein, der seine Forschung ganz auf die Zukunft der Wälder und ihre Nutzung konzentriert.

Geleitet wird Future Forests von einem Sprecherteam, dem mit Prof. Dr. Jürgen Bauhus, Prof. Dr. Friederike Lang und Prof. Dr. Marc Hanewinkel drei international renommierte Expertinnen und Experten für die zukunftsorientierte Anpassung von Wäldern angehören. Neben den Forst- und Umweltwissenschaften werden in Future Forests aber auch die Biologie, die Medizin und die Kulturwissenschaften einbezogen. Die fächerübergreifende Zusammenarbeit ist wichtig, um die Wechselwirkungen zwischen natürlichen Veränderungsprozessen und den gesellschaftlichen Ansprüchen an den Wald zu verstehen.

Die Forschenden wollen die Risiken, die der Klimawandel und unser Umgang mit der Natur bergen, systematisch identifizieren. Vor allem aber wollen sie Strategien entwickeln, wie man diesen Gefahren begegnen kann. Die Fragen sind groß: Welche praktischen Schritte sind notwendig, um klimaresiliente Wälder aufzubauen? Wie kann man heute robuste Entscheidungen treffen, obwohl die Datenlage schlecht ist und wir viele zukünftige Risiken noch nicht kennen? Und wie können die vielen beteiligten Akteure aus Forstwirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zusammenarbeiten, um die Wälder der Zukunft zu gestalten?

Der Exzellenzcluster Future Forests an der Universität wird über die innovative Technik, die fachliche Expertise, die umfassenden Ressourcen und die breite interdisziplinären Vernetzung verfügen, die es braucht, um Antworten auf diese Fragen zu finden.