ZEIT für X
Grafitti: Rettet den Planeten

Das Team lenkt, der Chef senkt

09. Juli 2024
ZEIT Redaktion

Kneipp produziert Naturkosmetik und will den Ausstoß von Treibhausgasen auf lokaler Ebene bis 2030 auf null drücken. Das ist mühsam, doch die Mitarbeiter wollen es so

von Kristina Läsker

Redaktioneller Beitrag aus: „ZEIT für Unternehmer Ausgabe 2/2024. Geschäftspartner der ZEIT Verlagsgruppe haben auf die journalistischen Inhalte der ZEIT Redaktion keinerlei Einfluss.“.

Das Unternehmen:

Kneipp GmbH, Ochsenfurt bei Würzburg

Direkter CO2-Ausstoß, der sogenannte Scope 1: 1.029 Tonnen (2,3 Prozent)

Indirekter CO2-Ausstoß aus eingekaufter Energie, der sogenannte Scope 2: 267 Tonnen (0,6 Prozent)

Indirekter CO2-Ausstoß von Zulieferern, Dienstleistern und Kunden, Scope 3: 43.471 Tonnen (97,1 Prozent)

CO2-Ausstoß insgesamt: 44.767 Tonnen

Quellen: Climate Partner GmbH, Angaben in CO2-Äquivalenten für die Kneipp-Gruppe

Klimaziele:

Kneipp strebt bis 2030 „lokale Klimaneutralität“ an: Die direkten und indirekten Emissionen (Scope 1 und Scope 2) sollen an den zwei deutschen Standorten auf null sinken. Der Ausstoß bei Zulieferern, Kunden und Partnern soll sich pro Jahr um fünf Prozent verringern.

Die Beratung Ecovadis stuft Kneipp damit als Vorreiter in der Kosmetikbranche ein: Im jüngsten Nachhaltigkeitsranking gehört die Firma zu den besten ein Prozent aller von Ecovadis bewerteten Unternehmen.

Jahresumsatz 2023:

Kneipp gehört zur Paul Hartmann AG und muss keinen eigenen Abschluss veröffentlichen. Der Geschäftsführer Alexander Schmidt gibt sich auf Nachfrage wenig transparent: Der Umsatz pro Jahr rangiere „zwischen 150 und 250 Millionen Euro“.

Gewinn:

Laut Schmidt hat Kneipp in den vergangenen beiden Jahren Gewinn gemacht – und dass, obwohl der Markt für Kosmetika hart umkämpft ist.

Mitarbeitende:

Knapp 700 Menschen weltweit, etwa 550 davon an den deutschen Standorten Ochsenfurt und Würzburg.

Eigentümer und Produkte:

1891 übertrug der Pfarrer und Naturheilkundler Sebastian Kneipp, bekannt für seine Wasserkuren, die Rechte an seinen Rezepten an den Apotheker Leonhard Oberhäußer. Dieser stellte unter dem Markennamen Kneipp Tees und Pflanzensäfte her, später kamen Badesalze und Ölbäder dazu. Zur Palette gehören heute auch Duschgels, Cremes und Naturkosmetika, für die Kneipp auf Konservierungsmittel verzichtet und nur Emulgatoren und Öle auf pflanzlicher Basis verwendet. 2022 verkaufte die Eigentümerfamilie ihre Anteile an den Medizin- und Pflegeprodukte-Hersteller Paul Hartmann AG.

Was hat Kneipp motiviert:

Bei Kneipp waren es die Mitarbeiter, die mehr Klimaschutz wollten. 2010 hätten Kollegen einen Arbeitskreis Nachhaltigkeit gegründet, erzählt Simone Eschenbach, zuständig für Corporate Social Responsibility. „Bereits im ersten Jahr wurde in diesem Kreis über CO2-Neutralität gesprochen.“ 14 Jahre später ist die Taskforce Nachhaltigkeit weiterhin der Taktgeber für grünere Produktion. Etwa 20 Beschäftigte aus fast allen Abteilungen und auch Chef Schmidt treffen sich monatlich und arbeiten in Kleingruppen daran, wie Kneipp ökologischer werden kann.

Was schadet dem Klima am meisten?

Schon 2010 setzte der Arbeitskreis durch, die Stromversorgung für die Produktion auf Wasserkraft umzustellen. „Das Heizen ist damit die größte verbliebene CO2-Quelle“, sagt Eschenbach. Denn die Gebäude und die Kessel in der Produktion werden mit Erdgas erwärmt. Die übrigen Ausstöße in Scope 1 und 2 stammen aus dem Fuhrpark, aus Transporten oder Flugreisen. Der mit 97,1 Prozent größte Teil der Treibhausgase entsteht bei Zulieferern, Dienstleistern und Kunden (Scope 3).

Reduzieren oder kompensieren?

Kneipp bemüht sich, mit weniger Energie und Material auszukommen. Laut dem Umweltbericht sinkt der Verbrauch von Gas und Strom pro Artikel seit 2018. Klingt gut, trotzdem ist der absolute Verbrauch gestiegen, weil Kneipp zuletzt mehr produzierte.

Kneipp ließ eine vollautomatische Lichtsteuerung einbauen und sanierte Lüftungs- und Kühlungsanlagen. Eine neue Wärmepumpe erhitzt das Brauchwasser. Vor fünf Jahren kam das erste Hybrid-Auto in den Fuhrpark, heute werden nur noch E-Fahrzeuge bestellt. Kurze Flüge sind zu meiden, die Beleuchtung wird auf LED umgestellt.

Den Rest an lokalen Ausstößen kompensiert Kneipp und kauft Zertifikate für Windparks in Thailand. Wie viel das kostet, will Kneipp nicht sagen. Aber wie viel es bringt: 3.637 Tonnen CO2 habe man so 2023 kompensiert.

Wie wird gemessen?

Bis 2016 hat Kneipp die Emissionen (Scope 1 und Scope 2) für die deutschen Standorte selbst erhoben. Seit 2017 erstellt die Beratung Climate Partner diese Klimabilanz. Die Zahlen belegen: Die Emissionslast aus Scope 1 und 2 ist pro Produkt im Schnitt von 54 Gramm CO2 (2006) auf 11 Gramm CO2 (2022) gesunken. Ob die ganze Gruppe nachhaltiger geworden ist, ist mangels Werten nicht belegbar. Das ändert sich nun: Climate Partner hat für 2023 erstmals die Emissionen für Scope 1, 2 und 3 für die ganze Gruppe samt Töchtern im Ausland erfasst.

Was kostet es?

Investitionen: Kneipp habe seit 2010 „einen zweistelligen Millionenbetrag“ in Klimaschutz gesteckt, schätzt Chef Schmidt. Zwischen 2022 und 2025 investiere man 45 Millionen, um zwei Werke zusammenzulegen. Mit dem Geld werden Produktion und Logistik optimiert und modernisiert. Schmidt sagt, das helfe auch beim Grüner-werden. Transporte würden gespart werden, mehr Gebäude bekämen Solarpaneele auf das Dach.

Überzeugungskraft: Kneipp will „ergebnisoffen“ mit den wichtigsten Lieferanten reden. Sie sollen Emissionen erfassen und an Pilotversuchen von Kneipp teilnehmen, um sie zu senken. „Wir schauen jetzt, was bei welchen Lieferanten möglich ist“, sagt Schmidt. Vorgaben könne der Einkauf aber keine machen. Der Grund: Manche Zulieferer seien unverzichtbar, weil sie als Einzige Vorprodukte in Bioqualität und in großer Menge liefern.

Was bringt es?

Mitarbeiterbindung: Klimaschutz sei intern sinnstiftend, sagt Firmenchef Schmidt, der früher beim Konsumgüterkonzern Procter & Gamble und beim Staubsaugerhersteller Dyson gearbeitet hat. „Unsere Mitarbeiter sind einen Ticken grüner als anderswo und wollen klar wissen, was wir gegen den Klimawandel tun.“

Start-ups: Bis 2030 will Kneipp auf Plastik in Verpackungen verzichten. Start-ups mit entsprechenden Ideen seien Kneipp daher „oft sehr wohlgesinnt“, sagt Eschenbach. Man kann ja nicht alles selbst machen.