Vermächtnisstudie 2023: Besser Karriere als Kind
Beim ZEIT für Arbeit-Event standen die Ergebnisse der vierten Vermächtnisstudie im Fokus. Eines der wesentlichen Learnings: Frauen entscheiden sich eher für den Job als für Kinder – und das unfreiwillig.
Frauen in Deutschland ist es nicht mehr so wichtig, Kinder zu bekommen. Das ist nachvollziehbar und legitim – zeichnet sich bei näherer Betrachtung jedoch als unfreiwillige und dramatische Entwicklung ab. Beim ZEIT für Arbeit-Event am 23. Mai in Berlin haben Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), und Lena Hipp, Leiterin der Forschungsgruppe „Arbeit und Fürsorge“ am WZB, die Ergebnisse der vierten Vermächtnisstudie vorgestellt. Unter der Moderation von Andreas Lebert, Chefredakteur von ZEIT Wissen, folgte eine intensive Diskussion um die Gründe für den nachlassenden Kinderwunsch und seine Folgen.
Karriereweg statt Mutterrolle
„Wenn wir über Frauen nachdenken, kommen wir immer mehr von einem ‚Und‘ zu einem ‚Oder‘. Die Wahl: Familie oder Erwerbstätigkeit“, so Jutta Allmendinger. Dass Kinder für Frauen unter 50 eine weniger große Rolle einnähmen, habe strukturelle Ursachen und stehe durchaus auch mit der Pandemie im Zusammenhang. Care-Arbeit – also das Kümmern um die Familie und den Haushalt – liege laut der Studie immer noch mehrheitlich bei den Frauen. Der Mental Load – die unsichtbare mentale Arbeit, die zum Managen des Familien- und Arbeitsalltages gehört – sei bei Frauen entsprechend ebenfalls höher. Die Soziologin kritisierte, dass immer noch zu wenig Männer die Möglichkeit, in Elternzeit zu gehen, wahrnähmen. Laut der Studie entscheiden sich viele junge Frauen in der Folge eher für die Erwerbstätigkeit als für die Mutterrolle, da sie in der Arbeitswelt mehr Unterstützung und Gleichberechtigungschancen erfahren als in Familie und Haushalt. Jutta Allmendinger rief in der Diskussionsrunde dazu auf, diese Entwicklungen ernst zu nehmen und als Gesellschaft darauf zu reagieren.
Wenn wir über Frauen nachdenken, kommen wir immer mehr von einem ‚Und‘ zu einem ‚Oder‘. Die Wahl: Familie oder Erwerbstätigkeit.
Jutta Allmendinger
Die Vermächtnisstudie von ZEIT, WZB, infas Institut für angewandte Sozialwissenschaften und der Initiative Chef:innensache gilt als Seismograf gesellschaftlicher Entwicklungen in allen Lebensbereichen. 2015 erstmals durchgeführt, beschäftigt sie sich in ihrer vierten Auflage vor allem mit dem Stand der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Gesellschaft und Wirtschaft. 4.700 Personen nahmen an der Studie teil. Diese können Sie über den veröffentlichten Forschungsbericht einsehen.
Die Diskussionsrunde in voller Länge finden Sie hier: