ZEIT für X
Eine Person mit Prothese

Die Näders: Plündern Sie Ihr Unternehmen, Herr Näder?

13. Oktober 2024
ZEIT Redaktion

In ihrem ersten gemeinsamen Interview erklären Hans Georg Näder und seine Tochter Georgia Näder vom Prothesen­hersteller Ottobock, wozu sie enorme Schulden aufgenommen haben, auf welche Weise sie den Generations­wechsel regeln und wie sie mit ihren Produkten auch Leistungs­sportlern und Kriegs­opfern helfen

von Jens Tönnesmann

Redaktioneller Beitrag aus: „ZEIT für Unternehmer Ausgabe 3/2024. Geschäftspartner der ZEIT Verlagsgruppe haben auf die journalistischen Inhalte der ZEIT Redaktion keinerlei Einfluss.“.

Wäre Unternehmertum eine olympische Disziplin, Hans Georg Näder wäre einer der schillerndsten Athleten, mal bejubelt und mal ausgepfiffen, manchmal in wilde Gerangel verstrickt und stets im Rampenlicht. Näder, 63, hat das 105 Jahre alte Unternehmen Ottobock aus Duderstadt zum Weltmarktführer für Prothetik geformt, aber auch mit seinem Luxusleben von sich reden gemacht. Nach und nach hat seine Tochter Georgia Näder, 27, mehr Verantwortung in der Firma übernommen.

An einem Tag im August stehen die beiden im olympischen Dorf in Paris. Die Tochter lebt in der französischen Hauptstadt, der Vater war gerade noch in Los Angeles, kommende Woche reist er nach Südamerika, wo er eine Farm besitzt. Aber jetzt wollen sie erst mal Frank-Walter Steinmeier die Werkstatt zeigen, die Ottobock während der Paralympischen Spiele betreibt: Techniker schrauben an Rollstühlen und feilen an Prothesen, ein 3-D-Drucker stellt Ersatzteile her, einige Hightech-Modelle sind ausgestellt. Als der Bundespräsident wieder weg ist, haben die beiden Zeit für ein Gespräch – ihr erstes gemeinsames mit einem deutschsprachigen Medium.

ZEIT für Unternehmer: Frau Näder und Herr Näder, wie wichtig ist es Ihnen, bei den Paralympics dabei zu sein?

Georgia Näder: Es tut gut, für die Athleten da zu sein. Die haben so hart trainiert. Und wenn dann eine Prothese kaputtgeht, sorgen wir dafür, dass sie trotzdem antreten können. Etwa 1.200 Reparaturen haben wir schon vor der Eröffnung der Spiele vorgenommen, und jeder kann unsere Werkstatt kostenlos in Anspruch nehmen.

Hans Georg Näder: Es ist beeindruckend, dass ein Leichtathlet wie Johannes Floors hier um Gold kämpfen kann, obwohl ihm beide Beine fehlen. Ungeachtet aller Diskussionen rund ums Gendern und Queersein verkörpern die Paralympics Integration, Respekt und Normalität.

Georgia Näder: Im Alltag ist das leider nicht selbstverständlich. Also haben wir die Kampagne »The Unofficial Discipline« gestartet, bei der Sportler mit Behinderungen in sozialen Netzwerken teilen, womit sie zu kämpfen haben – etwa weil sie aufgrund eines kaputten Fahrstuhls nicht zum Zug kommen oder in Badezimmern leicht hinfallen können.

In den USA kandidiert mit Donald Trump ein Politiker, der sich mal öffentlich über einen Reporter mit Behinderung lustig gemacht hat und laut seinem früheren Stabschef keine Soldaten mit Amputationen treffen will. Und hierzulande hat der AfD-Politiker Björn Höcke Inklusion als Ideologieprojekt bezeichnet. Was bedeutet der Rechtsruck für Sie?

Georgia Näder: Ich finde das erschütternd. Vor allem wenn ich sehe, wie viele junge Menschen rechts wählen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich.

Hans Georg Näder: Viele Menschen tun das doch nur aus Protest. Ich kann die AfD nicht für voll nehmen, Björn Höcke ist in meinen Augen eine Witzfigur. Seine Attacke auf Familienunternehmen – ohne Worte. Aber die Rechtsextremen profitieren davon, dass die Ampelregierung den Menschen zu wenig zuhört. Das macht mich wütend.

Sie haben seit 2009 mehr als eine Million Euro an die CDU und die FDP gespendet, waren viele Jahre CDU-Mitglied und sind 2015 zur FDP gewechselt. Geben Sie Christian Lindner noch Ratschläge?

Hans Georg Näder: Ach, der ist beratungsresistent! Das können Sie schreiben! (lacht)

Wollten Sie ihm etwa die Schuldenbremse ausreden, die er als Finanzminister und FDP-Chef so hart verteidigt?

Hans Georg Näder: Nein. Aber ich habe ihm eines Abends geschrieben, er solle die Koalition doch bitte sprengen. Das fand er nicht gut. Aber dieses Durcheinander hält ja keiner aus. Das ärgert mich …

So sehr, dass Sie wieder ausgetreten sind?

Hans Georg Näder: Noch nicht, aber ich denke darüber nach. Julia Klöckner, die Bundesschatzmeisterin der CDU, wollte sich schon zum Essen mit mir verabreden.

Ihre letzte große Spende ging 2022 an die CDU. Sie tänzeln zwischen den Parteien?

Hans Georg Näder: Ich tänzele, aber nicht zwischen links und rechts, sondern zwischen liberal und konservativ. Beides finde ich gut, aber mit dem Hin und Her der Ampel werde ich nicht warm.

Kann Ihnen das nicht relativ egal sein? Als Hersteller von Medizintechnik sind Sie gegen die Konjunkturschwäche und umstrittene Projekte wie etwa das Heizungsgesetz doch recht immun …

Hans Georg Näder: Egal ist mir das nicht, auch wenn wir 80 Prozent unseres Umsatzes im Ausland erzielen und munter wachsen. In diesem Jahr wollen wir 1,6 Milliarden Euro umsetzen und den Gewinn vor Steuern, Abschreibungen und Zinsen auf 325 Millionen Euro steigern.

Georgia Näder: Und wir investieren viel Geld. Zum Beispiel in einen Neuromodulations-Anzug für Menschen, die infolge neurologischer Störungen wie Multipler Sklerose an Spastiken leiden. Und wir bauen Exoskelette, die Menschen in körperlich anstrengenden Berufen unterstützen.

Wenn es so gut läuft: Warum haben Sie vor sieben Jahren 20 Prozent der Firmenanteile an den Investor EQT verkauft?

Hans Georg Näder: Weil ich die Firma weiter professionalisieren und an die Börse bringen will, bevor ich eines Tages abtrete. Und Marcus Brennecke von EQT war der richtige Co-Pilot auf diesem Weg.

Gerade haben Sie die Anteile zurückgekauft, Berichten zufolge für fast das Doppelte dessen, was EQT gezahlt hat. Hat sich das wirklich gelohnt?

Hans Georg Näder: Investoren wie EQT beteiligen sich nur für einige Jahre. Ich hätte einen neuen Investor suchen können, aber der wäre dann auch wieder nur einige Jahre geblieben. Also habe ich mich mit meinen Töchtern zusammengesetzt und gesagt: Julia und Georgia, wenn ihr einverstanden seid, dann macht Papa jetzt einen breiten Rücken, und wir kaufen die Anteile zurück.

Was nur möglich war, weil Sie Kredite in Höhe von 1,1 Milliarden Euro aufgenommen haben. Eine enorme Bürde?

Hans Georg Näder: Nein. Diese Kredite lösen wir wieder ab. Das kann beispielsweise mit dem Geld geschehen, das wir unter anderem bei einem Börsengang einnehmen würden. Wobei das auch nur eine Möglichkeit ist. Das alles ist weniger spektakulär, als manche Medien es darstellen. Natürlich erfordert es etwas Mut …

… weil die Zinsen, die nach drei Jahren fällig werden, Berichten zufolge bei mehr als zehn Prozent pro Jahr liegen?

Hans Georg Näder: Das klingt nach sehr viel. Aber ich kenne ja meine Firma und habe viel Vertrauen in ihre zukünftige Entwicklung.

Georgia Näder: Auch in der Belegschaft war das Feedback sehr positiv, dass wir als Familie die Firma zurückkaufen.

Aber es heißt eben auch: Im dritten Anlauf muss der Börsengang klappen. Sonst müssen Sie spätestens in drei Jahren wieder einen Investor an Bord holen, der dann vielleicht deutlich mehr Anteile will als EQT.

Hans Georg Näder: Der Börsengang ist nur eine von mehreren möglichen Varianten, aber er soll möglichst klappen. Die ersten beiden Anläufe haben wir abgebrochen, weil erst die Corona-Pandemie kam und dann der Ukrainekrieg anfing. Aber Ottobock ist Weltmarktführer und wirtschaftlich solide …

Georgia Näder: … und die Mitarbeiter sind jung und motiviert …

Hans Georg Näder: … und multikulti! Also: Wir haben keine Angst.

9000 Menschen

arbeiten weltweit für Ottobock. 2023 steigerte das Unternehmen aus Duderstadt seinen Umsatz um etwa zwölf Prozent auf 1,5 Milliarden Euro

Gilt Ihre Ansage noch, dass die Familie nach dem Börsengang weiterhin 70 Prozent der Anteile halten wird?

Hans Georg Näder: Die Regel sind 70 bis 80 Prozent, wenn Familienfirmen an die Börse gehen. Es muss ja einen nennenswerten Anteil geben, der frei handelbar ist.

Wenn Unternehmerfamilien ihre Firmen verkaufen, schauen alle genau hin. So wie 2023, als die Viessmanns die wichtigste Sparte ihrer Traditionsfirma für zwölf Milliarden Euro an einen US-Konzern verkauft haben. War das genial oder fatal?

Hans-Georg Näder: Die Viessmanns haben in Deutschland über Jahrzehnte investiert, Tausende Arbeitsplätze geschaffen, Steuern gezahlt. Und jetzt investiert Max Viessmann das Geld in Geschäftsmodelle rund um Nachhaltigkeit. Diesen Move finde ich supercool. Man kann ja auch nicht für zwölf Milliarden Schnitzel essen.

Auch Sie mussten sich schon öfter anhören, Sie würden mehr Geld aus dem Unternehmen ziehen, als es Gewinne erwirtschaftet, und so Ihr Privatvergnügen finanzieren. Mit der Folge, dass die Eigenkapitalquote deutlich gesunken ist. Stimmen die Vorwürfe, plündern Sie Ihr Unternehmen?

Hans Georg Näder: Erstens ist es legitim, wenn Familienunternehmer ihr Unternehmen transformieren – wie die Viessmänner in Richtung Nachhaltigkeit oder wir in Richtung Börsengang. Und zweitens blendet das aus, wie viele Millionen Euro wir in Deutschland in Innovation und Arbeitsplätze, aber auch in soziale Projekte gesteckt haben. Ottobock hat über Jahrzehnte Menschen geholfen und Steuern gezahlt.

Wie erklären Sie sich dann die Kritik?

Hans Georg Näder: Dahinter steckt der typisch deutsche Neid. Sobald du eine Jacht besitzt, flippen die Deutschen aus.

Lässt Sie die Kritik kalt?

Hans Georg Näder: Ein guter Freund hat mir mal gesagt: Erst schreiben Sie dich hoch, und dann schreiben Sie dich wieder runter. So ist das eben.

Sie gehen mit Ihrem Reichtum aber auch recht offen um, haben mal die »Bunte« durch Ihre Luxus-Segeljacht »Pink Gin« geführt und zeigen gern Ihre Kunstsammlung. Ist das Transparenz – oder Angeberei?

Hans Georg Näder: Die Bunte auf die Jacht einzuladen, war vielleicht keine gute Idee. Aber Kunst ist doch dazu da, sie zu zeigen! Und wenn ich die Werke in Duderstadt ausstelle, dann verlange ich bewusst keinen Eintritt, um möglichst vielen Menschen den Zugang zu ermöglichen. Und es ist doch erstaunlich: Hier wirst du kritisiert, wenn du deine Jacht oder deine Kunst zeigst – und in Amerika für deinen Erfolg gefeiert. Da freut sich jeder mit mir darüber, wie meine Familie das Unternehmen nach der Enteignung in Thüringen im Jahr 1948 in Duderstadt wieder aufgebaut hat.

Es gibt auch ein wenig ruhmreiches Kapitel in der Geschichte von Ottobock, die Nazizeit. Das »manager magazin« kritisierte jüngst, dass Sie die nicht unabhängig wissenschaftlich aufgearbeitet haben.

Hans Georg Näder: Mit der dreibändigen Reihe Bewegte Zeiten haben wir die Unternehmensgeschichte erstmals 2009 aufgearbeitet. Wir haben gar kein Interesse, da irgendetwas zu verheimlichen. Aber wir werden diese Zeit nun zum dritten Mal aufarbeiten lassen, dieses Mal von einem unabhängigen Historiker. Und wir haben uns schon zur Jahrtausendwende an der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« beteiligt, die Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter geleistet hat.

Auf die Frage, wie viele Zwangsarbeiter Ottobock beschäftigt hat, muss Näder passen, greift aber zum Handy, ruft seine Syndikus-Anwältin an und stellt das Telefon auf laut. Die verweist auf die Firmenchronik von 2009. Nach dem Gespräch liefert die Pressesprecherin die Zahl samt abfotografierter Chronik nach: Zwischen 100 und 137 Zwangsarbeiter seien es wohl gewesen, bei einer Belegschaft von etwas mehr als 400 Beschäftigten.

Haben Sie über die Nazizeit mit Ihrem Vater Max gesprochen, der als junger Mann im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund war und am Afrika-Feldzug der Nazis teilgenommen hat?

Hans Georg Näder: Natürlich habe ich ihn gefragt: Wie war das in Afrika? Hast du da jemanden erschossen?

Was hat er geantwortet?

Hans Georg Näder: Er wollte nicht darüber sprechen, wie viele seiner Generation. Ich glaube, er musste selbst bewältigen, was er im Krieg mitgemacht hat. Aber er hat sich immer von diesem schlechten Teil der deutschen Geschichte distanziert.

Ihr Unternehmen wurde von Ihrem Großvater Otto Bock nach dem Ersten Weltkrieg gegründet, damals brauchten viele Kriegsversehrte Hilfsmittel. Wie gehen Sie damit um, dass Kriege für mehr Nachfrage nach Ihren Produkten sorgen?

Hans Georg Näder: Eine Welt ohne Krieg wäre uns auch lieber. Während es 1919 vor allem um die Versorgung von Kriegsversehrten ging, gibt es heutzutage so viele Menschen, die unsere Produkte infolge von Unfällen oder Krankheiten brauchen. Immer mehr Menschen haben zum Beispiel neurologische Mobilitätseinschränkungen, etwa durch Schlaganfälle. Mein Ziel ist es, Querschnittsgelähmte wieder zum Stehen und Gehen zu bringen.

Georgia Näder: Viele Kriegsopfer unterstützen wir mit Spenden. Etwa in Ägypten und der Türkei, wo wir mit dem Roten Halbmond zusammenarbeiten und Kinder versorgen, die im Gazakrieg verwundet werden. Und in Duderstadt bilden wir ukrainische Orthopädietechniker aus, die in ihrer Heimat dringend gebraucht werden.

Zugleich unterhalten Sie weiter in Russland Werkstätten, obwohl es die Ukraine angegriffen hat. Wie passt das zusammen?

Hans Georg Näder: Wir sind seit 29 Jahren in Russland präsent und haben entschieden, unsere Patienten dort weiter zu bedienen. Warum sollen wir jemandem, der so lange auf Ottobock-Produkten herumläuft, seine Mobilität entziehen?

Georgia Näder: Wir versorgen allerdings nur Zivilisten und liefern nicht ans Militär.

Können Sie denn ausschließen, dass Ihre Produkte bei der Armee landen?

Hans Georg Näder: Selbst wenn das über Umwege passieren sollte, die wir nicht kontrollieren können: Es sind keine Kanonen, sondern humanitäre Güter.

Frau Näder, Sie verkörpern die vierte Generation im Unternehmen und wurden schon mit 20 Jahren Aufsichtsrätin. War schon lange klar, dass Sie so eine aktive Rolle im Unternehmen spielen würden?

Georgia Näder: Nein. Mein Vater hat meiner Schwester Julia und mir immer freigestellt, welchen Weg wir gehen: Macht, wofür ihr eine Leidenschaft entwickelt.

Hans Georg Näder: Ich habe es nie darauf angelegt, dass meine Kinder in meine Fußstapfen treten müssen. Und ich finde es klasse, dass Georgia diesen Weg im Unternehmen geht und Julia lieber Start-ups gründet.

Georgia Näder: Du hast aber auch immer gesagt: Ihr könnt bei Ottobock einsteigen. Aber wenn ihr euch dafür entscheidet, dann müsst ihr doppelt so hart arbeiten wie alle anderen.

Warum haben Sie sich dafür entschieden?

Georgia Näder: Weil ich erlebt habe, wie viel dieses Unternehmen bewirken kann. Dabei hat Heinrich Popow eine wichtige Rolle gespielt, der als Leichtathlet viele Medaillen bei Paralympics und Weltmeisterschaften gewonnen hat und als Orthopädietechniker bei uns arbeitet. Er hat mich mit vielen Anwendern unserer Produkte zusammengebracht. Und wenn man einmal einen Familienvater erlebt, der vor Freude weint, weil er dank einer Prothese gerade zum allerersten Mal mit seiner kleinen Tochter fangen spielen konnte, dann zeigt das, wie sinnvoll unsere Arbeit ist.

Welche Rolle haben Sie heute?

Georgia Näder: Ich kümmere mich hier in Paris um das Frankreich-Geschäft, weil unser Länderchef in den Ruhestand geht. Und mich interessiert sehr, wie wir die Kultur im globalen Unternehmen gestalten. Wir wollen zum Beispiel junge Talente im Unternehmen fördern, deshalb haben wir ein Programm für junge Führungskräfte entwickelt.

Hans Georg Näder: Und du kümmerst dich um das Empowerment von Frauen. Wie viele hast du schon zusammengebracht?

Georgia Näder: Weltweit schon 500. Wir vernetzen uns und bieten Coachings an – weil wir sehen, dass in den oberen Managementebenen zu wenige Frauen arbeiten. Da ist noch Luft nach oben.

Herr Näder, als Vorsitzender des Verwaltungsrats sind Sie aber noch der Chef von allem, oder?

Hans Georg Näder: Als Vorsitzender des Verwaltungsrats der Ottobock SE gebe ich mit meinen Kollegen in diesem Gremium die strategische Linie vor, eingebunden in unsere Governance-Struktur. Das Tagesgeschäft ist die Aufgabe unseres CEO Oliver Jakobi – mir bleibt etwas mehr Zeit zum Segeln. Ich muss nicht mehr alles kontrollieren, Reden halten oder mit Kunden nächtelang durch Restaurants streifen.

Das ist jetzt Ihr Job, Frau Näder?

Georgia Näder: Zum Glück läuft das heute nicht mehr so. Ich bin hier, um das neue Management in Frankreich aufzubauen und das Team fit für die Zukunft zu machen. Mir ist wichtig, dass sie dabei genug Freiheiten haben, so wie ich Freiheiten hatte, um Dinge auszuprobieren und auch Fehler zu machen. Das ist ein Rat, den ich anderen Familienunternehmern geben würde: Gebt euren Kindern die Chance, es selbst zu versuchen, vertraut ihnen!

Herr Näder, die Holding Ihrer Firma gehört aber zu etwa 95 Prozent Ihnen und nur zu etwa fünf Prozent Ihren Töchtern. Wann geben Sie Ihre Anteile weiter?

Hans Georg Näder: Georgia und Julia wissen, wie mein Testament aussieht, und das wird keine bösen Überraschungen enthalten. Nach der dritten Generation wird die vierte bei Ottobock die Mehrheit übernehmen, das ist sicher.

Das Gespräch führte Jens Tönnesmann