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UNICARagil

UNICARagil: Wie die Mobilität der Zukunft gelingen kann

17. Oktober 2024
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Ein Beitrag der RWTH Aachen

Vollautomatisiert und fahrerlos – UNICARagil zeigt, wie fahrerloses Fahren im gemischten Verkehr sicher funktioniert.

Vier vollständig automatisierte und fahrerlose Fahrzeug­proto­typen sind das Ergebnis von fünf Jahren intensiver Arbeit. Acht Universitäten (RWTH Aachen, TU Braunschweig, TU Darmstadt, KIT, Uni Passau, Uni Stuttgart, Uni Ulm, TU München) und neun Unternehmen haben mit dem Projekt UNICARagil gezeigt, wie zukünftige Mobilität gelingen kann und gleich­zeitig komplexe Aufgaben aus dem individuellen und öffentlichen Verkehr sowie des Güter­transports erfüllt werden. Bei der Bewältigung der Heraus­forderungen, die sich aus einem steigenden Mobilitäts­bedarf und der fortschreitenden Urbanisierung ergeben, werden automatisierte und vernetzte Fahrzeuge eine Schlüssel­rolle einnehmen. Sie schaffen die Grundlage für einen nachhaltigen und intelligenten Straßen­verkehr, neuartige Mobilitäts- und Transport­konzepte bei gleichzeitiger Verbesserungen der Verkehrs­sicherheit und Lebens­qualität im urbanen und ländlichen Raum.

Dafür geeignete Fahrzeugkonzepte erfordern jedoch eine wesentlich leistungs­fähigere und updatefähige Informations­verarbeitung im Kraft­fahrzeug und damit eine Revolution etablierter Architekturen und Entwicklungs­prozesse. Die in der Automobil­industrie bislang vorherrschende Vorgehens­weise der evolutionären Weiter­entwicklung bestehender Systeme und Konzepte wird aufgrund zahl­reicher Abhängigkeiten zwischen Hardware und Software nur begrenzt Erfolg haben können.

Daher wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 32 Millionen Euro geförderten Projekts UNICARagil das Fahrzeug, seine Entwicklung und die darunter­liegenden Architekturen revolutionär neu gedacht.

„Wissenschaft muss Bekanntes in Frage stellen und neues Wissen schaffen – das sind im Grunde unsere Kernaufgaben und eine der Säulen unseres Wissenschafts­standorts Deutschland“, sagt Professor Lutz Eckstein, Gesamt­koordinator des Projektes. „Daher haben wir uns universitäts­über­greifend der Aufgabe gestellt, eine agil update­fähige und erweiter­bare Architektur für fahrerlose Fahr­zeuge zu schaffen. Dies stellen wir mit dem Projekt UNICARagil auf erlebbare und über­zeugende Weise darstellen“, erklärt Lutz Eckstein, der das Institut für Kraftfahrzeuge (ika) an der RWTH Aachen leitet und gleichzeitig Sprecher des Profil­bereichs Mobility & Transport Engineering (MTE) der RWTH ist.

Ziel des Projekts war deshalb, durch die Kooperation von acht führenden deutschen Universitäten im Bereich des automatisierten Fahrens mit spezialisierten Unternehmen die Grundlagen in Form einer Software- und Hardware-Architektur für nutzer­zentrierte Ausprägungen des automatisierten Fahrens zu schaffen. Deshalb wurde bewusst darauf verzichtet, klassische Fahrzeuge umzubauen oder zu erweitern. „Aktuelle Fahrzeuge stellen Antworten auf ganz andere Anforderungen dar, sie sind auf den Menschen als Fahrzeug­führer ausgerichtet. Jetzt einfach nur das Lenkrad auszubauen und in den so freigewordenen Platz eine elektronische Lenk- und Steuer­automatik einzubauen, schafft nur bedingt einen Mehrwert. Mit der Möglichkeit der Automatisierung können wir auch das Auto an sich neu denken“, sagt Timo Woopen, Projektleiter von UNICARagil.

Daher hat das Projektkonsortium zunächst einmal auf Basis von Anforderungen aus den vier unterschiedlichen Nutzungs­arten eine komplett neue, skalierbare Fahrzeug­struktur konzipiert. Herkömmliche Fahrzeuge bestehen grundsätzlich aus einer Karosserie, in die das Fahrwerk und der Antrieb integriert werden. In UNICARagil wurde nun das Fahrwerk mit dem Antrieb „verheiratet“ und in vier sog. Dynamikmodulen zusammengefasst. Diese ermöglichen Radlenk­winkel von bis zu 90°, während sie jeweils ein einzelnes Rad antreiben, führen und bremsen. Damit bewegen sich die Fahrzeuge agil im engen Stadtverkehr und fahren seitlich in kleinste Park­lücken. Entsprechend der intendierten Nutzung von Fahrzeugen können individuelle Aufbauten auf die Fahrplattform gesetzt werden. Dieses Baukasten­prinzip erlaubt eine maximale Flexibilität bei der Innen­raum­gestaltung bei minimalem Entwicklungs­aufwand für eine zukünftige Serien­produktion.

Um Fahrzeuge sinnvoll zu automatisieren, bedarf es nicht nur vielfältiger Sensor-Technologien, sondern auch einer modularen Steuerungs-Intelligenz. Neben der Entwicklung generischer Sensormodule lagen weitere Forschungs­schwer­punkte auf der Umfeld-Erkennung, der Verhaltens­planung und -entscheidung sowie einer flexibel erweiterbaren und update-fähigen Software-Architektur, die am Lehrstuhl i11 von Prof. Stefan Kowalewski entstanden ist. Um analog zum menschlichen Gehirn, das bei kleineren Verletzungen Aufgaben auf andere Hirnareale überträgt, ein möglichst hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten, basieren die UNICARagil-Prototypen auch nicht auf einem zentralen Rechner. Vielmehr wurde eine Rechner­architektur gewählt, die auf mehreren Ebenen arbeitet, dazu das sogenannte Großhirn mit dem Stammhirn und dem Rückenmark, welches die Dynamikmodule ansteuert, vernetzt und alle anfallenden Aufgaben mehrfach absichert.

Zur Begleitung der automatisierten Fahrzeuge wurde eine Leitwarte entwickelt, die nicht nur auf die Daten aus den Fahrzeugen, sondern auch auf die Vogel­perspektive eines automatisierten Luftfahrzeugs zugreifen kann. Das Fluggerät wurde durch die flyXdrive GmbH in Kooperation mit dem Institut für Flug­system­dynamik von Prof. Dieter Moormann entwickelt und im Projekt als „Infobiene“ bezeichnet, da es nützliche Informationen sammelt und bereitstellt. Der menschliche Operator in der Leitwarte kann auf dieser Grundlage bei Bedarf Vorgaben hinsichtlich des gewünschten Verhaltens der automatisierten Fahrzeuge machen, greift also nicht unmittelbar in die Fahrzeug­führung und damit das Verkehrsgeschehen ein.

Die Flexibilität der vier fahrerlosen Fahrzeugprototypen demonstrierte das Konsortium beim öffentlichen Abschlussevent anhand unterschiedlicher Anwendungen: Das autoCARGO zeigt die vollautomatische Paket­auslieferung, das autoTAXI, wie individuelle Motto-Taxis in Zukunft private oder geschäftliche Meetings während der Fahrt zum Bahnhof ermöglichen können. Das autoSHUTTLE stellt eine flexible Ergänzung des ÖPNV dar, indem es insbesondere auf nicht so stark nach­gefragten Strecken im ländlichen Raum fährt. Das Fahrzeug­modell autoELF thematisiert ein privates und individuell gestaltbares Familienfahrzeug. Die über 400 Besucherinnen und Besucher hatten die einzig­artige Möglichkeit mit­zu­fahren und zu erleben, wie sich eine voll­automatisierte fahrerlose Fahrt im städtischen Mischverkehr anfühlt.

Sowohl die Software- und Hardware-Architektur, als auch die automatisierten Fahrzeuge werden im Folge­projekt autotech.agil systematisch weiter­entwickelt, um die Intelligenz des Fahrzeug- und Verkehrs­systems agil verteilen und aktualisieren zu können. Die in Form von Diensten organisierte Software wird im Hinblick auf die Nutzbarkeit seitens der Wissenschaft und Industrie überwiegend Open-Source verfügbar gemacht, was die aus dem Projekt UNICARagil hervor­gegangene ThinkingCars GmbH durch geeignete Bewertungs­methoden unterstützt.

Der Profilbereich Mobility & Transport Engineering gestaltet fakultäts­über­greifend die mensch­zentrierte und nachhaltige Mobilität für Menschen und Güter in urbanen und ländlichen Regionen. Dabei werden alle Formen des Transports zu Land, im Wasser und in der Luft berücksichtigt. Mit den inter­disziplinären Kompetenzen seiner Mitglieder erforscht und entwickelt der Profilbereich technologie­offen neuartige Mobilitäts­lösungen. Diese werden auch in der forschungs­orientierten Lehre verankert. In seiner Rolle als Präsident des VDI e.V. ist es Prof. Eckstein besonders wichtig, dass diese neuartigen Lösungen gemeinsam mit der Industrie zu innovativen Produkten weiter­entwickelt werden, um einen nach­haltigen Beitrag zum Erfolg unseres Wissenschafts- und Wirtschafts­standorts zu leisten.

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