Wie viele sind wir?
Der Zensus 2022 erhebt, wie viele Menschen in Deutschland leben, arbeiten und wohnen. Das ist nicht nur für politische, sondern auch für wirtschaftliche Entscheidungen relevant.
Die bundesweite Volkszählung erfasst den Status quo der Gesellschaft: Wie leben, wohnen und arbeiten die Menschen, die in Deutschland leben? Und wie viele sind es überhaupt? Denn damit Bund, Länder und die Gemeinden Entscheidungen treffen können, brauchen sie Fakten zu den Menschen, für die sie eine Verantwortung tragen. Deswegen gibt es den Zensus – die Volkszählung. Der Zensus 2022 ist die erste Zählung seit elf Jahren. Eigentlich soll jedes Jahrzehnt seine eigene Zählung bekommen, doch durch die Pandemie wurde die für 2021 angesetzte um ein Jahr verschoben.
In den 80er-Jahren wurde die Volkszählung noch kritisch beäugt, und es gab viele Protestbewegungen. Die Angst davor, zu transparent für den Staat zu sein, war groß. Von diesen Ängsten ist in diesem Jahr kaum noch etwas zu spüren. Anscheinend ist der Zensus 2022 akzeptierter. Aber wie wird er durchgeführt?
Hauptsächlich online, nicht jede:r wird befragt
In Deutschland leben knapp 83 Millionen Menschen. Zu viele, um jede Person einzeln zu befragen. Deshalb werden mit dem Zensus seit Mitte Mai 10,2 Millionen Menschen, quasi als zufällige Stichprobe, befragt, zum großen Teil online. Nicht nur der Name, sondern auch das Geschlecht, die Staatsangehörigkeit und der Familienstand werden laut dem Statistischen Bundesamt erhoben. Für etwa ein Viertel der Befragten bleibt es dabei. Die restlichen Personen bekommen weitere Fragen gestellt, etwa dazu, welchen Bildungsabschluss sie haben oder welchen Beruf sie ausüben.
Die Bevölkerungsbefragung wird durch eine Gebäude- und Wohnungszählung ergänzt, bei der Hausverwaltungen, Haus- oder Wohnungseigentümer:innen befragt werden. Außerdem wird auf Daten aus den Verwaltungsregistern zurückgegriffen, dazu gehören die Bundesagentur für Arbeit und andere Behörden.
Auch die Wirtschaft profitiert – insbesondere bei Klimafragen
Viele Wirtschaftszweige können aus den Ergebnissen, die im November 2023 erscheinen sollen, Schlussfolgerungen ableiten. Der Energiesektor beispielsweise, denn erstmals werden auch Daten zur energetischen Ausstattung von Wohngebäuden erfasst – etwa, welcher Energieträger verwendet wird.
Die Ergebnisse können auch beeinflussen, welche Förderprojekte und Subventionen geplant werden müssen. Damit kann der Zensus einen wichtigen Beitrag zur klimafreundlichen energetischen Gebäudesanierung leisten, zum Beispiel bei Altbauten mit hohem Sanierungsbedarf. Auch für neue Wohnbauprojekte kann der Zensus Insights liefern und Aufschluss darüber geben, welche Bedarfe es gibt.
Ein weiterer Nutzen ist in der Energiewende abzusehen. Denn anhand der Daten soll zudem ermittelt werden, in welchen Gebieten Potenzial für erneuerbare Energien liegt, da sie beispielsweise genug Platz für Windräder bieten würden.
Ohne den Zensus wären diese Zahlen von groben Schätzungen abhängig, und die Politik wäre oftmals zu Spekulationen gezwungen.
Katja Wilken, Projektleitung Zensus 2022
Politische Rolle des Zensus
Auch für demokratische Prozesse ist der Zensus entscheidend, er hat direkte Auswirkungen auf die Demokratie. Insbesondere bei den Wahlkreisen werden die Ergebnisse relevant. Denn wie diese zusammengesetzt werden, ist davon abhängig, wie die Bevölkerungsstrukturen innerhalb der Gemeinden sind. Und wie diese wirklich aussehen, das wird die Datenerhebung zeigen.
Aktuelle politische Debatten profitieren direkt vom Zensus 2022, insbesondere beim Thema Wohnraum und wie viel dieser kostet. Denn erstmals werden auch Nettokaltmieten erfragt. Außerdem wird gesammelt, wie viele Immobilien leer stehen und warum. Dass in dieser Erhebung zum ersten Mal Merkmale zu Mieten abgefragt werden, ist für den sozialen Wohnungsbau relevant. Denn wie viele Menschen in den Gemeinden leben, bedingt, wie viele Steuereinnahmen und Fördergelder ausgeschüttet werden.
Anhand der unterschiedlichen Konsequenzen sieht man den Nutzen des Zensus: Er soll Politik und Verwaltung eine Planbarkeit ermöglichen – um verlässlich die Zukunft und nötige Infrastrukturanpassungen zu gestalten. Das bekräftigt auch Katja Wilken, die die Gesamtprojektleitung des Zensus 2022 innehat: „Ohne den Zensus wären diese Zahlen von groben Schätzungen abhängig, und die Politik wäre oftmals zu Spekulationen gezwungen. Das gilt es zu vermeiden. Deshalb ist der Zensus unverzichtbar.“