
UNICARagil: Wie die Mobilität der Zukunft gelingen kann
AnzeigeVollautomatisiert und fahrerlos – UNICARagil zeigt, wie fahrerloses Fahren im gemischten Verkehr sicher funktioniert.
Vier vollständig automatisierte und fahrerlose Fahrzeugprototypen sind das Ergebnis von fünf Jahren intensiver Arbeit. Acht Universitäten (RWTH Aachen, TU Braunschweig, TU Darmstadt, KIT, Uni Passau, Uni Stuttgart, Uni Ulm, TU München) und neun Unternehmen haben mit dem Projekt UNICARagil gezeigt, wie zukünftige Mobilität gelingen kann und gleichzeitig komplexe Aufgaben aus dem individuellen und öffentlichen Verkehr sowie des Gütertransports erfüllt werden. Bei der Bewältigung der Herausforderungen, die sich aus einem steigenden Mobilitätsbedarf und der fortschreitenden Urbanisierung ergeben, werden automatisierte und vernetzte Fahrzeuge eine Schlüsselrolle einnehmen. Sie schaffen die Grundlage für einen nachhaltigen und intelligenten Straßenverkehr, neuartige Mobilitäts- und Transportkonzepte bei gleichzeitiger Verbesserungen der Verkehrssicherheit und Lebensqualität im urbanen und ländlichen Raum.
Dafür geeignete Fahrzeugkonzepte erfordern jedoch eine wesentlich leistungsfähigere und updatefähige Informationsverarbeitung im Kraftfahrzeug und damit eine Revolution etablierter Architekturen und Entwicklungsprozesse. Die in der Automobilindustrie bislang vorherrschende Vorgehensweise der evolutionären Weiterentwicklung bestehender Systeme und Konzepte wird aufgrund zahlreicher Abhängigkeiten zwischen Hardware und Software nur begrenzt Erfolg haben können.
Daher wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 32 Millionen Euro geförderten Projekts UNICARagil das Fahrzeug, seine Entwicklung und die darunterliegenden Architekturen revolutionär neu gedacht.
„Wissenschaft muss Bekanntes in Frage stellen und neues Wissen schaffen – das sind im Grunde unsere Kernaufgaben und eine der Säulen unseres Wissenschaftsstandorts Deutschland“, sagt Professor Lutz Eckstein, Gesamtkoordinator des Projektes. „Daher haben wir uns universitätsübergreifend der Aufgabe gestellt, eine agil updatefähige und erweiterbare Architektur für fahrerlose Fahrzeuge zu schaffen. Dies stellen wir mit dem Projekt UNICARagil auf erlebbare und überzeugende Weise darstellen“, erklärt Lutz Eckstein, der das Institut für Kraftfahrzeuge (ika) an der RWTH Aachen leitet und gleichzeitig Sprecher des Profilbereichs Mobility & Transport Engineering (MTE) der RWTH ist.
Ziel des Projekts war deshalb, durch die Kooperation von acht führenden deutschen Universitäten im Bereich des automatisierten Fahrens mit spezialisierten Unternehmen die Grundlagen in Form einer Software- und Hardware-Architektur für nutzerzentrierte Ausprägungen des automatisierten Fahrens zu schaffen. Deshalb wurde bewusst darauf verzichtet, klassische Fahrzeuge umzubauen oder zu erweitern. „Aktuelle Fahrzeuge stellen Antworten auf ganz andere Anforderungen dar, sie sind auf den Menschen als Fahrzeugführer ausgerichtet. Jetzt einfach nur das Lenkrad auszubauen und in den so freigewordenen Platz eine elektronische Lenk- und Steuerautomatik einzubauen, schafft nur bedingt einen Mehrwert. Mit der Möglichkeit der Automatisierung können wir auch das Auto an sich neu denken“, sagt Timo Woopen, Projektleiter von UNICARagil.
Daher hat das Projektkonsortium zunächst einmal auf Basis von Anforderungen aus den vier unterschiedlichen Nutzungsarten eine komplett neue, skalierbare Fahrzeugstruktur konzipiert. Herkömmliche Fahrzeuge bestehen grundsätzlich aus einer Karosserie, in die das Fahrwerk und der Antrieb integriert werden. In UNICARagil wurde nun das Fahrwerk mit dem Antrieb „verheiratet“ und in vier sog. Dynamikmodulen zusammengefasst. Diese ermöglichen Radlenkwinkel von bis zu 90°, während sie jeweils ein einzelnes Rad antreiben, führen und bremsen. Damit bewegen sich die Fahrzeuge agil im engen Stadtverkehr und fahren seitlich in kleinste Parklücken. Entsprechend der intendierten Nutzung von Fahrzeugen können individuelle Aufbauten auf die Fahrplattform gesetzt werden. Dieses Baukastenprinzip erlaubt eine maximale Flexibilität bei der Innenraumgestaltung bei minimalem Entwicklungsaufwand für eine zukünftige Serienproduktion.
Um Fahrzeuge sinnvoll zu automatisieren, bedarf es nicht nur vielfältiger Sensor-Technologien, sondern auch einer modularen Steuerungs-Intelligenz. Neben der Entwicklung generischer Sensormodule lagen weitere Forschungsschwerpunkte auf der Umfeld-Erkennung, der Verhaltensplanung und -entscheidung sowie einer flexibel erweiterbaren und update-fähigen Software-Architektur, die am Lehrstuhl i11 von Prof. Stefan Kowalewski entstanden ist. Um analog zum menschlichen Gehirn, das bei kleineren Verletzungen Aufgaben auf andere Hirnareale überträgt, ein möglichst hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten, basieren die UNICARagil-Prototypen auch nicht auf einem zentralen Rechner. Vielmehr wurde eine Rechnerarchitektur gewählt, die auf mehreren Ebenen arbeitet, dazu das sogenannte Großhirn mit dem Stammhirn und dem Rückenmark, welches die Dynamikmodule ansteuert, vernetzt und alle anfallenden Aufgaben mehrfach absichert.
Zur Begleitung der automatisierten Fahrzeuge wurde eine Leitwarte entwickelt, die nicht nur auf die Daten aus den Fahrzeugen, sondern auch auf die Vogelperspektive eines automatisierten Luftfahrzeugs zugreifen kann. Das Fluggerät wurde durch die flyXdrive GmbH in Kooperation mit dem Institut für Flugsystemdynamik von Prof. Dieter Moormann entwickelt und im Projekt als „Infobiene“ bezeichnet, da es nützliche Informationen sammelt und bereitstellt. Der menschliche Operator in der Leitwarte kann auf dieser Grundlage bei Bedarf Vorgaben hinsichtlich des gewünschten Verhaltens der automatisierten Fahrzeuge machen, greift also nicht unmittelbar in die Fahrzeugführung und damit das Verkehrsgeschehen ein.
Die Flexibilität der vier fahrerlosen Fahrzeugprototypen demonstrierte das Konsortium beim öffentlichen Abschlussevent anhand unterschiedlicher Anwendungen: Das autoCARGO zeigt die vollautomatische Paketauslieferung, das autoTAXI, wie individuelle Motto-Taxis in Zukunft private oder geschäftliche Meetings während der Fahrt zum Bahnhof ermöglichen können. Das autoSHUTTLE stellt eine flexible Ergänzung des ÖPNV dar, indem es insbesondere auf nicht so stark nachgefragten Strecken im ländlichen Raum fährt. Das Fahrzeugmodell autoELF thematisiert ein privates und individuell gestaltbares Familienfahrzeug. Die über 400 Besucherinnen und Besucher hatten die einzigartige Möglichkeit mitzufahren und zu erleben, wie sich eine vollautomatisierte fahrerlose Fahrt im städtischen Mischverkehr anfühlt.
Sowohl die Software- und Hardware-Architektur, als auch die automatisierten Fahrzeuge werden im Folgeprojekt autotech.agil systematisch weiterentwickelt, um die Intelligenz des Fahrzeug- und Verkehrssystems agil verteilen und aktualisieren zu können. Die in Form von Diensten organisierte Software wird im Hinblick auf die Nutzbarkeit seitens der Wissenschaft und Industrie überwiegend Open-Source verfügbar gemacht, was die aus dem Projekt UNICARagil hervorgegangene ThinkingCars GmbH durch geeignete Bewertungsmethoden unterstützt.
Der Profilbereich Mobility & Transport Engineering gestaltet fakultätsübergreifend die menschzentrierte und nachhaltige Mobilität für Menschen und Güter in urbanen und ländlichen Regionen. Dabei werden alle Formen des Transports zu Land, im Wasser und in der Luft berücksichtigt. Mit den interdisziplinären Kompetenzen seiner Mitglieder erforscht und entwickelt der Profilbereich technologieoffen neuartige Mobilitätslösungen. Diese werden auch in der forschungsorientierten Lehre verankert. In seiner Rolle als Präsident des VDI e.V. ist es Prof. Eckstein besonders wichtig, dass diese neuartigen Lösungen gemeinsam mit der Industrie zu innovativen Produkten weiterentwickelt werden, um einen nachhaltigen Beitrag zum Erfolg unseres Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts zu leisten.

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