ZEIT für X
Anke Rippert kennt die Sorgen und Nöte von Unternehmen. Die Stiftungsgründerin stellte mit Jens Tönnesmann Ergebnisse der gemeinsamen Mittelstandsstudie vor.

Gedankenaustausch in München

12. August 2022
Ein Artikel von Studio ZX.

Die Auftragsbücher sind voll, die Lager leer. Und Personal­abteilungen jammern, weil keine Fachkräfte zu finden sind. Vor allem kleinere und mittelständische Firmen in Deutschland kämpfen gerade mit massiven Problemen.

Wer heute mit Firmengründern, Geschäfts­führerinnen oder Unternehmen spricht, hört oft ähnlich klingende Klagen. Erst kam Corona, jetzt verschärft der Ukraine-Krieg die Liefer­engpässe. Bei der Veranstaltung „ZEIT für Unternehmer Bayern“ im Hotel Sofitel Bayerpost in München war es nach langer Pause Anfang Juli endlich wieder möglich, sich persönlich zu treffen. Rund 300 Unternehmenschefs und Firmen­lenkerinnen hatten sich angemeldet, um miteinander zu reden und Antworten auf die Frage zu finden: „Wie werden wir in Zukunft arbeiten?“

Jens Tönnesmann, Wirtschaftsredakteur der ZEIT, umriss die Lage so: „Viele Unternehmen haben so viele Aufträge wie noch nie, aber sie können sie nicht abarbeiten. Sogar die Entwicklungs­abteilung ist nicht mehr innovativ, sondern tüftelt nur noch daran, Engpässe zu umgehen.“ Hinzu kommen altbekannte Probleme wie etwa die Nachfolgeregelung. So wollen sich in den nächsten Jahren etliche Firmenchefs und Firmenchefinnen aus ihrem Unternehmen zurückziehen, finden aber niemanden, der den Betrieb übernimmt. Tönnesmann stellte in diesem Zusammenhang Ergebnisse der großen Mittel­stands­studie vor, die die Redaktion von ZEIT für Unternehmer gemeinsam mit der Stiftung „In guter Gesellschaft – Stiftung für zeit­gemäßes Unternehmertum“ angestoßen hat. Für die Studie hat das Beratungs­unternehmen aserto 400 Unternehmerinnen und Unternehmer aus ganz Deutschland befragt – mit überraschenden Ergebnissen: So gaben etwa 21 Prozent der Unter­nehmerinnen an, dass sie sich „oft hin- und hergerissen zwischen Familie und Unternehmen“ fühlten. Unter den männlichen Chefs waren es sogar noch mehr: Laut der Studie leiden 32 Prozent unter dem Spagat zwischen Familie und Firma. Anke Rippert, die die Stiftung gegründet hat und leitet, kennt die Anforderungen: „Man trägt eine enorme Verantwortung und muss immer Vorbild sein“, sagte Rippert. Als Tönnesmann ausführte, dass laut Studie 82 Prozent der Befragten „hohe bürokratische Hürden in Deutschland“ beklagten, ging ein zustimmendes Raunen durch den Saal: So unterschiedlich die Produkte auch sein mögen, die Probleme der Firmen sind oft ähnlich, mitunter sogar gleich.

Über die Vielfalt in Unternehmen, die „Diversity Leadership“, diskutierten Kerstin Hochmüller, CEO der Marantec Group (Zweite v. links), Julia Stadler von Weitergründer und FemStory (Zweite v. rechts) und Dr. Ricarda Engelmeier, Gründerin und Geschäftsführerin von MyCollective (rechts). Moderiert wurde die Runde von ZEIT-Autorin Kerstin Bund (links).
© Alexandra Beier Über die Vielfalt in Unternehmen, die „Diversity Leadership“, diskutierten Kerstin Hochmüller, CEO der Marantec Group (Zweite v. links), Julia Stadler von Weitergründer und FemStory (Zweite v. rechts) und Dr. Ricarda Engelmeier, Gründerin und Geschäftsführerin von MyCollective (rechts). Moderiert wurde die Runde von ZEIT-Autorin Kerstin Bund (links).

Fachkräftemangel, Bürokratie – Die Probleme der Unternehmen decken sich

Zuversicht verbreitete dann Peter Thomas Sany, leitender Berater bei Zoom, dem Software-Anbieter für Online­konferenzen. Der passionierte Berg­steiger sprach über das „hybride Arbeiten der Zukunft“ zwischen Homeoffice und traditionellem Büro – und erntete gleich einige Lacher, als er erzählte, dass er sich bei jedem beruflichen Termin heute frage: „Lohnt es sich wirklich, dafür in den Zug zu steigen?“ Anstatt einer „Miss­trauens­kultur, bei der Vorgesetzte durch die Gänge laufen und die Anwesenheit der Mitarbeiter kontrollieren“, forderte Sany „mehr Vertrauen“. Positiv sei, dass sich künftig die Kosten für Büro­räume wohl um bis zu 70 Prozent reduzierten. Das eingesparte Geld solle man dann aber am besten sofort wieder in Zukunfts­technik investieren, so Sany.

Um neue Tools und modernes Arbeiten drehten sich dann auch die Masterclasses: Die Teilnehmenden konnten vormittags und nach­mittags aus mehreren Seminaren wählen. Da bei vielen Unternehmerinnen und Unternehmern der berufliche und familiäre Bereich eng verzahnt ist, waren unter anderem Dr. Christian Reiter und Verena Wiedmann von der Wirtschafts­prüfungs­gesellschaft BDO zu Gast. Sie erklärten, welche Steuer­gesetze beachtet werden müssen, wenn die übergabe der Firma ansteht oder Vermögen vererbt wird.

Peter Thomas Sany, leitender Berater bei Zoom, zeigte sich in München optimistisch. Er forderte das Ende der „alten Misstrauenskultur“ in Unternehmen.
© Alexandra Beier Peter Thomas Sany, leitender Berater bei Zoom, zeigte sich in München optimistisch. Er forderte das Ende der „alten Misstrauenskultur“ in Unternehmen.

Den Fachkräftemangel, der mitunter dazu führt, dass die IT-Abteilung nicht besetzt werden kann, hatte Monika Schütz im Blick, die den Mittelstand beim Software-Anbieter Adobe betreut: Unter dem Stichwort „Marketing und Vertriebs­technologie als Wachstums­turbo“ erklärte sie, wie sich einzelne Tools nutzen lassen, um in Echtzeit Kunden­aktivitäten nach­z­uvoll­ziehen, Daten zu sammeln und zu nutzen. Das Büro als „Keimzelle der Veränderung“ stand bei Ulrich Maier, dem Deutschland­chef von Vitra im Vorder­grund. Corona habe eine neue Dynamik und einen Werte­wandel gebracht. Das hybride Arbeiten werde künftig noch wichtiger, also die zeit- und orts­unabhängige Form der Arbeit, bei der Arbeit­nehmende nicht mehr jeden Tag im Büro verbringen, sondern teilweise außerhalb arbeiten. Fazit der Veranstaltung: Das Büro kann jetzt überall sein – aber sich zu treffen, ist auch sehr schön.