ZEIT für X
Wie viele sind wir?

Wie viele sind wir?

10. Juni 2022
Ein Artikel von Studio ZX.

Der Zensus 2022 erhebt, wie viele Menschen in Deutschland leben, arbeiten und wohnen. Das ist nicht nur für politische, sondern auch für wirtschaftliche Entscheidungen relevant.

von Stella Pfeifer, Studio ZX

Die bundesweite Volks­zählung erfasst den Status quo der Gesellschaft: Wie leben, wohnen und arbeiten die Menschen, die in Deutschland leben? Und wie viele sind es über­haupt? Denn damit Bund, Länder und die Gemeinden Entscheidungen treffen können, brauchen sie Fakten zu den Menschen, für die sie eine Verantwortung tragen. Deswegen gibt es den Zensus – die Volks­zählung. Der Zensus 2022 ist die erste Zählung seit elf Jahren. Eigentlich soll jedes Jahr­zehnt seine eigene Zählung bekommen, doch durch die Pandemie wurde die für 2021 angesetzte um ein Jahr verschoben.

In den 80er-Jahren wurde die Volks­zählung noch kritisch beäugt, und es gab viele Protest­bewegungen. Die Angst davor, zu transparent für den Staat zu sein, war groß. Von diesen Ängsten ist in diesem Jahr kaum noch etwas zu spüren. Anscheinend ist der Zensus 2022 akzeptierter. Aber wie wird er durch­geführt?

Hauptsächlich online, nicht jede:r wird befragt

In Deutschland leben knapp 83 Millionen Menschen. Zu viele, um jede Person einzeln zu befragen. Deshalb werden mit dem Zensus seit Mitte Mai 10,2 Millionen Menschen, quasi als zufällige Stich­probe, befragt, zum großen Teil online. Nicht nur der Name, sondern auch das Geschlecht, die Staats­angehörigkeit und der Familien­stand werden laut dem Statistischen Bundes­amt erhoben. Für etwa ein Viertel der Befragten bleibt es dabei. Die restlichen Personen bekommen weitere Fragen gestellt, etwa dazu, welchen Bildungs­abschluss sie haben oder welchen Beruf sie ausüben.

Die Bevölkerungsbefragung wird durch eine Gebäude- und Wohnungs­zählung ergänzt, bei der Haus­verwaltungen, Haus- oder Wohnungs­eigen­tümer:innen befragt werden. Außerdem wird auf Daten aus den Verwaltungs­registern zurück­gegriffen, dazu gehören die Bundes­agentur für Arbeit und andere Behörden.

Auch die Wirtschaft profitiert – insbesondere bei Klima­fragen

Viele Wirtschaftszweige können aus den Ergebnissen, die im November 2023 erscheinen sollen, Schluss­folgerungen ableiten. Der Energie­sektor beispiels­weise, denn erstmals werden auch Daten zur energetischen Ausstattung von Wohn­gebäuden erfasst – etwa, welcher Energie­träger verwendet wird.

Die Ergebnisse können auch beeinflussen, welche Förder­projekte und Subventionen geplant werden müssen. Damit kann der Zensus einen wichtigen Beitrag zur klima­freundlichen energetischen Gebäude­sanierung leisten, zum Beispiel bei Altbauten mit hohem Sanierungs­bedarf. Auch für neue Wohn­bau­projekte kann der Zensus Insights liefern und Aufschluss darüber geben, welche Bedarfe es gibt.

Ein weiterer Nutzen ist in der Energie­wende abzusehen. Denn anhand der Daten soll zudem ermittelt werden, in welchen Gebieten Potenzial für erneuerbare Energien liegt, da sie beispiels­weise genug Platz für Windräder bieten würden.

Ohne den Zensus wären diese Zahlen von groben Schätzungen abhängig, und die Politik wäre oftmals zu Spekulationen gezwungen.

Katja Wilken, Projektleitung Zensus 2022

Politische Rolle des Zensus

Auch für demokratische Prozesse ist der Zensus entscheidend, er hat direkte Auswirkungen auf die Demokratie. Insbesondere bei den Wahlkreisen werden die Ergebnisse relevant. Denn wie diese zusammen­gesetzt werden, ist davon abhängig, wie die Bevölkerungs­strukturen innerhalb der Gemeinden sind. Und wie diese wirklich aussehen, das wird die Daten­erhebung zeigen.

Aktuelle politische Debatten profitieren direkt vom Zensus 2022, insbesondere beim Thema Wohnraum und wie viel dieser kostet. Denn erstmals werden auch Netto­kalt­mieten erfragt. Außerdem wird gesammelt, wie viele Immobilien leer stehen und warum. Dass in dieser Erhebung zum ersten Mal Merkmale zu Mieten abgefragt werden, ist für den sozialen Wohnungs­bau relevant. Denn wie viele Menschen in den Gemeinden leben, bedingt, wie viele Steuer­ein­nahmen und Förder­gelder ausgeschüttet werden.

Anhand der unterschiedlichen Konsequenzen sieht man den Nutzen des Zensus: Er soll Politik und Verwaltung eine Planbarkeit ermöglichen – um verlässlich die Zukunft und nötige Infra­struktur­anpassungen zu gestalten. Das bekräftigt auch Katja Wilken, die die Gesamt­projekt­leitung des Zensus 2022 innehat: „Ohne den Zensus wären diese Zahlen von groben Schätzungen abhängig, und die Politik wäre oftmals zu Spekulationen gezwungen. Das gilt es zu vermeiden. Deshalb ist der Zensus unverzichtbar.“