„Wir wollen etwas verändern“
AnzeigeProf. Dr. Eva Annette Rehfuess, Leiterin des Lehrstuhls für Public Health und Versorgungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Co-Sprecherin der GLOHRA, im Gespräch.
Welche Beiträge leistet Deutschland aktuell zur globalen Gesundheit?
Die Rolle Deutschlands in der globalen Gesundheit hat sich in den letzten 15 Jahren stark verändert, auf dem internationalen politischen Parkett ist Deutschland einer der großen Player geworden – und mittlerweile der größte Geldgeber bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. Zudem gibt es seit 2009 den World Health Summit in Berlin. Den hohen Stellenwert der globalen Gesundheit erkennt man auch daran, dass es seit 2020 eine Global Health Strategie der Bundesregierung gibt. Das ist der große politische Rahmen.
Wir haben aber auch diverse Institutionen in Deutschland, die sich schon lange im Rahmen der technischen Zusammenarbeit für die globale Gesundheit engagieren, etwa die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ und auch das Robert Koch-Institut mit seinem neu geschaffenen Zentrum für internationalen Gesundheitsschutz. Diese starke politische Position Deutschlands benötigt aber auch eine starke Global Health Forschungslandschaft. Hier setzt zum Beispiel die GLOHRA an – mit ihrer Vernetzung von Forscher:innen, ihrer Förderung von Nachwuchswissenschaftler:innen und ihrer Unterstützung innovativer interdisziplinärer Projekte.
Warum ist denn diese interdisziplinäre und internationale Vernetzung so wichtig?
Gesundheit wird oft gleichgesetzt mit Medizin, beinhaltet aber viel mehr. Sozial- und Naturwissenschaften spielen da genauso eine Rolle wie Ingenieurs- und Politikwissenschaften, je nach Fragestellung. Die Coronapandemie hat ja gezeigt, dass wir die großen gesundheitlichen Krisen nicht nur aus dem Blickwinkel einer Disziplin oder eines Landes lösen können. Wir müssen uns global vernetzen und unterschiedliche Perspektiven mit ins Boot holen. Innovative Lösungsansätze, die in einem afrikanischen Land erfolgreich sind, können auch für den globalen Norden eine gute Anregung sein – diese „reverse innovation“ wird viel zu wenig genutzt. Umgekehrt sind die technischen Innovationen aus dem globalen Norden für den Süden interessant.
Wir müssen uns global vernetzen und unterschiedliche Perspektiven mit ins Boot holen.
Prof. Dr. Eva Annette Rehfuess, Co-Sprecherin der GLOHRA
Wie arbeiten Sie als Global Health Forscherin mit Politiker:innen und Praktiker:innen zusammen? Forschung muss ja auch umgesetzt werden …
Wir Forscher:innen im Bereich der globalen Gesundheit wollen etwas in der Gesellschaft verändern, egal, ob es um ein neues Therapeutikum geht, eine Reformierung des Gesundheitssystems oder um Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.
Dazu braucht man den Austausch auf unterschiedlichen Ebenen, in Deutschland und noch viel mehr in Partnerländern. Ich persönlich bringe mich viel bei der Weltgesundheitsorganisation ein, zum Beispiel über die Beteiligung an Leitlinien, die dann von vielen Ländern des globalen Südens, aber auch des globalen Nordens zumindest wahrgenommen und oft auch umgesetzt werden.
Gleichzeitig beziehen wir oft Praktiker:innen mit viel Erfahrung und Einfluss in den Forschungsprozess ein, damit die Forschung wirklich relevant ist und reale Probleme adressiert. Vertreter:innen von Ministerien sind dabei, wenn Forschungsfragen entschieden werden – und fühlen sich dann dem Projekt verbunden. Lokale Expert:innen helfen uns bei der Auswahl unserer Methodik: Ist sie wirklich geeignet? Ist sie in einem Township in Südafrika überhaupt umsetzbar? Und später unterstützen sie uns bei der Interpretation der Ergebnisse und der Frage, wie man diese in praktische oder auch politische Prozesse implementiert.
Gesundheit für alle
Globale Gesundheit zu verbessern ist ein großes Ziel. Das Wissenschaftsnetzwerk GLOHRA arbeitet daran mit zahlreichen Projekten, in denen gemeinsam geforscht wird, unter anderen mit diesen:
Information und Früherkennung im Kampf gegen Krebs
In Kenia untersucht die Nachwuchswissenschaftlerin Dr. Stefanie Harsch-Oria von der Universität Freiburg, wie man mithilfe digitaler Erzählungen die krebsbezogene Gesundheitskompetenz der Bevölkerung verbessern kann. In einem weiteren Projekt in Indonesien geht es um Früherkennung: Ein Team aus Wissenschaftler:innen der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität Yogyakarta arbeitet gemeinsam am Aufbau von gemeindebasierten HPV-Screenings als Früherkennungsmaßnahme gegen Gebärmutterhalskrebs. Auch hier ist die Information der Bevölkerung ein zentrales Thema: Entwickelt werden zudem Informationsmaterialien und Schulungskonzepte.
Geschlechtergerechtigkeit in der Gesundheit
Der junge Gesundheitskommunikations-Forscher Dr. Gbadebo Collins Adeyanju von der Universität Erfurt untersucht daher, warum Mädchen in Subsahara-Afrika seltener geimpft werden als Jungen und welche Rolle Väter bei Impfentscheidungen spielen. Oft basieren diese Entscheidungen auf Fehlinformationen. Der Wissenschaftler arbeitet an Konzepten, dem entgegenzuwirken. In einem weiteren Projekt untersuchen Forscher:innen der Universität Heidelberg und der TU Berlin, wie sich Geschlechterdiskriminierung auf die Gesundheit werdender Mütter auswirkt. Das Ziel: Diskriminierung messbar und damit greifbar zu machen.
Digitalisierung für eine bessere medizinische Versorgung
Im ländlichen Uganda entwickeln und erproben Forscher:innen der Charité und der Universität Heidelberg gemeinsam mit der lokalen NGO ACCESS und der Makerere Universität eine mobile Anwendung, mit deren Hilfe Bluthochdruckpatienten früher diagnostiziert, besser behandelt und langfristig unterstützt werden können. Digital ist auch der Ansatz eines gemeinsamen Projekts von Wissenschaftler:innen der Universität Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums, der Pwani University in Kenia und des Centre for Infectious Disease Research in Sambia: Sie arbeiten zusammen an der Nutzung künstlicher Intelligenz für die Diagnostik von Tuberkulose, der Infektionskrankheit mit den meisten Todesfällen weltweit.
Kontakt
German Alliance for Global Health Research (GLOHRA)
Geschäftsstelle c/o Charité – Universitätsmedizin Berlin
Charitéplatz 1 / 10117 Berlin
Tel.: +49 30 450 572 100
secretariat@globalhealth.de
www.globalhealth.de
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