Sollen Unternehmen zu gesellschaftspolitischen Themen Haltung zeigen?
Unternehmen und CEOs äußern sich zu gesellschaftspolitischen Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität. Eine Befragung gibt Aufschluss über die Akzeptanz dieser Positionierungen.
Es gibt prominente Beispiele: Der Chef der Vermittlungsplattform Airbnb, Brian Chesky, hat im Jahr 2021 verkündet, vorübergehend kostenlose Unterkünfte für 20.000 Geflüchtete aus Afghanistan zu stellen. Pünktlich zum Pride-Month im Juni färbten viele Unternehmen ihre Logos regenbogenfarben, um sich solidarisch mit der LGBTQ+-Bewegung zu zeigen. Im Dezember 2021 haben über 150 Unternehmen in Deutschland ihre Slogans geändert, um für die COVID-19-Impfung zu werben – darunter auch DAX-Konzerne wie Daimler oder die Deutsche Bank. Immer öfter zeigen Unternehmen Haltung zu gesellschaftspolitischen Themen. Wie ist die Resonanz?
40,1 Prozent der Befragten finden, Unternehmen sollten Haltung zeigen
Eine Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey mit knapp 5.000 Teilnehmenden bringt Aufschluss. Die Befragung vom August 2021 lässt Rückschlüsse auf die Akzeptanz solcher Aktionen zu: 40,1 Prozent der Befragten stimmten der Aussage eindeutig oder eher zu, dass Markenunternehmen ihre Haltung zu gesellschaftspolitischen Themen äußern sollen. Allerdings lehnten auch 41,3 Prozent diese Aussage ab. Knapp 19 Prozent waren unentschieden.
„Die Menschen, die etwas linker aufgestellt sind, etwas grüner, etwas progressiver vielleicht, stimmen eher zu als Menschen aus dem konservativen Spektrum“, sagte Janina Mütze, Co-Gründerin und Geschäftsführerin von Civey, auf den digitalen Thementagen ZEIT für Demokratie im Jahr 2021. Die Daten untermauern ihre Aussage: In der Befragung wurde auch die Parteipräferenz in Form der Wahlabsicht bei der Bundestagswahl 2021 erhoben. Legt man diese über die Zustimmungswerte, wird deutlich, dass mehrheitlich bei Befragten mit einer grünen, linken oder sozialdemokratischen Wahlpräferenz der Wunsch da ist, dass sich Markenunternehmen gesellschaftspolitisch positionieren.
Vier von zehn Befragten wünschen sich, dass der oder die Chef:in Haltung zeigt
Unternehmen haben Unternehmenswerte und eine sogenannte Corporate Responsibility, also eine Verantwortung. Es ist nachvollziehbar, dass sich das Unternehmen zu bestimmten Themen äußert und sich in den gesellschaftlichen Diskurs einbringt. Häufig geschieht das durch Personen, die das Unternehmen prägen – nach innen und nach außen.
Etwa 42 Prozent der Befragten haben der Aussage zugestimmt, dass es ihnen wichtig sei, dass Geschäftsführer:innen oder Vorstände eine Position zu gesellschaftspolitischen Debatten beziehen. Knapp 56 Prozent dieser Zustimmungen kommen von Personen, die sich selbst ehrenamtlich für nachhaltige Themen wie Umweltschutz engagieren, so ein weiteres Ergebnis der Befragung.
Nachhaltigkeit, Zuwanderung, Bildung – nicht jedes Thema gilt als akzeptiert
In unserer Gesellschaft gibt es ganz unterschiedliche Anlässe, um sich gesellschaftspolitisch zu äußern, und es gibt ausreichend Diskurse, die eine Haltung vertragen könnten. Doch laut der Befragung ist nicht jedes Thema dafür geeignet. Die Befragten haben, was das Thema betrifft, einen klaren Favoriten. „Hier ist das Bild sehr deutlich: Umwelt- und Klimaschutz ist das Topthema. Fast vier von zehn Befragten sagten, das sei das Thema, mit dem sich Unternehmen positionieren sollen. Da haben Unternehmen auch eine gesellschaftliche Verantwortung“, sagt Janina Mütze.
Themen wie Bildung (5,9 Prozent) und technologischer Wandel (10,5 Prozent) liegen weit abgeschlagen hinter Umwelt- und Klimaschutz (38,4 Prozent). Die geringste Zustimmung bekam jedoch das Thema Zuwanderung mit nur 3,8 Prozent.
Die Antwort kann in den seltensten Fällen sein, als Unternehmen keine Haltung zu beziehen. Auch durch ein Nichtagieren nimmt man eine Position ein.
Janina Mütze, Co-Gründerin und Geschäftsführerin Civey
Keine Äußerung ist auch eine Äußerung
Ob sich Unternehmen zu Haltungsfragen äußern sollen, das lässt sich nicht eindeutig beantworten. Ein Hinweis kann jedoch die jeweilige Zielgruppe geben, so Janina Mütze. Sie schlägt vor, die eigene Zielgruppe genau zu analysieren und zu prüfen, welche Einstellungswerte mit den Unternehmenswerten übereinstimmen, um einen thematischen Fokus zu setzen. Überhaupt nichts zu machen sei jedoch eine Risikostrategie: „Die Antwort kann in den seltensten Fällen sein, keine Haltung zu beziehen. Auch durch ein Nichtagieren nimmt man eine Position ein“, sagt Janina Mütze.
Auf den digitalen Thementagen ZEIT für Demokratie im Jahr 2021 hat Janina Mütze, Mitgründerin und Geschäftsführerin von Civey, die Ergebnisse der Umfrage präsentiert. Im Anschluss wurde im Panel darüber diskutiert, wie politisch Topmanager:innen sein sollten.