Zukunftsbaustoff Holz – Forschung für klimafreundliches Bauen
AnzeigeDie deutsche Forstwirtschaft steht angesichts klimatischer Veränderungen vor tief greifenden Herausforderungen.
Nadelholzdominierte Reinbestände verlieren zunehmend ihre Anpassungsfähigkeit, reagieren empfindlicher auf biotische Schadfaktoren und geraten unter den Druck häufiger auftretender Extremereignisse wie Trockenheit oder Stürme. Daher gewinnt die Etablierung artenreicher, strukturierter Mischbestände mit einem höheren Anteil klimatoleranter Laubbaumarten wie Buche und Stieleiche an Bedeutung. Dieser waldbauliche Wandel eröffnet zugleich neue Perspektiven: Laubholz könnte künftig in weit größerem Umfang als nachhaltiger Rohstoff für den Bau genutzt werden.
Die stille Revolution – Bauen mit Laubholz
Mit dem klimabedingten Waldumbau rücken Laubhölzer zunehmend ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Ihre hohe Rohdichte, Tragfähigkeit und regionale Verfügbarkeit machen sie zu einem bislang wenig ausgeschöpften Potenzialträger für die Bauindustrie. Allerdings verhindern technologische und normative Hemmnisse aktuell eine breite Markteinführung im mehrgeschossigen Bauwesen.
Genau hier setzt das Forschungsprojekt InnoWood an. Unter der Leitung von Prof. Erik Findeisen entwickelt das Team an der Fachhochschule Erfurt marktfähige Lösungen für die Verwendung von Laubholz im urbanen Hoch- und Mehrgeschossbau. Im Zentrum stehen innovative Holzprodukte und Bausysteme, die sowohl die materialtechnischen Eigenschaften des Rohstoffs berücksichtigen als auch mit geltenden Bauordnungen und internationalen Normen kompatibel sind. Ergänzt wird dieser technische Ansatz durch die Integration nachhaltiger Finanzierungsmodelle („Green Finance“), die Investitionen in klimafreundliche Bauweisen erleichtern sollen.
Darüber hinaus beinhaltet InnoWood Lebenszyklusanalysen und ökobilanzielle Bewertungen. So wird die hohe Kohlenstoffspeicherleistung von Laubholz wissenschaftlich quantifiziert und als Argument für eine breite Markteinführung sichtbar gemacht. Das Ziel: die strukturellen, ökologischen und ökonomischen Potenziale von Laubholz in konkrete Bauanwendungen zu überführen und durch klare rechtliche Rahmenbedingungen wie auch wirtschaftliche Anreize die Marktdurchdringung zu beschleunigen.
Klimawandel und die Holz-Wertschöpfung
Das Verbundprojekt C-Flüsse („Auswirkungen des Klimawandels auf die Rohstoffversorgung und Kohlenstoffflüsse der Wertschöpfungskette Holz“) ergänzt InnoWood durch eine systemische Perspektive. Unter der Leitung von Prof. Dr. Sven Steinbach untersucht das Projekt, wie Klimawandel und Waldumbau die Verfügbarkeit von Bauholz beeinflussen und welche Folgen dies für die CO2-Bilanzen der Holzwirtschaft hat.
Im Fokus stehen Veränderungen in der Baumartenverteilung, internationale Import- und Exportströme sowie die Entwicklung von Märkten für Holzprodukte. Mit Modellrechnungen werden Szenarien zur langfristigen Rohstoffversorgung und Kohlenstoffspeicherung erstellt. Damit lässt sich abschätzen, wie ökologische und ökonomische Rahmenbedingungen unter veränderten Umweltbedingungen künftig ineinandergreifen. Auf dieser Basis können Strategien entwickelt werden, die eine nachhaltige und resiliente Holznutzung sicherstellen.
Zusammen tragen beide Projekte dazu bei, den gesamten Bauprozess – von der Waldbewirtschaftung über die Materialgewinnung bis hin zum Bau und Rückbau von Gebäuden – klimafreundlich zu gestalten.
Laubholz wird als nachhaltiger Rohstoff eine immer stärkere Bedeutung im zukünftigen Bauwesen haben.
Prof. Erik Findeisen, Fakultät Landschaftsarchitektur, Gartenbau und Forst, FH Erfurt
Regionale Stärke, ungenutztes Potenzial
Thüringen zählt zu den waldreichsten Bundesländern Deutschlands und verfügt damit über erhebliche Potenziale, heimisches Holz in regionalen Wertschöpfungsketten zu hochwertigen Bauprodukten zu verarbeiten. Bislang bleibt dieses Potenzial ungenutzt.
Ein Beispiel für die Erschließung neuer Möglichkeiten ist die Kooperation der FH Erfurt mit dem Forschungsverbund Holz-21-regio. Hier wurde eine innovative Verfahrenstechnik entwickelt, die eine kosteneffiziente Herstellung von Massivholzelementen für den Bausektor ermöglicht. Flankierend entstand eine regionale Roadmap, die bestehende Handwerksbetriebe in ihrer Vernetzung stärkt und durch gezielte Erweiterungen den Schritt zur industriellen Serienfertigung von Holzbauelementen vorbereitet. Erste erfolgreiche Umsetzungsschritte erfolgten bereits im Juni 2025, weitere sollen in den kommenden Jahren folgen.
Hightech für Waldwege
Doch nicht nur im Bau, auch in der Infrastruktur sind Innovationen gefragt. Für eine verlässliche Rohstoffversorgung sind intakte forstwirtschaftliche Erschließungswege unerlässlich. Im Projekt Contura entwickelte die FH Erfurt, erneut unter der Leitung von Prof. Erik Findeisen, gemeinsam mit der TU Ilme-nau und KMU aus Thüringen ein optisch-basiertes Monitoringsystem, das den Zustand dieser Wege automatisiert erfasst. Schäden werden kategorisiert und daraus Handlungsempfehlungen für eine effiziente Instandhaltung abgeleitet. Die Überführung in eine serientaugliche Anwendung erfolgt durch lokale Betriebe. Zudem bildet die entwickelte Methodik eine Grundlage für weiterführende Forschung. Vom bewährten Forschungsverbund wurde bei der „Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe“ ein F&E-Projekt für ein System zur Biodiversitätsanalyse an Waldinnenrändern beantragt.
Die FH Erfurt als Treiberin nachhaltiger Transformation
Die vorgestellten Projekte verdeutlichen das Selbstverständnis der Fachhochschule Erfurt als Impulsgeberin gesellschaftlicher Transformation. Über die Rolle einer klassischen Bildungsinstitution hinaus bündelt sie interdisziplinäre Expertise aus Architektur, Bauingenieurwesen, Informatik, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Ziel ist es, praxisnahe und wissenschaftlich fundierte Lösungen, unter anderem für die Herausforderungen nachhaltigen Bauens, zu entwickeln.
Mehr als 180 Verbundprojekte mit Partnern aus Industrie, Verwaltung und Zivilgesellschaft sorgen dafür, dass wissenschaftliche Innovationen rasch in die Anwendung gelangen. Forschungsergebnisse fließen in die akademische Lehre, bereichern die öffentliche Debatte über klimaneutrale Bauweisen und schaffen Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.
Gesteuert wird dieser Transfer durch das Kompetenzzentrum Holz, Ressourcenmanagement und Nachhaltigkeit – einen fakultätsübergreifenden Zusammenschluss, der den Forschungsschwerpunkt bündelt und weiter ausbaut.
Fachhochschule Erfurt
Seit ihrer Gründung 1991 verfolgt die Fachhochschule Erfurt das Ziel, wissenschaftliche Expertise gezielt in den Dienst gesellschaftlicher Transformation zu stellen. Im Zentrum ihres Leitbildes steht das Engagement für eine zukunftsfähige Entwicklung der Gesellschaft – getragen von den sechs Kernkompetenzen, die durch ihre Fakultäten repräsentiert werden. Neben der hervorragenden, praxisnahen Ausbildung von Studierenden steht eine herausragende, gesellschaftsrelevante Forschung in drei Schwerpunkten im Fokus: „Nachhaltiges Planen und Bauen, Landnutzungs- und Ressourcenmanagement und gesellschaftliche Transformation“, „Aufwachsen, Zusammenleben, sozialer Wandel und gesellschaftliche Innovationen“ sowie „Nachhaltige Mobilität, Logistik und Infrastruktur“. Darüber hinaus verfügt sie über zwei eigens dafür eingerichtete Kompetenzzentren, in denen ihre wissenschaftliche Expertise in den Bereichen „Holz, Ressourcenmanagement und Nachhaltigkeit“ und „Building Information Modelling“ gebündelt wird.
Kontakt
Fachhochschule Erfurt
Service Forschung und Transfer
Dr. Franziska Weise
Altonaer Straße 25
99085 Erfurt