Den Weg ändern – 5 Impulse für einen klimafreundlichen Arbeitsweg
Das 9-Euro-Ticket sollte mehr Pendler:innen in Busse und Bahnen bringen. Richtig geklappt hat das nicht. Was können Unternehmen für eine klimafreundlichere Mobilität tun?
Erste Auswertungen dämpfen die große Hoffnung, die in das 9-Euro-Ticket gesetzt wurde: Pendler:innen stiegen in der Regel auch trotz günstigem Ticket nicht auf den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) um. Zwar seien insgesamt mehr Menschen mit dem ÖPNV gefahren, allerdings auf Strecken, die sie sonst gar nicht erst zurückgelegt hätten. Dabei böte gerade der Arbeitsweg ein großes Potenzial für Veränderung, und zwar eines, „auf das Unternehmen besonders gut einwirken können und sollten“, sagt Luis Karcher, Projektmanager Unternehmensmobilität beim Thinktank Agora Verkehrswende. Für ihn ist klar: Arbeitgeber:innen können und sollten maßgeblich mitbestimmen, wie ihre Mitarbeitenden zur Arbeit kommen, und haben Einfluss darauf, wie klimafreundlich Arbeitswege zurückgelegt werden. Wir haben deshalb fünf Tipps gesammelt, wie Unternehmer:innen die richtigen Anreize setzen.
1. Wenn schon Auto, dann elektrisch
Ungefähr zwei Drittel aller Pkw-Neuzulassungen seien gewerblich, erklärt Karcher, „das bietet Unternehmen eine enorme Lenkwirkung“. Unternehmen stünden deshalb seiner Meinung nach in der Verantwortung, vor allem die Elektrifizierung ihrer Fahrzeuge voranzutreiben, etwa indem sie die Dienstwagenflotte auf Elektroautos umstellten. Das sei laut Karcher auch deswegen besonders relevant, weil mit Dienstwagen im Durchschnitt viel mehr Kilometer zurückgelegt würden als mit Privatautos. Das Einsparpotenzial von CO2 ist also besonders hoch und sollte dementsprechend genutzt werden. Mit dem Elektroauto allein ist es aber noch nicht getan: Unternehmen müssen sicherstellen, dass auch die Ladeinfrastruktur vorhanden ist.
Luis Karcher gehört seit Mai 2020 zum Team von Agora Verkehrswende. Zunächst unterstützte er verschiedene Projekte als studentischer Mitarbeiter. Seit Mai 2021 ist er Projektmanager für Unternehmensmobilität. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die elektrische und nachhaltige Mobilität in Unternehmen und das Thema automatisiertes Fahren.
2. Sharing is caring
In einem Auto, das morgens zum Pendeln genutzt wird, sitzen im Schnitt 1,4 Personen. Das bedeutet, dass ein Großteil der Autos auf der Straße fast leer unterwegs sind. Sinnvoll wäre, wenn diese Autos mit mehr Menschen besetzt würden, die ohnehin eine ähnliche Strecke zurücklegen: Das Zauberwort lautet Fahrgemeinschaft! Eine solche zu bilden, klingt erst mal kompliziert und unflexibel. Muss es aber nicht sein: Unternehmen können ihren Mitarbeitenden dabei helfen, die passenden Mitfahrer:innen zu finden – zum Beispiel, indem sie die richtigen Tools bereitstellen. goFLUX, ein Kölner Mobilitätsunternehmen, bietet eine Mitfahr-App für jeden Tag, über die man Fahrten buchen und anbieten kann. Individuelle Wünsche und Routen der Fahrgäste werden dabei für die Berechnung der Strecke und Mitfahrenden einkalkuliert. goFLUX arbeitet gezielt mit Unternehmen zusammen und bietet passende Pendelstrecken für Mitarbeitende über die eigene App an.
3. Von vier auf zwei Räder
Nur 5 Prozent der Berufstätigen pendeln mehr als 50 Kilometer zur Arbeit, fast 40 Prozent legen unter 10 Kilometer zurück. Trotzdem ist der Pkw der unangefochtene Spitzenreiter auf dem Arbeitsweg. Gerade für Menschen in Städten bietet sich das Fahrrad als Alternative an. Arbeitgeber:innen können ihre Mitarbeitenden beim Umstieg zum Beispiel mit einem Dienstrad-Leasing unterstützen. Auf der Website des Anbieters JobRad können Arbeitgeber:innen berechnen, wie viel CO2 sie einsparen, wenn ihre Mitarbeitenden aufs Rad umsteigen. Und das kann ganz schön viel sein. Die Bereitstellung eines Zweirades ist nur ein Aspekt. Auch die Infrastruktur des Unternehmens sollte an den wachsenden Radverkehr angepasst werden, etwa durch ausreichend Fahrradstellplätze am richtigen Ort oder Lademöglichkeiten, erklärt Karcher.
4. Die Freiheit, zu wählen
Unternehmen können ihren Mitarbeitenden ein sogenanntes Mobilitätsbudget zur Verfügung stellen. Das bedeutet, dass sie über einen bestimmten Geldbetrag pro Monat verfügen, um zur Arbeit zu kommen. Oder Unternehmen bieten CO2– oder Kilometerbudgets an. Dieser Betrag kann dann für Arbeitswege ausgegeben und vom Unternehmen erstattet werden. Nachhaltig ist das vor allem dann, wenn das Unternehmen klimafreundliche Mobilitätsangebote unterstützt. „Steuerrechtlich und administrativ ist die Abrechnung der Mobilitätsbudgets teilweise kompliziert“, erklärt Karcher von Agora Verkehrswende. Deshalb seien einige Unternehmen bei der Einführung noch zurückhaltend. Es gibt aber bereits Lösungen, um solche Komplikationen zu umgehen. Eine davon bietet das Start-up MOBIKO an. Seine App vereinfacht das Sammeln der Belege für die Fahrten sowie die Abrechnung. Neben der möglichen CO2-Ersparnis bietet eine solche Lösung viel Flexibilität für Mitarbeitende, die ihr Fortbewegungsmittel an die eigenen Bedürfnisse und Vorhaben anpassen können – und nicht andersherum. Ein weiterer Pluspunkt: Papier spart man dank der digitalen Lösung auch noch.
5. Besser als ein Weg? Kein Weg!
Klar, das Arbeiten im Homeoffice hat Vor- und Nachteile. Aber gerade für Mitarbeitende, die sonst weite Strecken zur Arbeit zurücklegen, kann die CO2-Ersparnis durch das Arbeiten zu Hause immens sein. Eine Studie im Auftrag von Greenpeace schätzt die Höhe der CO2-Einsparungen auf über 5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr – wenn 40 Prozent aller Erwerbstätigen nur an zwei Tagen von zu Hause aus arbeiten. Laut Agora Verkehrswende entspricht das fast 20 Prozent der Emissionen, die durchs Berufspendeln verursacht werden.
Bereit, loszulegen?
Bevor Unternehmen bestimmte Mobilitätslösungen einführen oder abschaffen, ist es im ersten Schritt essenziell zu erfahren, wie der unternehmensinterne Status quo überhaupt aussieht. „Viele Unternehmen wissen gar nicht, wie ihre Mitarbeitenden zur Arbeit kommen“, sagt Luis Karcher. Nur wer dahingehend Klarheit schafft, kann auf die Bedürfnisse der Belegschaft und deren Mobilität angemessen eingehen und gezielt Änderungen umsetzen.
Auf dem Weg zur Arbeit ist das Auto die Nummer Eins in Deutschland: Laut einer Studie der Agora Verkehrswende von 2022 werden 63 Prozent der Arbeitswege mit dem Auto zurückgelegt, die wenigsten davon als Mitfahrer:in. Der Pendelverkehr in Deutschland ist damit insgesamt für knapp 23 Prozent der klimarelevanten Emissionen des gesamten Personenverkehrs verantwortlich. Viel Spielraum also für Alternativen, die den Arbeitsweg grüner werden lassen.