
Leichtgewichte unerwünscht
ZEIT RedaktionViele Firmen müssen und wollen nachhaltiger wirtschaften, Öko-Banken können ihren Wandel finanzieren. Doch die Institute sind wählerisch
Redaktioneller Beitrag aus: „ZEIT für Unternehmer Ausgabe 3/2024. Geschäftspartner der ZEIT Verlagsgruppe haben auf die journalistischen Inhalte der ZEIT Redaktion keinerlei Einfluss.“.
Wenn Maximilian Breidenbach auf das Feld neben dem Hof seiner Firma schaut, rücken die schweren letzten Jahre gedanklich in ganz weite Ferne. Der Gewinneinbruch um 70 Prozent im Jahr 2022, der erste Umsatzrückgang der 40-jährigen Firmengeschichte im vergangenen Jahr. Stattdessen denkt Breidenbach hier an die Zukunft: Dort hinten möchte der 35-Jährige neue Lagerhallen bauen lassen. Am besten zwei moderne Gebäude aus Holz, auf dem Dach eine Fotovoltaikanlage. Darin sollen sich dann irgendwann Säcke voller Lehmputz stapeln.
Breidenbach ist Prokurist der Firma ClayTec. Gemeinsam mit seinem Vater Peter Breidenbach als Geschäftsführer und 90 Mitarbeitern stellt er in Viersen am Niederrhein Baustoffe aus Lehm her. Damit liegt das Unternehmen im Trend: Lehm gilt als nachhaltiger Baustoff. Laut der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung benötigt er in der Herstellung 85 Prozent weniger Energie als Zement. Die Baubranche ist für 38 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich und gilt als Klimakiller. Produkte wie der Lehmputz von ClayTec könnten dabei helfen, diese Bilanz zu verbessern.
Die Breidenbachs erhoffen sich also eine steigende Nachfrage und wollen in die Zukunft investieren. Der Plan ist da, der Platz ist da, es fehlt nur: das Geld.
Und die Breidenbachs wollen nicht einfach Geld. Statt einen klassischen Kredit bei der Sparkasse oder Volksbank und eine Förderung bei der KfW zu beantragen, wollen sie die Holzhallen mit den Solardächern grün finanzieren: am liebsten über eine nachhaltige Bank.
Nachhaltige Banken haben sich sozialen, ökologischen und ethischen Zielen verschrieben. Laut der Stiftung Warentest gilt das aktuell für nur 15 Banken in Europa. Zu den bekanntesten gehören die Triodos Bank aus den Niederlanden und die deutsche GLS Bank. Mit Bilanzsummen von knapp 16 und 10 Milliarden Euro sind sie trotzdem eher klein. Zum Vergleich: Die Commerzbank weist für 2023 eine Bilanzsumme von rund 517 Milliarden Euro aus.
Jahrzehntelang wurden Ökobanken von herkömmlichen Banken belächelt. Doch seit dem Pariser Klimaabkommen und dem Green Deal der EU ist Nachhaltigkeit nicht nur zum Trendthema der Finanzindustrie geworden. Unternehmen sind auch gefordert, sich aktiv damit auseinanderzusetzen. Die Bilanzsummen der GLS Bank und der Triodos Bank haben sich in den vergangenen zehn Jahren fast verdreifacht. Wenn die Ökobanken heute einen Kredit vergeben, dann ist das ein Signal: Hier wird etwas Nachhaltiges finanziert. Oder: Hier wird eine Firma glaubhaft transformiert. Nur: In ihre Gunst zu kommen, ist für Mittelständler gar nicht so leicht. Wie also muss man sich aufstellen, um so einen Kredit zu bekommen?
Die vierstöckige GLS-Zentrale in Bochum ist ein Symbol für den Wandel. In einem Teil des Gebäudes war früher Thyssenkrupp untergebracht, vor dem Zweiten Weltkrieg wurden hier Koksöfen entworfen. Heute erinnert nur noch die Eingangshalle des alten Gebäudeteils mit monumentalen Türen an die Zeit des Grubengolds. Auf dem Parkplatz stehen jetzt Ladesäulen und eine E-Auto-Flotte. Die Botschaft: Wo sich früher alles um fossile Energie drehte, wird heute Nachhaltigkeit gefördert.
Stefan Möller ist seit vergangenem Jahr Regionalleiter der „Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken“ – kurz GLS – in NRW. Kreditanfragen aus dieser Region wandern über seinen Schreibtisch in einem schlichten Einzelbüro, das auch in der Filiale einer Kreissparkasse liegen könnte. Der Schein trügt, inhaltlich geht Möller ganz anders vor. „Zuallererst stellen wir die Frage: Passt das Unternehmen zu uns?“, sagt er. Das Kerngeschäft der Firmen muss den Finanzierungsgrundsätzen der Bank entsprechen. Tabu sind zum Beispiel Unternehmen, die mit Atomenergie, Rüstungsgütern oder Suchtmitteln zu tun haben. Auch wer Menschenrechte verletzt oder Ökosysteme zerstört, bekommt keinen Kredit.
Die Triodos Bank kann es mit der GLS Bank durchaus aufnehmen – und das nicht nur, weil sich ihr kürzlich errichtetes Firmengebäude aus viel Glas und Holz komplett demontieren und recyceln lässt. Ihre Ausschlusskriterien ähneln denen der GLS Bank. „Am Ende müssen wir unsere Kreditgeschäfte unseren Privatkunden erklären können“, erläutert Dominic Hereth, der das Team für Infrastruktur- und Energiekredite bei Triodos leitet. Kunden mit einem Girokonto bei einer nachhaltigen Bank wollen genau wissen, wohin ihr Geld fließt. Was rechtlich gesehen nachhaltig sei, spiele da eine eher untergeordnete Rolle. „Wir haben auch Anfragen für Projekte mit Erdgas, Atomkraft und von Müllverbrennungsanlagen, weil das unter der EU-Taxonomie als grün gilt“, sagt Hereth. Für Triodos seien diese Projekte dennoch ausgeschlossen.
Für die Breidenbachs sollte all das kein Problem darstellen, schließlich sollen nicht nur die Lagerhallen nachhaltig werden: Ihr Produkt ist es bereits. Lehm ist ein Abfallprodukt von Erdarbeiten. Er wird lediglich getrocknet statt gebrannt und ist sofort einsatzfähig. ClayTec bezieht seinen Lehm derzeit aus einer 30 Kilometer entfernten Sandgrube. Zusätzlich wird er mit Pflanzenfasern versetzt, die CO2 speichern können. Lehmputz kann außerdem wieder vom Mauerwerk abgekratzt und so recycelt werden.
Peter Breidenbach, der Senior, ist ein langjähriger Kunde der GLS Bank. Bevor seine Firma zum Baustoffhersteller wurde, startete sie Mitte der Achtzigerjahre als Handwerksbetrieb. Breidenbach renovierte damals Fachwerkhäuser und mischte Lehm vor Ort auf der Baustelle an. Er interessierte sich für ökologisch-soziale Wohnprojekte und nachhaltiges Bauen. Früh entschied er sich deshalb für ein Firmenkonto bei der Ökobank, die 2003 von der GLS Bank übernommen wurde. Auch weil er deren Position zu Nachhaltigkeit teilte.
der mittelständischen Firmen, die 2023 um einen Kredit verhandelten, wurden laut einer KfW-Umfrage auf das Thema Nachhaltigkeit angesprochen
Aber die Einstellung allein reicht nicht, erklärt Stefan Möller: „Wir stellen natürlich die Frage: Kann die Einrichtung den Kredit zurückzahlen?“ Die GLS Bank versteht sich nicht als Förderbank. Doch die Baubranche kriselt, was den Gewinneinbruch und den Umsatzrückgang bei ClayTec erklärt. Aktuell laufe es wieder etwas besser, sagt Peter Breidenbach. Trotzdem sind die unklaren Geschäftsaussichten ein Problem. Selbst wenn den Breidenbachs für die Hallen ein Kredit gewährt würde, wären die Konditionen wahrscheinlich ungünstig, weil die Geschäftsentwicklung auf ein Risiko hindeutet. Deswegen sind sie zwar mit verschiedenen Banken im Gespräch, möchten aber mit einer offiziellen Kreditanfrage noch warten.
Natürlich sind solvente Firmen auch bei klassischen Banken begehrt, die inzwischen ebenfalls nachhaltiger werden wollen und müssen und grüne Kredite anbieten – so etwa die LBBW und die Commerzbank. Für Unternehmer heißt das: Wer gut im Geschäft ist, sollte nicht nur mit einer Bank verhandeln. Denn die Konditionen unterscheiden sich. Bei manchen grünen Krediten gewähren Banken Unternehmen günstigere Zinsen, wenn sie ein Nachhaltigkeitsziel erreichen. Etwa wenn sie in einem bestimmten Zeitraum ihre CO2-Emissionen halbieren.
Die grünen Banken haben auch Unternehmen im Blick, die zwar nicht nachhaltig sind, es aber werden wollen. „Wenn wir einen Biolandwirt finanzieren, ist das gut“, sagt Stefan Möller von der GLS Bank. „Wenn wir aber einen konventionellen Landwirt bei der Transformation unterstützen, hat das eine größere Wirkung.“ Dafür halten auch sie Nachhaltigkeitsziele in den Verträgen fest. Belohnungen wie niedrigere Zinsen gebe es aber in den meisten Fällen nicht. Die GLS Bank nennt auf ihrer Website gern die Firma Elobau aus dem Allgäu, der das Institut Geld lieh, obwohl sie Sensoren für Agrarmaschinen herstellt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit chemische Pestizide auf Felder schleudern. Theoretisch wären die Sensoren auch für eine militärische Nutzung geeignet. Elobau ist außerdem auf erdölbasiertes Plastik und Seltene Erden für seine Steuerungselemente angewiesen. Klingt erst mal nicht besonders nachhaltig.
Um der GLS Bank dennoch einen Kredit zu entlocken, beantwortete die Firma etliche Fragen. Elobau wähle seine Kunden genau aus und schließe den militärischen Gebrauch vertraglich aus. Um den Anteil von erdölbasiertem Plastik zu senken, setze es auf recycelte Kunststoffe. Das überzeugte die GLS Bank, die Elobau einen Solarpark mit einer Leistung von fast drei Megawatt finanzierte – mehr Strom, als das Unternehmen verbrauchte. Emissionen, die bei der Herstellung und Verarbeitung des angekauften Plastiks entstehen, kompensierte Elobau mit Zertifikaten. Das Unternehmen stellte auf grünen Strom um und tauschte die Öl- durch eine Biogasheizung aus. Obwohl Elobau die Zahl seiner Mitarbeiter von 2009 bis 2019 verdreifachte, hat es seine CO2-Emissionen nach eigenen Angaben um fast ein Drittel gesenkt.
Als klassischer Mittelständler von einer nachhaltigen Bank finanziert zu werden, ist also möglich, aber aufwendig. Warum sollte man sich das antun? „Die Konditionen der Nachhaltigkeitsbanken sind nicht die besten, aber für uns ist es die ethisch richtige Entscheidung“, sagt Pascal Schwarz, Nachhaltigkeitsmanager bei Elobau.
Maximilian Breidenbach ist zuversichtlich, dass ClayTec die wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen nachhaltigen Kredit bald erfüllen kann. Schließlich läuft die Zeit für ihn. Er hofft, dass sich zukünftig mehr Menschen für seinen nachhaltigen Lehm entscheiden. Statt über die Finanzierung seiner Lagerhallen im einstelligen Millionenbereich verhandele er mit der GLS und anderen Banken aktuell über eine deutlich niedrigere Summe für die Betriebsmittelfinanzierung. Falls der Deal mit der GLS Bank klappt, wird man das in deren Kreditliste lesen können. Denn das Institut legt seine Finanzierungen transparent offen – auch darin unterscheidet es sich von vielen herkömmlichen Banken.