
Ausgerechnet!
ZEIT RedaktionNoch eine Pflicht: Ab 2025 müssen Firmen Rechnungen rein digital empfangen können. Das Umstellen auf die E-Rechnung ist lästig, manche Firmen schwören weiter auf Papier und Fax. Doch sie werden profitieren
Redaktioneller Beitrag aus: „ZEIT für Unternehmer Ausgabe 3/2024. Geschäftspartner der ZEIT Verlagsgruppe haben auf die journalistischen Inhalte der ZEIT Redaktion keinerlei Einfluss.“.
Wenn die IHK Oldenburg zum Webinar lädt und sich prompt ein Publikum von 200 Leuten zusammenfindet, dann ist klar: Das Thema ist wichtig. An diesem Tag im August steht allerdings nichts Vergnügliches im Mittelpunkt, sondern eine neue Pflicht. Via Chat prasseln fast sekündlich Fragen auf die Experten ein: „Kann ich die E-Rechnung nicht einfach ausdrucken und dann klassisch weiterbearbeiten?“ Nein. „Muss ich auch Kleinunternehmer zur E-Rechnung zwingen?“ Ja. „Dürfen Unternehmen in ihren AGB die Zustimmung zu anderen Formaten geben und damit die E-Rechnungspflicht aushebeln?“ Nein. So geht es weiter. Unternehmerinnen, Buchhalter und Handeltreibende haben sich zugeschaltet, um mehr über das Thema E-Rechnung zu erfahren. Das mag trocken und langweilig klingen, aber die Experten könnten wohl auf Tournee gehen: So gut wie jeder Unternehmer muss sich mit den neuen Regeln befassen.
Erst im März wurde die E-Rechnung als Teil des Wachstumschancengesetzes beschlossen. Nun sollen die Unternehmen bereits ab dem 1. Januar 2025 Rechnungen elektronisch empfangen können und müssen sie spätestens ab 2028 auch selbst an Geschäftskunden versenden. Für Firmen heißt das: Sie müssen neue Software bezahlen und kennenlernen, interne Abläufe umbauen und mit Lieferanten ins Gespräch gehen.
Um sich darauf vorzubereiten, haben die Betriebe effektiv nur acht Monate Zeit. Das überfordert viele. „Selbst Steuerberater und Juristen schlauen sich aktuell noch zur E-Rechnung auf – nicht nur Unternehmen“, sagt Bianca Wöhrer vom Institut für Digitalisierung im Steuerrecht. Und deutsche Unternehmer lieben nach wie vor Papier: 77 Prozent der Betriebe gaben jüngst in einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom an, weiterhin das Fax zu nutzen. 18 Prozent der faxenden Firmen versenden ihre Dokumente sogar noch klassisch als Ausdruck statt als digitales Fax.
Nun sind diese Zeiten bald endgültig vorbei. „Die E-Rechnung ist die Vorbereitung auf ein Steuermeldesystem in Echtzeit“, erklärt Tim Roßky, Vorstandsmitglied des Verbands elektronische Rechnung. Dieser vertritt bereits seit 2009 die Interessen von E-Invoicing-Dienstleistern. Auch Roßky selbst hat sich mit seiner Firma Cegedim auf E-Rechnungen spezialisiert. Frühestens 2028 soll es im Rahmen der Vida-Initiative der Europäischen Kommission ein EU-weites Meldesystem für die Umsatzsteuer geben, das aus den Daten der E-Rechnungen gespeist wird. Vida steht für „VAT in the Digital Age“ und soll das Steuersystem betrugssicherer machen. Zusätzlich plant die deutsche Bundesregierung, ein solches System auch national einzuführen. Die E-Rechnung ist also nur der erste Schritt zur gänzlich digitalen Buchhaltung.
Mittelständler haben nun zwei Optionen: Entweder sie hangeln sich von Frist zu Frist und setzen immer nur das um, was akut gefordert ist. Oder sie stellen ihr Rechnungsmanagement bereits jetzt grundlegend auf den Prüfstand. Die Expertin Wöhrer rät zur Radikalkur: „Geschäftsführungen sollten die E-Rechnung als Chance auf mehr Effizienz und als Digitalisierungstreiber sehen“, sagt sie. „Der Blick auf andere EU-Mitgliedsstaaten zeigt, dass es sich lohnt.“ In Italien etwa sei die E-Rechnung inzwischen selbst bei kleinen Betrieben beliebt.
Der erste Schritt: den Rechnungseingang fit für die E-Rechnung machen. Diese kommt in elektronischen Daten-Formaten wie EDI, ZUGFeRD oder XRechnung. Um diese verarbeiten zu können, braucht es entsprechende Software. Die gibt es je nach Betriebsgröße und Rechnungsvolumen schon für um die 20 Euro im Monat. Am besten üben Buchhaltungen jetzt schon den Ablauf mit E-Rechnungen und der neuen Software oder der neuen Erweiterung der bestehenden Programme, damit zum Jahreswechsel alles klappt.
„Wichtig ist, welche Dateiformate die Software verarbeiten und erstellen kann“, sagt Wöhrer. „Unternehmen, die nur in Deutschland arbeiten, können gut mit ZUGFeRD arbeiten. Bei vielen Kontakten ins Ausland muss es ein Format sein, mit dem die Partner auch arbeiten können – oft ist das EDI.“ Zulässig können aber auch andere Dateiformate sein wie das italienische FatturaPA oder das französische Factur-X. Klingt noch etwas fremd? Keine Sorge, das wird bald gängiger Digitalsprech.
Setzt die Buchhaltung sich ohnehin mit Dateiformaten auseinander und baut ihre Prozesse um, kann sie auch direkt das ganze Rechnungsmanagement auf Vordermann bringen. Durch wie viele Hände muss eine Rechnung wirklich gehen? Wie läuft die Prüfung ab? Ab welcher Höhe muss wirklich der Chef oder die Abteilungsleitung draufschauen? Und was ist alles digital möglich?
Der Check macht zwar erst mal viel Arbeit, lohnt sich aber schnell. Denn: „Papierrechnungen gehen oft durch vier Hände und mehr“, sagt Wöhrer, ihre Bearbeitung koste Firmen also zwischen 10 und 20 Euro. Bei der E-Rechnung seien es bei entsprechendem Volumen sogar nur noch Centbeträge.
Bei elektronisch verarbeiteten Rechnungen fließen alle Daten direkt ins System, können mit Stammdaten abgeglichen, geprüft und freigegeben werden. Im Idealfall lassen sich einige Abläufe automatisieren, sodass ein letzter Check reicht. Diese Chance scheinen immer mehr Unternehmer zu begreifen, registriert Roßky. „Wir beobachten schon länger, dass sich die Zahl verschickter E-Rechnungen jedes Quartal verdoppelt.“ Seine Kunden würden gerade massiv von Papier und PDF auf ZUGFeRD umstellen.
Unternehmer können noch einen Schritt weiter gehen und ihren Zulieferern vorgeben, in welchem Format sie Rechnungen empfangen wollen. BMW beispielsweise habe sich laut Roßky früh ZUGFeRD-Rechnungen gewünscht. Mittlerweile gibt das Unternehmen seinen Lieferanten auf der Website Tipps zu den digitalen Rechnungsformaten.
Die E-Rechnungspflicht lässt wenig Spielraum zu. Nur Rechnungen mit einem Betrag von unter 250 Euro sind von der Pflicht ausgenommen – die Gastro- oder Tankstellenrechnung darf also auch weiterhin als Bon ausgestellt werden. Bis Ende 2027 dürfen Unternehmen mit weniger als 800.000 Euro Jahresumsatz noch klassische Rechnungen an Geschäftskunden verschicken, wenn der Empfänger zustimmt. Abseits davon gibt es allerdings keine Ausnahmen. Schließlich muss die deutsche Wirtschaft endlich digital werden.
77 Prozent der Firmen versenden noch Faxe, hat der Verband Bitkom ermittelt. Folgende Gründe geben sie dafür an: