ZEIT für X
Produkte aus Beton

Die zündende Idee?

Die Erfindung meines Lebens Caphenia

11. Dezember 2024
ZEIT Redaktion

Es klingt wie die Quadratur des Kreises, doch Mark Misselhorn arbeitet seit Jahren daran: grünes Flugbenzin, hergestellt aus CO₂. Nun steht mutmaßlich der Durchbruch bevor

von Carolyn Braun

Redaktioneller Beitrag aus: „ZEIT für Unternehmer Ausgabe 4/2024″. Geschäftspartner der ZEIT Verlagsgruppe haben auf die journalistischen Inhalte der ZEIT Redaktion keinerlei Einfluss.

Wie eine überdimensionierte, auf dem Kopf stehende Milchkanne sieht der Kessel aus, der Mark Misselhorns Vision nahezu Realität werden lässt – nach fast 15 Jahren. Pressebilder zeigen, wie der Kran den viele Tonnen schweren Chemiereaktor inmitten einer riesigen Stahlkonstruktion ablädt. Hier, im Industriepark in Frankfurt-Höchst, will der 47-Jährige ab Mitte 2025 klimaneutralen Kraftstoff produzieren.

Die Luftfahrt verursacht drei Prozent der CO₂-Emissionen weltweit, bis 2050 soll sie klimaneutral sein. Dass er eines Tages daran mitarbeitet, hätte Misselhorn vor 20 Jahren nicht gedacht. Sein Ingenieursonkel Jürgen überzeugte den promovierten Volkswirt damals, gemeinsam eine Firma zu gründen, um aus Abwärme Strom zu erzeugen. Heute ist die Misselhorn Maschinenwerk GmbH lange Geschichte. Die Technologie hätten sie damals zwar temporär zum Laufen gebracht, erzählt Misselhorn, aber die Finanzkrise habe das Projekt unter sich beerdigt: »Ich stand mit einem Haufen Schulden da, in einem Alter, in dem andere anfangen, darüber nachzudenken, eine Familie zu gründen.« Trotzdem lässt er sich auf die nächste »verrückte Idee« ein. 2010 lernt er einen Erfinder kennen, der aus CO₂ Kraftstoff entwickeln will. Misselhorn gründet gemeinsam mit ihm das Start-up CCP Technology.

E-Fuels sollen vorhandene Motoren antreiben, ohne dass diese aufwendig umgerüstet werden müssen. Ein Argument, mit dem Misselhorn 2013 die Lufthansa an Bord des Start-ups holt. Diese finanziert in den ersten Jahren zu 100 Prozent die Entwicklung der Technologie.

Die Idee: Biomethan, etwa aus Industrieabfällen oder Klärschlamm, wird unter Einsatz von grünem Strom in Wasserstoff und reinen Kohlenstoff gespalten und ­unter Zugabe von Wasser und CO₂ zu Synthesegas umgewandelt. Dieses dient dann als Basis für den Kraftstoff.

Doch 2017 verlässt der damalige Lufthansa-Chef Christoph Franz die Airline, und die neue Führung unter Carsten Spohr zieht sich aus dem Start-up zurück. »Das ist ja ein Riesenmakel, wenn der große Konzern aussteigt«, sagt Misselhorn. Jeder Außenstehende denke da: »Da muss ja was mit der Technologie nicht stimmen.« Der Geschäftsführer sieht nur einen ­Ausweg: Er muss die mitnehmen, die von seiner Idee überzeugt sind. Also wirbt er um ­Mitglieder der scheidenden Lufthansa-Führung, später auch um Franz selbst. Mit Erfolg: Namhafte Manager beteiligen sich. »Als die ihr eigenes Geld investierten, war klar, dass wir wirklich etwas können.«

Ruhe kehrt dennoch nicht ein. Misselhorn überwirft sich mit seinem Mitgründer, daran geht die Firma pleite. Aus der Insolvenz heraus gründet Misselhorn im Jahr 2018 Caphenia und kauft der Vorgängerfirma mit der ehemaligen Luft­hansa-Truppe im Rücken die Patente ab. Nach fast anderthalb Jahrzehnten und rund 35 Millionen Euro investiertem ­Kapital – »Wir haben bisher keinen Cent verdient« – will Caphenia nun mit der Produktion loslegen. Misselhorn selbst gehören heute rund 13 Prozent der Anteile.

Der neue Reaktor im Chemiepark Frankfurt-Höchst – Herzstück der weltweit ersten patentierten »Power-and-Biogas-to-Liquid-Anlage« – soll ab kommenden Sommer jährlich 500 Tonnen CO₂-minimierte erneuerbare Kraftstoffe produzieren. Ein Tropfen auf dem heißen Stein, verglichen mit dem, was die Luftfahrtindustrie bis zur Netto-Null braucht.

Doch weitere Anlagen sollen folgen, weltweit. Die großen Probleme, da ist Misselhorn überzeugt, habe Caphenia längst gelöst. Vor 2030, sagt er, werde sein Start-up ein Unicorn sein.