
Profilbereich MatSE: Energieeffiziente Hardware für den Einsatz von KI
AnzeigeDer Zukunftscluster „NeuroSys – Neuromorphe Hardware für autonome Systeme der künstlichen Intelligenz“ der RWTH Aachen bündelt die Kräfte von Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlichen Akteuren in Aachen.
Energieeffiziente neuromorphe Computerchips sind ein Schlüssel für den breiten Einsatz von KI, etwa in autonomen Fahrzeugen, der Medizintechnik oder in der Spracherkennung. Neuromorphe Systeme sind inspiriert von zwei Grundbausteinen des menschlichen Gehirns, den Neuronen und den Synapsen. Diese können durch neue Materialien mit bestimmten Eigenschaften realisiert und als „memristiv“ beschrieben werden. Memristiv ist ein Kofferwort – aus dem Englischen „memory“ für Speicher und „resistor“ für elektrischer Widerstand. Neben der elektronischen bietet auch die optische Signalverarbeitung eine mögliche Lösung. Optische Übertragungssysteme ermöglichen extrem hohe Datenraten und eine substanzielle Verkürzung von Latenzzeiten während der Signalübertragung. Diese neuartigen Systeme können somit eine energieeffiziente Vor-Ort-Verarbeitung von Daten leisten. Neuromorphic Computing (NC) lässt sich also von den Eigenschaften des Gehirns zur Entwicklung von Computerhardware und -software inspirieren. Leistungsstarkes Rechnen bei geringem Energieverbrauch ermöglicht unter anderem die Verarbeitung sensibler und/oder zeitkritischer Daten direkt am Ort des Geschehens (Edge Computing).
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hatte 2021 in der ersten Wettbewerbsrunde das Thema Neuromorphic Computing als eines von sieben Zukunftsclustern (Clusters4Future) zu einem der zentralen Zukunftsthemen für Deutschland erklärt. Der Zukunftscluster „NeuroSys – Neuromorphe Hardware für autonome Systeme der künstlichen Intelligenz“ der RWTH Aachen wird von Professor Max Lemme vom Lehrstuhl für Elektronische Bauelemente und Geschäftsführer des Johannes Rau Forschungsinstituts AMO GmbH koordiniert. NeuroSys bündelt die Kräfte der Forschungseinrichtungen mit der regionalen wie überregionalen Industrie. Die Forschungsarbeiten umfassen die gesamte Wertschöpfungskette von der Materialforschung, über die Bauelementeentwicklung, deren Integration in Schaltungsentwürfe, über die Algorithmenentwicklung bis hin zu anwendungsgetriebenen Fallstudien und der Entwicklung von sozioökonomischen Wirkungsszenarien neuromorpher Hardware.
Seit dem Start im Jahr 2022 geht der Blick aus ganz Deutschland Richtung Aachen, mit Zeiss und NXP sind inzwischen zwei weitere Global Player Mitglied im Beirat des Zukunftsclusters geworden. „Wissenschaftlich haben wir große Fortschritte erzielt, die Sichtbarkeit des Standortes Aachen für die Entwicklung neuromorpher Computer zu erhöhen. NeuroSys hat eine an einem Standort gebündelte Expertise, die in dieser Dichte weltweit einmalig ist. Die Herausforderung wird es nun sein, den Transfer in die (bevorzugt regionale) Industrie zu erhöhen“, erklärt Lemme.
Wie die Forschung am Ende auf den Markt kommt, zeigen unter anderem die Start-ups AixScale Photonics, Clinomic, roofline.ai und Black Semiconductor, Ausgründungen der RWTH. Das Aachener Unternehmen AIXTRON tätigt ein hohes Millioneninvest in einen Forschungsreinraum in Aachen. „Unsere Vision ist, gemeinsam mit allen Partnern die Region Aachen weltweit führend auf dem Gebiet des Neuromorphic Computing für Forschung, Entwicklung und Anwendung auszubauen“, erklärt Lemme.
„NeuroSys“ ist u.a. Teil des Profilbereichs Material Science and Engineering (MatSE). Materialwissenschaft und Werkstofftechnik sind durch innovative Produkte ein wesentlicher Bestandteil zur Lösung zahlreicher gesellschaftlicher Herausforderungen, wie die Energie- und Mobilitätswende, die Digitalisierung in den meisten Lebensbereichen, der demografische Wandel und der wirtschaftliche Strukturwandel. Der Profilbereich hat sich zum Ziel gesetzt, die internationale Konkurrenzfähigkeit der RWTH Aachen in diesen Themenfeldern zu stärken, die vorhandenen Kompetenzen zu bündeln und die Entwicklung bedeutender Zukunftsthemen zu unterstützen.
Die rund 70 beteiligten Lehrstühle und Forschungsbereiche erstrecken sich über die fünf größten Fakultäten der RWTH Aachen. Die materialwissenschaftliche und werkstofftechnische Forschung reicht in ihrer Tiefe von der Grundlagenforschung in Physik und Chemie bis hin zu den ingenieurwissenschaftlichen Anwendungen. Innerhalb der deutschen Materialwissenschaftlichen Community besitzt der Profilbereich bereits eine herausragende Stellung. Neben Strukturwerkstoffen im industriellen Einsatz wie beispielsweise für den Automobilbau und das Bauwesen liegt der Fokus außerdem auf gesellschaftlich relevanten Funktionswerkstoffen für zukünftige Anwendungen wie unter anderem in der Informationstechnologie oder im biomedizinischen Bereich. Die Forschungsgebiete decken alle Werkstoffklassen ab, von metallischen Werkstoffen über Keramik und Glas bis hin zu Polymeren und Biomaterialien.
Interview mit Prof. Max Lemme
Was sind die Vorteile neuromorpher Hardware gegenüber klassischer Hardwarestrukturen?
Neuromorphic Hardware kann bestimmte Rechenaufgaben energieeffizienter und schneller erledigen als klassische Hardware in der etablierten „von-Neumann-Architektur“. Dies ist insbesondere für das maschinelle Lernen wichtig, und für das, was darüber hinaus als „künstliche Intelligenz“ eingeordnet wird. Derzeit werden solche Anwendungen von Graphikprozessoren „mit der Brechstange“ erledigt, was zu einem enormen Energieverbrauch führt. Hier können spezifische „neuromorphe“ Chips helfen.

Wie sieht eine solche neuromorphe Hardware am Ende aus – was sind die zentralen Unterschiede zu unserer herkömmlichen Technologie?
Die etablierte „von-Neumann-Architektur“ trennt auf den Chips noch überwiegend Logik und Speicher, wodurch große Datenmengen häufig auf dem Chip „bewegt“ werden müssen und so den Energieverbrauch in die Höhe treiben. Neuromorphe Hardware lässt sich dagegen sowohl in der Rechnerarchitektur als auch bei Rechenvorgängen von der Struktur und Funktionsweise des Gehirns inspirieren. Das menschliche Gehirn kann sehr effizient komplexe Muster und Situationen erkennen, obwohl die biologischen Prozesse im Vergleich zu den Taktraten in Computern extrem langsam sind. Neuromorphe Computer könnten also künstliche Neuronen zur Durchführung von Berechnungen verwenden und dabei eine Kombination aus analogen und digitalen Systemen verwenden. So werden Modelle neuronaler Systeme implementiert. Die Neuronen und Synapsen könnten dabei aus neuen Materialien bestehen und als „Memristoren“ realisiert werden, also eine Verknüpfung von Speicher und Logiktransistor („Memory“ und „Transistor“) bereitstellen.
Wo steht die Forschung aktuell? Was sind anstehende Herausforderungen?
Wir sehen bereits erste neuromorphe Chips wie die Intel Loihi Reihe, die neue Architekturen zur Verfügung stellen. Allerdings können diese noch nicht voll genutzt werden, weil der gesamte „Software Stack“ nicht durchgängig existiert. Die etablierte Technologie ist vom einzelnen Transistor auf dem Chip bis hin zur Applikationssoftware an allen Schnittstellen definiert und optimiert. Das fehlt für neue Bauelemente und Architekturen, übrigens nicht nur beim neuromorphen Rechnen, sondern auch bei den Ansätzen für Quantencomputer. Trotzdem werden erste Erfolge mit Spezialchips erreicht, die auch als „Hardware Accelerator“ bezeichnet werden. Diese werden derzeit noch ohne die neuen Materialien und Memristoren gefertigt und bringen erste Energieeinsparungen. Aber echte Durchbrüche erwarten wir vor allem, wenn das gesamte Ökosystem aus neuen Materialien, Bauelementen, Schaltungen, Architekturen und Algorithmen funktioniert.
Wie wird neuromorphe Hardware am Ende unsere Welt verändern?
Neuromorphe Hardware ist letztlich ein Sammelbegriff für energieeffiziente, schnelle Computerchips – vor allem für KI-Anwendungen. Daher sehe ich darin eine Schlüsseltechnologie für die KI, die auf Grund der geopolitischen Situation auch eine strategische Bedeutung hat. Denn KI wird alle Bereiche unseres Lebens berühren, was wir im Grunde ja heute schon sehen und das noch stark zunehmen wird. Diese Chips werden in Zukunft auch den Wert eines Produktes beeinflussen, angefangen vom selbstfahrenden Auto, humanoiden Robotern über das Mobiltelefon bis zur Kaffeemaschine. Auch im Gesundheitssektor werden diese Chips wichtig, indem es einerseits immer mehr in Richtung individueller Medizin geht, wo aber auch sehr persönliche Daten geschützt bleiben müssen.

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