
Gut für den Kreislauf
ZEIT RedaktionEine Ingenieurin will die Plastikflut eindämmen: Das Start-up traceless materials arbeitet an einer Kunststoff-Alternative, die vollständig biologisch abbaubar ist
Die Irritation
Anne Lamp könnte aus den Ergebnissen ihrer Forschung wohl viele Geschäftsideen entwickeln. Die 31-Jährige hat Verfahrenstechnik in Hamburg studiert und wurde mit summa cum laude promoviert. Dafür hatte sie herausgefunden, was man aus den Resten herstellen kann, die übrig bleiben, wenn Getreide zu Alkohol oder Lebensmitteln verarbeitet wird: Fleischersatzprodukte etwa oder Nahrungsergänzungsmittel. Und noch etwas anderes.
Die Marktlücke
Und zwar einen Kunststoffersatz in Form eines Granulats, das sich zu Folien, Beschichtungen, Formteilen oder Klebstoffen verarbeiten lässt. Anders als Plastik oder gängige Biokunststoffe sind die Produkte kompostierbar – sogar auf dem heimischen Komposthaufen. Die Wissenschaftlerin erkannte, dass in der Erfindung eine Geschäftsidee liegt, mit der sich ein enormes Umweltproblem lösen lässt. Jährlich werden etwa 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, gut 80 Prozent aller jemals hergestellten Kunststoffe sind unrecycelt auf Müllhalden und in den Ozeanen gelandet.
Die Idee
Anne Lamp sagt: „Wir brauchen nicht noch mehr Produkte, die weniger schlecht sind, sondern solche, die von Grund auf gut gedacht sind.“ Nach ihrem Studium tat sie deswegen etwas, das sie selbst „ingenieursuntypisch“ nennt: Sie nahm ihren Mut zusammen und beschloss, aus ihrer Idee ein verkäufliches Produkt zu entwickeln. 2020 gründete sie dafür die Firma traceless materials, ihren Öko-Kunststoff nennt sie traceless – zu Deutsch: spurlos.
Die Förderer
Lamp bekam viel Hilfe, sie war gut vernetzt. Während des Studiums hatte sie den Hamburger Ableger von Cradle-to-Cradle gegründet und geleitet. Das ist eine NGO, die sich für eine abfallfreie Kreislaufwirtschaft starkmacht. Freunde von ihr bauten gerade Planet A auf, einen Investor, der besonders auf Nachhaltigkeit achtet – und Lamp unterstützte das Projekt mit ihrem Fachwissen. Die Freunde wiederum ermutigten sie, an ihre Idee zu glauben, und nahmen sie mit zu Veranstaltungen. So lernte sie Johanna Baare kennen, eine Psychologin und Unternehmensberaterin, die zu ihrer Mitgründerin wurde. Zusammen hätten sie Mitstreiter gefunden, die im ersten Jahr unentgeltlich gearbeitet hätten, erzählt Lamp. Bis sich erste Investoren beteiligten. Zu den Geldgebern gehörten Planet A, der halbstaatliche High-Tech Gründerfonds und die b.value AG.

Der Erfolg
Auch der European Innovation Council hat zuletzt knapp 2,5 Millionen Euro in das Start-up gesteckt, 2022 gewann es den Deutschen Gründerpreis. Inzwischen gibt es auch eine Pilotanlage, mit der traceless gerade eine Charge Kleiderhaken für C&A hergestellt hat – laut Lamp ist das der „erste Schritt aus dem Labor in die Produktion und in den Markt“. Auch andere Unternehmen wagen Verpackungsexperimente mit der Firma, wie der Versandhändler Otto oder ein Tierfutterhersteller. Der nächste Schritt: eine größere Industrieanlage. Mit ihr will traceless bis 2030 gut eine Million Tonnen Granulat herstellen. Doch die Ingenieurin Lamp will mehr als ihr Geschäft in Fahrt bringen. Künftig möchte sie auch an Hochschulen Studierende davon überzeugen, ihr Leben „nicht nur als Angestellte“ zu verbringen, sondern Firmen zu gründen.