Zukunft des Bauens: Digitaler Holzbau
AnzeigeBauen mit Holz ist nachhaltig, aber heute eher die Ausnahme im Neubau. Das könnte sich ändern, wenn die Holzbranche vermehrt die Vorteile der Digitalisierung nutzt.
Ein Beitrag aus dem Themenschwerpunkt „Zukunftsfragen der Forschung“.
Wer nachhaltig bauen will, besinnt sich oftmals zurück auf einen der ältesten Baustoffe der Welt: Holz. Es bindet Kohlenstoff, entlastet so bereits beim Wachsen und bei der Nutzung das Klima, lässt sich klimaneutral entsorgen und wächst nach. Zudem ist es vielseitig einsetzbar – als Tragwerk, Fassade oder Dach.
Doch ein Massenprodukt ist Holz als Baustoff bisher nicht, denn Bauen mit Holz ist teurer als mit Stein oder Beton. Die Preise könnten sinken, wenn die Holzbranche vom Sägewerk bis zur Zimmerei die Möglichkeiten der Digitalisierung zukünftig besser nutzt. Wie das gelingen kann, erforscht Alexander Stahr gemeinsam mit seiner Forschungsgruppe FLEX. Der Professor für Tragwerkslehre an der HTWK Leipzig unterstützt als Mitglied des Co-Creation Labs „Additive Fertigung“ des Hochschulverbunds Saxony⁵ den Wissens- und Technologietransfer in die Region. In diesem Fall in die Holzbranche, die von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt ist. „Die Digitalisierung steckt hier mehrheitlich noch in den Kinderschuhen. Gemeinsam mit Partnern aus der Praxis wollen wir aufzeigen, was eine Verknüpfung zwischen digitalem Planen, rechnergestütztem numerischem Abbinden des Holzes und Virtual-Reality-Brillen bei der Vorfertigung ermöglicht“, so Stahr.
Not macht erfinderisch
Am Beispiel einer mehr als hundert Jahre alten Dachbauweise demonstrieren die Leipziger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie traditionsreiche Baumethoden mithilfe der Digitalisierung ins Heute überführt werden können – und dabei Ressourcen schonen.
Nach dem Ersten Weltkrieg herrschte Material- und Wohnungsnot. Deswegen erdachte der Merseburger Stadtbaurat Friedrich Zollinger eine besonders effiziente Baumethode für Dächer: eine gekrümmte, freitragende Konstruktion aus kurzen Hölzern, heute bekannt als Zollingerdach. Damit wurden bis 1928 mehr als tausend Häuser und Hallen in Deutschland überdacht. Warum also ist diese sparsame Bauweise so gut wie verschwunden? Was können wir heute, was Zollinger damals noch nicht konnte?
Die Forschenden fanden heraus, dass sowohl technische als auch wirtschaftliche Defizite die Bauweise verschwinden ließen. Der Aufbau war zeit- und personalintensiv und trieb die Baukosten in die Höhe. Außerdem gab es seinerzeit nur acht feste Dachgrößen. Das größte technische Manko: An den Knotenpunkten, wo die Lamellen miteinander verbunden sind, verschob sich die Konstruktion über die Jahrzehnte. Die Dächer verformten sich sukzessive.
So wird eine jahrhundertealte Holzbauweise zukunftsfähig
Trotzdem sehen Stahr und sein Team großes Potenzial im Zollingerdach – denn Ressourcen schonen ist auch heute aufgrund des Klimawandels essenziell. Die Forschenden beseitigten konstruktive Mängel durch ein vereinfachtes Verbindungskonzept und erweiterten den Bauprozess um die Möglichkeiten der Digitalisierung. Jeder Arbeitsschritt – von der Idee bis zur Umsetzung auf der Baustelle – profitiert davon. Es beginnt bei der Planung mithilfe parametrischer Entwurfswerkzeuge. Algorithmen definieren dabei, wie sich durch die Änderung verschiedener Parameter die Geometrie der Lamelle verändert. Diese Daten werden direkt an die Maschinen für den Zuschnitt weitergereicht: „Heutzutage gibt es computergesteuerte Abbundmaschinen, die Lamellen perfekt und zehntelmillimetergenau zuschneiden. Das verbessert die statische Berechenbarkeit und reduziert den Wartungsaufwand des Daches ungemein“, so Stahr. Die Maschinen können die fertigen Bauteile bereits in der richtigen Reihenfolge stapeln – eine enorme Zeitersparnis. Statt mehrerer Wochen dauert der Aufbau eines Hallendaches nun nur noch wenige Tage.
„Kostensenkung trotz individueller Einzelteilfertigung – darin liegt für die Baubranche enormes Potenzial. Durchgängig digitale Prozessketten vom Entwurf über die Planung und die Vorfertigung in der Werkhalle bis hin zur Montage auf der Baustelle sind dafür der Schlüssel“, ist Stahr überzeugt. „Dank unserer Forschungen ermitteln wir in einem System die Geometrie, Statik und Wirtschaftlichkeit. Die Informationen kommen am Ende maschinenlesbar heraus, und schon kann der Fertigungsprozess starten.“
Einblicke in die Forschungen zum Zollingerdach (Video: HTWK Leipzig / FLEX)
Augmented Reality in der Zimmerei
Auch bei der Vorfertigung in der Montagehalle können digitale Methoden Handwerksleute unterstützen. Gebäude werden heute dreidimensional am Computer entworfen, doch für die Baustelle werden diese digitalen Planungen zumeist auf Papier ausgedruckt. In der Werkhalle müssen die Zimmerleute bisher zahlreiche Geometrie- und Materialangaben gedanklich aus der Zeichnung in die Konstruktion übertragen. Ein an sich unnötiger Arbeitsschritt, bei dem zahlreiche Informationen verloren gehen und Fehler passieren können. Augmented-Reality-Brillen sollen künftig komplexe Informationen aus der Planung präzise komprimiert direkt in die Vorfertigung übertragen.
Wer diese Daten-Brillen trägt, sieht zusätzlich zum normalen Sichtfeld virtuell eingeblendete Informationen. Damit können Zimmerleute die dreidimensionalen Fertigungsinformationen direkt auf den Montagetisch projizieren. Auch einzelne Arbeitsschritte sollen durch die Datenbrille zu sehen sein – beispielsweise könnten virtuelle Punkte überall dort auf Holzbrettern aufleuchten, wo Löcher zu bohren oder Schrauben einzudrehen sind.
Ressourcenschonender Dachbau und Datenbrillen bei der Montage: Die zwei Anwendungsfelder zeigen beispielhaft, wie Holzbauunternehmen ihre Produktionsabläufe durch die Integration digitaler Methoden und Technologien verbessern können, um deren Wirtschaftlichkeit zu steigern und dem Baustoff Holz so zu einer Renaissance zu verhelfen. Rechnergesteuerte Fertigung, Augmented Reality und Big Data gehören dann genauso zur Holzbranche wie Hobel, Beitel und Späne.
Im Transferverbund Saxony⁵ arbeiten die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften Sachsens interdisziplinär und vernetzt zusammen, um eine inhaltlich und methodisch neue Qualität im Wissens- und Technologietransfer und somit einen nachhaltigen Mehrwert für die Region Sachsen zu erreichen.
Saxony⁵ wird seit 2018 im Rahmen der Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ von BMBF und SMWK gefördert.