„Die Schule sollte besser bei der Studienwahl unterstützen“
Johanna, Lieve, Jess und Morgan studieren derzeit an der Monmouth University in New Jersey, USA. Studio ZX haben sie erzählt, wie ihre Schulen sie auf das Studium vorbereitet haben – oder auch nicht.
Im Sommer 2021 kamen Jess, Johanna, Lieve und Morgan an die Monmouth University in New Jersey, eine Autostunde südlich von New York. Sie spielen zusammen in der Feldhockeymannschaft der Uni. Traditionell sind in den Sportmannschaften der US-Universitäten viele Student:innen aus dem Ausland. So ist auch nur Morgan US-Amerikanerin. Jess kommt aus Neuseeland, Johanna aus Deutschland und Lieve aus den Niederlanden. Damit haben sie vier unterschiedliche Schulsysteme erlebt. Im Gespräch mit Studio ZX erzählen sie, wie gut sie die Schule auf das Studium vorbereitet hat und was sie sich anders gewünscht hätten.
Studio ZX: Euer erstes Studienjahr habt ihr fast abgeschlossen. Habt ihr euch das Studium so vorgestellt?
Morgan Kato: In den USA ist das Thema College die ganze Zeit ein Thema in den Highschools. Man fängt schon sehr früh an, zu überlegen, an welches College man geht und welche Voraussetzungen man dafür erfüllen muss. Die Universitäten stellen sich auch selbst an den Schulen vor. Außerdem schreiben viele Leute über ihre Erfahrungen in sozialen Netzwerken. Daher hat man ein ziemlich genaues Bild.
Lieve Meidane: Ich hatte keine wirkliche Vorstellung, wie es sein würde. In den Niederlanden habe ich mich auch noch gar nicht mit Studium und Uni beschäftigt. Aber mir gefällt es.
Jess Tucker: Das Studium und das Studierendenleben auf dem Campus sind eigentlich so, wie ich es mir aus Filmen vorgestellt habe.
Johanna Karlhuber: Ja, genau, das habe ich auch gedacht, als ich hierherkam. Aber vieles ist dann doch sehr neu. Aber man ist nicht verloren, weil es Advisor gibt, also Berater:innen, die bei der Organisation des Studiums helfen.
Man fängt schon sehr früh an, zu überlegen, an welches College man geht und welche Voraussetzungen man dafür erfüllen muss.
Morgan Kato
Morgan Kato, 19, ist US-Amerikanerin. Sie hat vor ihrem Studium die Regional High School in Bordentown besucht, eine öffentliche Schule im Bundesstaat New Jersey. An der Monmouth University studiert sie seit 2021 Nursing (Pflege).
Inwieweit hat euch die Schule bei der Berufsorientierung unterstützt und auf das Studium vorbereitet?
Lieve Meidane: Wir haben an der Schule einen Eignungstest gemacht, und auf der Basis haben Berufsberater:innen uns Hinweise gegeben, welches Studium oder welcher Beruf zu uns passen würde. Außerdem gibt es an der Uni Veranstaltungen von Studierenden, die einem Infos zu verschiedenen Studiengängen und zum Studium überhaupt geben. Aber ich finde die Studienwahl trotzdem schwierig. Darum finde ich es auch gut, dass man in den USA erst mal ein Generalstudium macht und sein Studienfach in den ersten zwei Jahren noch wechseln kann.
Morgan Kato: Ich wusste schon sehr lange, dass ich etwas im Gesundheitsbereich machen will. Aber die Highschools bereiten einen auch gut auf das Studium vor. Man macht einen Berufseignungstest, und es gibt Vorbereitungskurse im „Prep-College“, und zwar auf verschiedenen Levels. Auf dem höchsten Level sammelt man Punkte, die fürs College zählen. Ich habe zum Beispiel in der Schule einen Englischkurs gemacht, den ich jetzt nicht mehr an der Uni belegen muss.
Jess Tucker: Einen Eignungstest macht man in Neuseeland nicht, aber es gibt an den Schulen eine Berufsberatung, zu der man gehen kann. Und die Abschlussklassen besuchen Berufsmessen. In Neuseeland ist aber auch alles überschaubarer, weil es ja nur etwa acht Unis gibt.
Johanna Karlhuber: So wenig? In Deutschland habe ich gar keinen Überblick, wie viele das sind, und überall gibt es so viele verschiedene Studiengänge. Da ist die Studienwahl wirklich schwer. Die Unis bieten zwar Infoveranstaltungen für Schulklassen an, aber das ist sehr allgemein. Ich finde, die Schule sollte besser bei der Studienwahl unterstützen.
Manche Lehrer:innen machen einen sehr modernen Unterricht, mit digitalen Medien und neuen Lernformaten, andere gar nicht.
Jess Tucker
Jess Tucker, 19, kommt aus Havelock im Norden von Neuseeland. Die Feldhockeyspielerin hat von der Monmouth University ein Sportstipendium bekommen und studiert dort jetzt Health Studies (Gesundheitswissenschaften).
Nützt euch das, was und wie ihr in der Schule gelernt habt, jetzt im Studium?
Jess Tucker: Das hängt sehr von der Lehrkraft ab. Manche Lehrer:innen machen einen sehr modernen Unterricht, mit digitalen Medien und neuen Lernformaten, andere gar nicht.
Johanna Karlhuber: Viele Schulen in Deutschland sind sehr auf klassische Prüfungen und schriftliche Arbeiten konzentriert. Aber in meiner Schule habe ich schon früh Präsentationen geübt, wir haben mit einer Lernplattform und digitalen Medien gearbeitet. Insbesondere in der Coronapandemie hat sich das verstärkt.
Morgan Kato: Ja, der Digitalunterricht hat auch in den USA in der Coronapandemie mehr Bedeutung bekommen. Und ich habe gelernt, selbstständiger zu arbeiten. Aber ich kenne viele, die gar nicht damit zurechtkamen, zu Hause allein zu lernen.
Lieve Meidane: In meiner Schulzeit hat sich der Unterricht stark verändert. Anfangs hatte ich fast nur Frontalunterricht, und es wurde nur Wissen abgefragt. Am Ende meiner Schulzeit ging es mehr darum, Wissen auch anzuwenden. Dazu haben wir mehr in Teams und in Projekten gearbeitet, mehr digitale Medien genutzt und zum Beispiel auch mal ein Video selbst erstellt, was dann wie eine Arbeit zählte. Allerdings ist es, wie Jess sagt: Es hängt sehr von der Lehrkraft ab.
Wenn ihr euch für eure Schulzeit etwas anders gewünscht hättet, was wäre das?
Johanna Karlhuber: Ich denke, die Schule sollte uns besser auf das Leben nach der Schule vorbereiten. Ich hatte keinen Plan, was ich studieren sollte, und ich hätte nach dem Abi noch nicht allein leben können. Es wäre schön, wenn es in der Schule so etwas wie Lebenskunde geben würde.
Es wäre schön, wenn es in der Schule so etwas wie Lebenskunde geben würde.
Johanna Karlhuber
Johanna Karlhuber, 19, hat 2021 in Berlin an einer Eliteschule des Sports ihr Abitur gemacht. Bereits 2020 hat sie sich erfolgreich für ein Sportstipendium beworben und studiert nun Business Administration an der Monmouth University.
Morgan Kato: Ja, dem kann ich nur zustimmen. Die Schule hat zu wenig Lebensbezug.
Jess Tucker: Bei uns gab es das schon ein bisschen. Im letzten Schuljahr haben wir einige Schulstunden gehabt, in denen wir lebensnahe Sachen gelernt haben – wie man ein Bankkonto eröffnet, welche Versicherungen man braucht, was man bei einem Mietvertrag beachten muss. Davon muss es mehr geben.
Es geht später auch nicht darum, dass nur Wissen abgefragt wird. Es ist doch viel wichtiger, dass ich in Teams arbeiten kann, dass ich Ideen und Konzepte entwickle und darüber diskutieren kann.
Lieve Meidane
Lieve Meidane, 18, ist Niederländerin und kommt aus Bilthoven bei Utrecht. Auch sie ist 2021 mit einem Sportstipendium für Feldhockey an die Monmouth University gekommen und studiert dort Health Studies.
Lieve Meidane: Ich hätte mir weniger Stress gewünscht. Die Abschlussprüfungen zählen in den Niederlanden 50 Prozent der Abschlussnote, und dabei wird hier ja nur ein kleiner Ausschnitt geprüft. Das finde ich nicht richtig. Und was hat man davon? Es geht später auch nicht darum, dass ich eine Arbeit schreibe und nur Wissen abgefragt wird. Es ist doch viel wichtiger, dass ich in Teams arbeiten kann, dass ich Ideen und Konzepte entwickle und darüber diskutieren kann.
Unterschiede im Schulsystem
Im Gegensatz zu Deutschland, wo eine Aufteilung auf verschiedene Schularten meist schon nach der vierten Klasse erfolgt, haben Kinder in anderen Ländern meist eine längere gemeinsame Schulzeit.