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Schulleitungen fordern mehr Unter­stützung

28. Juni 2022
Ein Artikel von Studio ZX.

Schulalltag managen, Personal­mangel abfedern, Digital­konzepte entwickeln und, und, und. Wie gehen Schul­leitungen mit den wachsenden Anforder­ungen um?

von Annette Kuhn, Studio ZX

Wunsch und Wirklichkeit klaffen im Alltag von Schul­­leiter:innen weit aus­einander. Für die Schul­­ent­wicklung bleibt angesichts der vielen Verwaltungs­aufgaben und wachsender Personal­­knappheit nur wenig Raum. Insbesondere die Corona­­pandemie hat dieses Problem weiter verschärft und fordert viele Schul­­leitungen deutlich über ihre Belastungs­­grenzen hinaus.

Welche Auswirkungen das hat, zeigt eine Schul­­leitungs­­studie, die das Forschungs­­institut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) im Auftrag des Cornelsen Verlags durchgeführt hat. Für die im März 2022 vorgestellte Studie wurden 2021 mehr als 1.000 Schul­leiter:innen danach befragt, was sie beschäftigt, wie es um ihre Arbeits­­zu­frieden­­heit steht und was sie sich wünschen.

Dabei steht auf der Prioritäten­­liste weit oben: mehr Zeit für die Schul­­entwicklung. Der Hälfte der Schul­leiter:innen bleiben pro Woche aber maximal drei Stunden, um sich mit Themen rund um die Schul­­ent­wicklung zu befassen. Mit administrativen Aufgaben verbringen sie hingegen mehr als zehn Stunden. Daher wünscht sich auch mehr als jede zweite Schul­­leitung eine Entlastung bei administrativen Aufgaben, und 70 Prozent der Befragten sprechen sich sogar für eine Doppel­­spitze aus, also einer administrativen und einer pädagogischen Schul­leitung.

An jeder vierten Schule ist eine Stelle in der Schul­leitung unbesetzt

Doch das erscheint angesichts des dramatisch wachsenden Personal­mangels zumindest für die kommenden Jahre unrealistisch. Denn nicht nur viele Lehrer:innenstellen können nicht mehr – oder nur noch mit Quer­einsteiger:innen – besetzt werden. Auch immer mehr Schul­leitungs­posten sind vakant: An etwa jeder vierten Schule war 2020 die Stelle der Schul­leitung oder Stell­vertretung nicht regulär besetzt. Das ist das Ergebnis des Deutschen Schulbarometers von 2021. Besonders betroffen sind davon die Grund­schulen. Und angesichts der anstehenden Pensionierungs­welle wird die Zahl der unbesetzten Schul­leitungs­posten voraus­sichtlich noch weiter steigen.

Das trägt nicht gerade zur Motivation von Schul­leitungen bei und mindert außerdem die Attraktivität, überhaupt Schul­leiterin oder Schul­leiter zu werden. Wie eine Studie zu Karrieren von Schulleitungen in Deutschland von 2020 zeigt, denken 20 Prozent der Schul­leitungen darüber nach, ihre aktuelle Schule zu verlassen, den Arbeits­platz und manchmal sogar den Beruf zu wechseln. Anzunehmen ist, dass während der Corona­pandemie die Zweifel noch zugenommen haben, weil auch die Arbeits­zufrieden­heit von Lehr­kräften und Schul­leitungen in dieser Zeit deutlich gesunken ist. Das wiederum macht die Längs­schnitt­studie des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) deutlich. Während dort 2019, also noch vor der Pandemie, 58 Prozent der befragten Schul­leiter:innen sagten, sie würden ihren Beruf sehr gern ausüben, waren es im November 2021 nur noch 30 Prozent.

Bildungsgerechtigkeit als zentrale Aufgabe

Auch die Cornelsen-Studie spiegelt diese große Unzufrieden­heit bei Schul­leitungen wider. Zum Befragungs­zeit­punkt im Herbst 2021 schauten demnach 72 Prozent der Schul­leitungen unzufrieden auf die zurück­liegenden zwölf Monate. Erstaunlich aber ist, dass sich gleichzeitig jede zweite Schul­leitung zu dieser Zeit optimistisch zeigte, was die Weiter­entwicklung ihrer Schule in Zukunft anbelangt.

Was zunächst wie ein Wider­spruch klingt, lässt sich damit erklären, dass die größte Motivation, Schul­leiterin oder Schul­leiter zu werden, darin besteht, neue Ideen zu entwickeln. Und trotz aller Widrig­keiten lassen sich viele Schul­leitungen von diesem Vorhaben offenbar nicht abbringen. So waren in der Cornelsen Schul­leitungs­studie 80 Prozent der Befragten der Ansicht, dass sich Schul­leitungen auf die Strategie- und Unterrichts­entwicklung und den Lern­erfolg der Schüler:innen konzentrieren sollten. 97 Prozent nannten das Erreichen von Bildungs­gerechtigkeit als zentrale Aufgabe. Um das zu erlangen, zeigte sich die Mehrheit der Befragten offen gegenüber strukturellen Veränderungen, zum Beispiel auch der Anpassung des alt­her­gebrachten Fächerkanons.

Schulleiter:innen wünschen sich mehr Autonomie

Aber wie können Schul­leitungen solche Entwicklungen trotz der hohen Belastungen im Schul­alltag umsetzen? Auch dafür nennen die befragten Schul­leiter:innen neben der Entlastung von administrativen Aufgaben weitere konkrete Forderungen: So hätten die meisten Schul­leiter:innen gern mehr Autonomie – vor allem bei der Gestaltung der schulischen Bildung, aber ebenso bei der Mittel­vergabe und bei der Auswahl des Personals.

Und auch die Weiter­bildung ist ein wichtiges Thema für die Zukunfts­fähigkeit. So wünschen sich 72 Prozent der Schul­leitungen mehr Weiter­bildungs­möglichkeiten für das Kollegium. Und 96 Prozent würden sich gern selbst regelmäßig weiterbilden, um Inspirationen zu bekommen und um ihrer Rolle noch besser gerecht zu werden.

Klare Vorstellungen, wie Schule erfolgreicher arbeiten kann, haben Schul­leitungen also durchaus. Jetzt kommt es darauf an, ihnen für die Umsetzung die nötige Unter­stützung zu geben. „Sollen Schul­leitungen Lernräume öffnen und die Bildungs­institution Schule pädagogisch gestalten, dann müssen ihnen dafür auch die notwendigen Strukturen und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden“, sagt Bildungs­forscher Klaus Hurrelmann, der die Cornelsen Schul­leitungs­studie geleitet hat.

Eine solche Unterstützung ist auch deshalb nötig, damit nicht noch mehr Schul­leiter:innen das Handtuch werfen und sich neu orientieren. Denn wenn eine Schul­leitung fehlt, habe das oft verheerende Folgen, schreiben die Bildungs­forscher Marcus Pietsch und Pierre Tulowitzki in einem Gastbeitrag für das Deutsche Schulportal: „Wie wichtig Schul­leitungen für den Erfolg von Schulen sind, zeigt sich häufig auch erst dann, wenn sie nicht mehr da sind.“ Es könne mehrere Jahre dauern, bis sich eine Schule von dieser Veränderung erholt, und diese Zeit sei mit einer enorm hohen Belastung für das Kollegium verbunden – was wiederum zu noch mehr Unzufrieden­heit an Schulen führen kann.

Aktuelle Studien zum Thema

  • Schulleitungsstudie im Auftrag von Cornelsen, 2022: Zusammenfassung
  • „Karrieren von Schulleitungen in Deutschland“, 2020: Kurzbericht
  • „Die Schule aus Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter“, 2021: zu den Ergebnissen