ZEIT für X
Wie bewegt sich ein Roboter auf vier Beinen – und wie reagieren wir darauf? Auf einem Festival zeigt die Robotik, wie Technik Schritt für Schritt in unseren Alltag findet.

Roboter auf dem Gehweg – sind wir bereit dafür?

24. Juli 2025
Anzeige
Ein Beitrag des FZI Forschungszentrum Informatik

Reinigungsroboter in Bahnhöfen? Alltag. Liefer­roboter auf Gehwegen? Noch selten – aber in Pilot­projekten bereits Realität. Roboter zur Unter­stützung in der Pflege werden erforscht, um ältere Menschen im täglichen Leben zu entlasten. Die Robotik macht den Sprung aus dem Labor – doch wie willkommen ist sie im wirklichen Leben? Der Alltag wird zum Prüfstand: für Technik, für Akzeptanz – und für uns.

Robotik ist nicht nur ein technisches Thema, sie betrifft unser Selbst­verständnis. Es geht nicht nur um Sensorik, Soft­ware­entwicklung oder Wirtschaftlichkeit. Sondern um die Erforschung des Zwischen­menschlichen – oder genauer: des Zwischen­mensch-Maschinellen. Die zentrale Frage lautet: Wie ermöglicht die Maschine ein Zusammen­leben, das funktioniert, akzeptiert – und sogar geschätzt wird?

Alltag als Experimentierfeld

Genau dieser Fragestellung widmen sich deutschland­weit zahlreiche Forschungs­projekte – eines davon: das bundes­weit aufgestellte „Transferzentrum Roboter im Alltag“, kurz RimA. Gemeinsam mit den ebenfalls vom Bundes­ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderten RA3-Kompetenz­zentren – Forschungs­verbünden zur Mensch- Roboter-Interaktion im Alltag – analysiert RimA, unter welchen Bedingungen Roboter sinnvoll und sicher in alltäglichen Situationen eingesetzt werden können.

Dabei wird der öffentliche Raum zum Labor: In Ulm etwa führen Forschende des Projektes ZEN-MRI Feldstudien mit Passantinnen und Passanten sowie mit Reinigungs­robotern durch. Was passiert, wenn ein Roboter plötzlich die Richtung ändert? Was empfinden Menschen, wenn sie von einem piependen LED-Wesen „aus dem Weg gebeten“ werden?

Ein Roboter, der im Alltag zum Einsatz kommt, sollte sich nicht nur rücksichts­voll und sicher verhalten, sondern aktiv zum reibungs­losen Miteinander beitragen. Indem er sich voraus­schauend und kooperativ ins Geschehen einfügt, wird er zu einem echten Mehrwert für seine Umgebung.

Prof. Dr.-Ing. Arne Rönnau, Direktor am FZI Forschungs­zentrum Informatik

Anhand von Interviews, Beobachtungen und Fragebögen werden die Kommunikations­muster getestet, mit denen Roboter ihre Absichten sichtbar machen können: mit Licht, Ton, Icons oder gar Boden­projektionen. Ziel ist eine verständliche Körper­sprache für Maschinen. Die Forschenden aus dem Projekt RimA schauen dann aus der Außen­perspektive, wie sich diese verständliche Körper­sprache zu anderen relevanten Aspekten verhält, ob der Roboter also beispiels­weise seine Aufgabe gleich­zeitig effizient aus­füllt. „Ein Roboter, der im Alltag zum Einsatz kommt, sollte sich nicht nur rücksichts­voll und sicher verhalten, sondern aktiv zum reibungs­losen Miteinander beitragen“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Arne Rönnau, Direktor am FZI Forschungs­zentrum Informatik. „Indem er sich voraus­schauend und kooperativ ins Geschehen einfügt, wird er zu einem echten Mehrwert für seine Umgebung.“

Zwischen Funktion und Verständnis

Gute Technik muss heute mehr können als nur funktionieren. Sie muss verständlich sein – und dabei berücksichtigen, wer ihr begegnet. Kinder, ältere Menschen oder Personen mit Einschränkungen reagieren anders auf technische Systeme. Roboter, die sich künftig im öffentlichen Raum bewegen, müssen deshalb nicht nur zuverlässig und sicher agieren, sondern auch sozial­verträglich und wirtschaftlich einsetz­bar sein. RimA greift diese vier zentralen Heraus­forderungen – Aufgaben­erfüllung, Sicherheit, Interaktionsqualität und ökonomische Tragfähigkeit – systematisch auf. Damit daraus technische Anforderungen entstehen können, müssen abstrakte Begriffe greifbar gemacht werden: Aus „robust“ wird zum Beispiel eine messbare Reinigungsleistung. „Sicherheit“ lässt sich über zulässige Kräfte und Abstände definieren. Und „soziale Kompatibilität“ zeigt sich etwa in der Reaktion von Menschen, die dem Roboter begegnen.

Dafür ist ein menschzentrierter Gestaltungs­prozess notwendig. Die Entwicklung erfolgt in Zusammen­arbeit mit Forschenden unter­schiedlichster Fachbereiche: Ingenieur­wissenschaftliche Lösungen werden systematisch um Erkenntnisse aus Ethik, Psychologie und Sozial­forschung ergänzt. Verschiedene Stake­holder – vom Tech-Start-up bis zur Reinigungs­firma – werden einbezogen, um Anforderungen zu erfassen, Konflikte zu erkennen und trag­fähige Lösungen zu entwerfen. Projekte wie RimA bilden die Schnitt­stelle für diese Kollaboration: Hier werden Forschende mit Firmen und Endnutzenden zusammen­gebracht, Wissen zusammen­geführt und Bedarfe greifbar gemacht. Dabei geht es also nicht nur um Design – sondern auch um den gesellschaftlichen Rahmen: Welche rechtlichen Standards braucht es für Roboter im öffentlichen Raum? Welche Sicherheitsanforderungen müssen sie erfüllen, wenn sie mit Menschen interagieren? Und wie sieht eigentlich ein trag­fähiges Geschäfts­modell für einen Roboter aus, der beispiels­weise Müll aufsammelt?

Teamwork am Herd: Der Roboterarm hilft beim Zubereiten der Tomatensoße für ein Pastagericht – Alltagsszenen aus der Robotikforschung.
© FZI Teamwork am Herd: Der Roboterarm hilft beim Zubereiten der Tomatensoße für ein Pastagericht – Alltagsszenen aus der Robotikforschung.

Zwischen Machbarkeit und Markt

Ein Blick auf den Stand der Technik zeigt: Viele Roboter bewegen sich im sogenannten Technological Readiness Level 2-5-Bereich, der die Entwicklungs­stufen von der Idee bis zum realen Einsatz beschreibt. Das heißt, sie sind konzipiert, im Labor getestet, manchmal sogar in realitäts­nahen Umgebungen demonstriert – aber noch lange nicht markt­reif. Die Kluft zwischen akademischer Forschung und massen­tauglichem Produkt ist oft tief. Und teuer. „Robotik braucht mehr als Technik“, sagt Tristan Schnell. „Sie muss trag­fähig, akzeptiert und anwendbar sein. Anlaufstellen wie RimA helfen, den Weg vom Prototyp zur Praxis zu ebnen.“

Tatsächlich arbeitet das Zentrum nicht nur an Benchmark-Kriterien und einer Wissensplattform, sondern auch an methodischen Hilfs­mitteln, um Geschäfts­modelle zu entwickeln – etwa mit einer eigens entwickelten RimA Toolbox, die auf die Besonderheiten von Service- und Assistenz­robotik zugeschnitten ist. Die Forschenden hoffen, so Brücken zu bauen: zwischen Forschung und Anwendung, zwischen Idee und Alltag. Auch deshalb testet das Zentrum den erfolgreichen Einsatz von Robotern in häuslicher Umgebung.

Vision mit Bodenhaftung

Robotik im Alltag ist keine Zukunfts­option, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Der demografische Wandel, der zunehmende Fach­kräfte­mangel und steigende Anforderungen in Pflege, Versorgung und öffentlichem Raum verlangen nach neuen Lösungen. Service- und Assistenz­roboter können dazu beitragen, Menschen gezielt zu entlasten und bestehende Strukturen zu stärken – wenn sie verlässlich, sicher und sozialverträglich gestaltet sind. RimA zeigt Wege auf, wie dies gelingen kann. Entscheidend wird sein, ob wir als Gesellschaft bereit sind, diese Entwicklung aktiv mitzugestalten – damit Robotik unsere Lebens­qualität unter­stützt und für alle nutzbar wird.


Drei Fragen an Tristan Schnell vom FZI Forschungszentrum Informatik (Baden-Württemberg)

© FZI

Herr Schnell, wie begegnen Sie einem Roboter im Park – mit Neugier oder analytischem Blick?
Mit beidem – denn beide Aspekte sind wichtig. Neugier öffnet den Blick, der analytische Verstand prüft, ob Roboter im Alltag wirklich funktionieren. Alltags­tauglichkeit lässt sich nicht im Labor fest­stellen. Deshalb ist für uns das Projekt RimA von Bedeutung. Erst dadurch erfahren wir, wie Menschen auf Roboter im öffentlichen Raum reagieren – was schon funktioniert oder was irritiert. Der Park wird für uns so zum Testfeld für Technik und Akzeptanz.

Was benötigt ein Roboter, um im Alltag wirklich akzeptiert zu werden?
Vor allem Verständnis – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Ein Roboter muss klar kommunizieren, damit Menschen sich sicher fühlen, aber gleich­zeitig auch seine Aufgabe gut machen, damit sie den Mehrwert akzeptieren.

Mensch und Maschine – das gilt für viele als Gegensatzpaar. Wie bewerten Sie die Rolle von Robotern für die Gesellschaft der Zukunft?
Die Robotik steht oft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Viele Ideen sind technisch beeindruckend, aber weit vom alltäglichen Nutzen entfernt. RimA will hier Perspektiven zusammen­bringen – zwischen Forschung und Gesellschaft. Unser Ziel: Gute Ideen bleiben nicht im Prototyp stecken, sondern kommen bei den Menschen an – und zwar als Unter­stützung, nicht als Ersatz. Robust, verständlich, tragfähig.


Humanoide Roboter – zwischen Erkenntnis und Erwartung

Sie gehen, sie greifen, sie balancieren – zumindest auf Messen, in Videos oder in perfekt vorbereiteten Test­hallen. Humanoide Roboter gelten als besonders anspruchs­volle Disziplin der modernen Robotik. Doch der Weg vom technisch beeindruckenden Prototyp zur nützlichen Haus­halts­hilfe ist weiter, als viele glauben. Und der Alltag? Der läuft selten so glatt wie ein Test­lauf im Labor.

Sie erkennt, greift, hilft: HoLLiE ist ein modularer Serviceroboter aus dem FZI House of Living Labs. Sie entlastet im Krankenhaus, räumt Küchen auf – und mixt auf Wunsch sogar Cocktails.
© FZI Sie erkennt, greift, hilft: HoLLiE ist ein modularer Serviceroboter aus dem FZI House of Living Labs. Sie entlastet im Krankenhaus, räumt Küchen auf – und mixt auf Wunsch sogar Cocktails.

Die Robotik ist ein komplexer Forschungs­bereich. Sie vereint Forschungs­disziplinen genauso wie Hardware, Software und Künstliche Intelligenz. Humanoide Roboter treiben die Komplexität auf die Spitze. Sie sind nicht nur technisch anspruchs­voll, sondern sollen sich in einer Welt zurecht­finden, die für Menschen gemacht ist – mit schmalen Durch­gangs­möglichkeiten, manchmal auch rutschigen Treppen, unvorher­seh­baren Begegnungen. Was in der Simulation noch elegant wirkte, endet im Praxis­test oft abrupt. Ein Sonnenstrahl auf dem Sensor oder ein Hund auf dem gleich­farbigen Teppich – schon ist das System aus dem Takt. Damit Roboter Objekte oder Lebewesen sicher erkennen können, brauchen sie einerseits viele gut aus­gewertete Daten – und anderer­seits funktionierende Sensoren, die nicht durch Schatten, Schmutz oder Störungen aus dem Takt gebracht werden. Die Überprüfung, ob diese Kriterien erfüllt wurden, macht die Forschung so anspruchs­voll: Wer Roboter für den Alltag entwickeln will, muss sie auch im Alltag testen. Doch wie bei allen Forschungs­experimenten gilt: Sobald man die reale Umgebung zu sehr absichert, ist sie keine reale Umgebung mehr.

Auch im Vergleich mit anderen Forschungs­ergebnissen sind diese Punkte herausfordernd: Reale Bedingungen lassen sich nur schwer standardisieren – und damit auch kaum vergleichen. Unterschiedliche Labore arbeiten mit jeweils eigenen Vergleichs­kriterien. Was als Durch­bruch gilt, ist oft nur unter idealen Bedingungen oder im eigenen Labor reproduzier­bar. Erkenntnis­gewinn? Ja – aber weniger marktreif, als es ohne Einordnung für Unbeteiligte manchmal wirkt.

Damit ein Roboter erkennt, was oder wer vor ihm steht, braucht er Erfahrung – in Form von Daten – und Sinne, die auch in Räumen funktionieren, die er noch nie zuvor betreten hat.

Tristan Schnell, Koordinator von RimA und Abteilungs­leiter am FZI Forschungs­zentrum Informatik

Forschung, Wirtschaft und Politik arbeiten in verschiedenen Projekten daran, Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen. Transferzentren und Robotik­wettbewerbe sind dabei ein Ansatz. Statt schneller Produkt­versprechen geht es um methodische Sorgfalt: um belastbare Studien, um reproduzier­bare Tests – und um offene Fragen. Bevor humanoide Roboter zuverlässig im Alltag eingesetzt werden können, braucht es ein tiefes Verständnis für ihr Verhalten unter realen Bedingungen. Und dafür ist mehr als Fortschritt nötig: Geduld, Standards – und die Bereitschaft, Robotik auch als Forschungs­gegen­stand und -prozess zu begreifen.


RimA – Roboter im Alltag

Roboter unterstützen zunehmend unseren Alltag – in Pflege, Reinigung oder Service. Ihre Akzeptanz hängt davon ab, wie verständlich und intuitiv die Interaktion mit ihnen gelingt. Doch der Alltag ist unvorhersehbar, menschlich – und komplex.

Projektziel:
Das vom FZI koordinierte „Transfer­zentrum Roboter im Alltag (RimA)“ vernetzt Forschende, Entwickelnde und Anwendende in der Service- und Assistenz­robotik. Ziel ist eine Community, die den alltags­tauglichen Einsatz neuer Robotik­lösungen fördert – durch Austausch, Evaluation und den Transfer nutzer­freundlicher Technik. Hier werden vier zentrale Heraus­forderungen gemeinsam aufgegriffen: Aufgaben­erfüllung, Sicherheit, Interaktions­qualität und ökonomische Trag­fähigkeit.

Projektpartner:
Freie Universität Berlin, FZI Forschungs­zentrum Informatik, Karlsruher Institut für Technologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, TÜV Süd

Gefördert durch:
Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR)
roboter-im-alltag.org

Kontakt

FZI Forschungszentrum Informatik
Haid-und-Neu-Str. 10–14
76131 Karlsruhe
Tel. (0721) 9654-340
E-Mail: presse@fzi.de
fzi.de
roboter-im-alltag.org

Logo FZI