ZEIT für X
Emissionsfreie Rennwagen: Studierende aus dem Team Sonnenwagen können sich bei der Entwicklung neuer Modelle für die wiederkehrende Solar Challenge auf die Unterstützung des Collective Incubator verlassen. Freuen sich auf den nächsten Erfolg des Teams Sonnenwagen (v.li.): Johannes Schäfer vom Collective Incubator, Lina Schwering (Team Sonnenwagen), Professor Malte Brettel, Prorektor für Wirtschaft und Industrie, sowie David Beumers vom „Collective Incubator“.

Neue Plattform für Pioniere

10. Juni 2022
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Ein Beitrag der RWTH Aachen.

Frühmorgens im nordafrikanischen Merzouga: Ein Wüstensturm drohte den dreirädrigen Katamaran unter zen­time­ter­dickem Sand zu begraben.

Ein Beitrag aus dem Themenschwerpunkt „Über den Transfer in die Gesellschaft“.

Um die optimale Energieeinspeisung am Tag vor dem Finale nicht zu gefährden, halfen alle im „Team Sonnenwagen Aachen“, die vier Quadratmeter Silizium-Solarzellen zu schützen. Später waren kreative Lösungen bei der Verstärkung der Hinterrad­aufhängung gefragt. Dann: ein kurzer malerischer Moment, als über den Dünen die Sonne aufging und eine Kamelkarawane vorbeitrabte. Die Höhen und Tiefen im Web-Tagebuch der Solar Challenge Morocco 2021 stehen für die unzähligen Heraus­forderungen, die dem fünftägigem Lang­strecken­rennen durch die Sahara und das Atlas-Gebirge vorausgingen: Zwei Jahre Entwicklung, über sechs Jahre Erfahrung, die Unterstützung großer Sponsoren und hohe Ingenieurs­kunst gepaart mit intelligenter Software und Teamgeist stecken im Covestro Photon, entworfen und gebaut von einem studentischen Verein der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) und der FH Aachen. Mit der dritten Generation des emissions­freien Renn­wagens gelang ihnen ein Vorzeige­projekt für nachhaltige Mobilität – und sie belegten Platz 5 in einem Wettbewerb, bei dem die Heraus­forderung schon darin besteht, das Ziel zu erreichen.

Was das Beispiel „Sonnenwagen Aachen“ zudem illustriert: Zukunfts­weisende studentische Initiativen müssen nicht zwingend Start-ups sein, um Modell­charakter zu haben – ein Ansatz, der auch mit dem „Collective Incubator“ verfolgt wird, einem neuen format­übergrei­fenden Förder­angebot der RWTH Aachen, inklusive Co-Working- und Maker-Space, das die mehr als 47.000 Studierenden der größten deutschen Universität für technische Studien­gänge adressiert. Mit 23,3 Millionen Euro bis 2024 durch die Initiative „Exzellenz Start-up Center.NRW“ des Wirtschafts­ministeriums finanziert, wurde diese Plattform aufgebaut, um zur Entwicklung neuer Technologien und Ideen zu inspirieren, unabhängig davon, ob es sich um soziale Innovationen oder kommerzielle Start-ups handelt.

„Collective Incubator: Plattform für soziale Innovationen – und kommerzielle Start­ups“

Die Strategie ist, Studierende so früh wie möglich mit Forschenden unter­schiedlicher Fachrichtungen und mit Unternehmen zusammen­zubringen, um damit den Grundstein zu legen für den größten Tech-Inkubator Europas. Zu diesem Zweck wurde in einer ehemaligen Aachener Elektro­technik­fabrik der Campus „Jahrhundert­halle“ errichtet. Hier stehen den Teams auf 4.000 Quadratmetern rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche Räume, Werkstätten sowie ein Film- und Tonstudio kostenlos zur Verfügung. „Bei uns sind nicht nur Leute mit fertigen Business­plänen willkommen, sondern auch diejenigen, die selbst keine Idee haben, aber ihr Know-how in ein Projekt einbringen wollen“, sagt David Beumers, Leiter und Co-Gründer des „Collective Incubator“. Wie erfolgreich das Gesamtpaket ist, zeigt sich daran, dass die Community nach kurzer Zeit bereits über 150 Start-ups und studentische Initi­ativen zählt und damit zu den größten dieser Art in Deutschland gehört.

Die kollektive Plattform, deren Führung zur Hälfte den Studie­renden selbst obliege, sei auf deren Interessen und Karriere­vorstellungen fokussiert, ergänzt der Wirtschafts­ingenieur. Die vielen Talente, die den Collective Incubator ausmachen, sind dabei auch für die Wirtschaft spannend. „Aufgrund des zunehmenden Fachkräfte­mangels kommen immer mehr Unternehmen auf uns zu, um junge Talente und künftige Absol­ventinnen und Absolventen frühzeitig kennenzulernen.“ Ein Umstand, der auch auf das Renommee der Hochschule zurückgeht: Mit einem Abschluss an der RWTH gehört man bei Arbeitgebern laut aktuellen Rankings zu den attraktivsten Absol­ventinnen und Absolventen Deutschlands.

Diesen guten Ruf verdankt die RWTH auch zahlreichen erfolgreichen Ausgründungen. „Die Basis bildet ein bewährtes Ökosystem am RWTH Aachen Campus, das der Trans­lation von Wissen in die Gesellschaft dient und durch den ,Collective Incubator‘ auf sehr spannende Art bereichert wird“, erläutert Professor Malte Brettel, Prorektor für Wirtschaft und Industrie der RWTH. Unterstützung bei der Ausgründung bieten zum Beispiel das RWTH Incubation- beziehungs­weise Innovation-Sprint-Programm, welche von der RWTH Innovation aufgebaut wurden. Darin erwerben Studierende unternehmerische Expertise, vernetzen sich mit potenziellen Investoren und erhalten finanzielle Unter­stützung beim Bau von Prototypen.

Beitrag zur Kreislauf­­wirtschaft: Nach­nutzung von Elektro­auto­batterien dank Voltfang

Davon profitieren konnte zum Beispiel das Start-up Voltfang, das mit einer Techno­logie für Furore sorgte, die auf der Nachnutzung von Elektro­auto­batterien beruht. Das dreiköpfige Gründer­team der RWTH entwickelte spezielle Speicher­module. Durch diese Zweit­verwendung – auch Second-Life-Batterien genannt – lassen sich Ressourcen wie Lithium und Kobalt, die bei der Neuproduktion von Batterien anfallen, einsparen. Zur Kreislauf­wirt­schaft beizutragen, ist Ziel des Unternehmens. Anna Maria Jonas, Head of Sustainability von Voltfang: „Die weltweit steigende Nachfrage nach E-Autos und stationären Strom­speichern beansprucht in höchstem Maße Rohstoffe, die das Leben der Menschen in den Abbaugebieten und die Umwelt beeinträchtigen. Unser kosten­günstiger und effektiver Stromspeicher liefert saubere Energie und Unabhängigkeit.“

Es gibt eine ganze Reihe solcher Ansätze, mit denen an der RWTH, insbesondere aus dem Collective Incubator heraus, Zukunfts­szenarien begegnet wird. Angesichts überlasteter Städte und steigender E-Commerce-Umsätze stellte sich das Start-up Urban Ray der Herausforderung, die Paket­lieferung in die dritte Dimension – also in die Luft – zu bringen. Nachdem der Proto­typenbau dank der RWTH Innovation Sprints vorangetrieben wurde, gewann das Team beim deutschen Wett­bewerbs­teil der NASA/DLR Design Challenge 2020. Weitere viel­versprechende Gründerteams aus dem RWTH-Ökosystem stehen bereits in den Startlöchern.

Interview mit Ulrich Rüdiger – Rektor der RWTH Aachen

Ulrich Rüdiger - Rektor der RWTH Aachen.
© Peter Winandy Ulrich Rüdiger - Rektor der RWTH Aachen.

In welchen Bereichen ist die RWTH besonders forschungsstark, wenn es um die großen Heraus­forderungen wie zum Beispiel Digi­tali­sierung, Klima­wandel und Energie­wende geht?

Die RWTH hat ein ganzheitliches Bild zum Thema Nach­haltig­keit entwickelt. Unsere Profil­bereiche tragen zu den technologischen, ökologischen, ökonomischen und ethisch-soziologischen System­heraus­forderungen bei. Unsere Forschungs­netzwerke haben immer den Anspruch, nachhaltige Wirkung für die Gesellschaft zu generieren.

Wie setzt sich die RWTH gegenüber der Konkurrenz ab?

Der RWTH Aachen Campus ist ein einzig­artiger Ort, an dem Forschung, Lehre und Transfer integriert kooperieren. Hier werden unternehmerische Grund­einstellung und Zusammen­arbeit mit Industrie­partnern gleichermaßen gefördert. So entsteht ein einmaliges Eco-System, um große Ideen und nachhaltige Visionen zu verfolgen. Mit dem Collective Incubator geben wir bereits Studierenden größtmögliche Entfaltungsmöglichkeiten.

Partizipative Wissenschaft, die der Gesellschaft Erkenntnisse der Grund­lagen­forschung vertraut machen soll, spielt eine wachsende Rolle. Welche Erfahrungen machen Sie damit?

Technologischer, sozialer wie kultu­reller Wandel sind eng verwoben. An der RWTH haben wir das Human Technology Center HumTec gegründet, um mit Natur-, Technik- und Lebens­wissen­schaften sowie Geistes-, Gesell­schafts- und Raum­wissen­schaften ein neues Kapitel konvergenter Forschung aufzuschlagen. Reallabore/Living Labs sind sichtbare Elemente dieses Ansatzes.

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Thorsten Karbach
Leitung Dezernat Presse und Kommunikation

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