ZEIT für X
Der Baustoff Holz hat Tradition und Zukunft, denn er ist tragfähig, ästhetisch und nachwachsend.

Zukunft des Bauens: Digitaler Holzbau

24. März 2022
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Ein Beitrag des Saxony⁵ Mitglieds HTWK Leipzig.

Bauen mit Holz ist nachhaltig, aber heute eher die Ausnahme im Neubau. Das könnte sich ändern, wenn die Holz­branche vermehrt die Vorteile der Digita­lisierung nutzt.

Ein Beitrag aus dem Themenschwerpunkt „Zukunftsfragen der Forschung“.

Wer nachhaltig bauen will, besinnt sich oftmals zurück auf einen der ältesten Baustoffe der Welt: Holz. Es bindet Kohlenstoff, entlastet so bereits beim Wachsen und bei der Nutzung das Klima, lässt sich klima­neutral entsorgen und wächst nach. Zudem ist es vielseitig einsetzbar – als Tragwerk, Fassade oder Dach.

Doch ein Massenprodukt ist Holz als Baustoff bisher nicht, denn Bauen mit Holz ist teurer als mit Stein oder Beton. Die Preise könnten sinken, wenn die Holzbranche vom Sägewerk bis zur Zimmerei die Möglich­keiten der Digita­lisierung zukünftig besser nutzt. Wie das gelingen kann, erforscht Alexander Stahr gemeinsam mit seiner Forschungs­gruppe FLEX. Der Professor für Tragwerkslehre an der HTWK Leipzig unterstützt als Mitglied des Co-Creation Labs „Additive Fertigung“ des Hochschul­verbunds Saxony⁵ den Wissens- und Technologie­transfer in die Region. In diesem Fall in die Holzbranche, die von kleinen und mittel­ständischen Unternehmen geprägt ist. „Die Digita­lisierung steckt hier mehrheitlich noch in den Kinderschuhen. Gemeinsam mit Partnern aus der Praxis wollen wir aufzeigen, was eine Verknüpfung zwischen digitalem Planen, rechner­gestütztem numerischem Abbinden des Holzes und Virtual-Reality-Brillen bei der Vorfertigung ermöglicht“, so Stahr.

Not macht erfinderisch

HTWK-Professor Alexander Stahr, Marius Zwigart und Hannes Löschke (v.r.n.l.) hauchen dem Zollingerdach mit ihrer Forschung neues Leben ein.
© HTWK Leipzig /​ FLEX /​ Max Höhne HTWK-Professor Alexander Stahr, Marius Zwigart und Hannes Löschke (v.r.n.l.) hauchen dem Zollingerdach mit ihrer Forschung neues Leben ein.

Am Beispiel einer mehr als hundert Jahre alten Dachbau­weise demonstrieren die Leipziger Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftler, wie traditions­reiche Baumethoden mithilfe der Digita­lisierung ins Heute überführt werden können – und dabei Ressourcen schonen.

Nach dem Ersten Weltkrieg herrschte Material- und Wohnungsnot. Deswegen erdachte der Merseburger Stadt­baurat Friedrich Zollinger eine besonders effiziente Baumethode für Dächer: eine gekrümmte, frei­tragende Konstruktion aus kurzen Hölzern, heute bekannt als Zollinger­dach. Damit wurden bis 1928 mehr als tausend Häuser und Hallen in Deutschland überdacht. Warum also ist diese sparsame Bauweise so gut wie verschwunden? Was können wir heute, was Zollinger damals noch nicht konnte?

Die Forschenden fanden heraus, dass sowohl technische als auch wirtschaft­liche Defizite die Bauweise verschwinden ließen. Der Aufbau war zeit- und personal­intensiv und trieb die Baukosten in die Höhe. Außerdem gab es seinerzeit nur acht feste Dachgrößen. Das größte technische Manko: An den Knoten­punkten, wo die Lamellen miteinander verbunden sind, verschob sich die Konstruk­tion über die Jahrzehnte. Die Dächer verformten sich sukzessive.

So wird eine jahrhun­derte­alte Holz­bau­weise zukunftsfähig

Forschung für die Praxis: Ein Bogendachsegment entsteht in der Montagehalle.
© HTWK Leipzig /​ FLEX /​ Max Höhne Forschung für die Praxis: Ein Bogendachsegment entsteht in der Montagehalle.

Trotzdem sehen Stahr und sein Team großes Potenzial im Zollingerdach – denn Ressourcen schonen ist auch heute aufgrund des Klimawandels essenziell. Die Forschenden beseitigten konstruktive Mängel durch ein vereinfachtes Verbindungs­konzept und erweiterten den Bauprozess um die Möglich­keiten der Digitalisierung. Jeder Arbeits­schritt – von der Idee bis zur Umsetzung auf der Baustelle – profitiert davon. Es beginnt bei der Planung mithilfe parametrischer Entwurfs­werkzeuge. Algorithmen definieren dabei, wie sich durch die Änderung verschiedener Parameter die Geometrie der Lamelle verändert. Diese Daten werden direkt an die Maschinen für den Zuschnitt weitergereicht: „Heutzutage gibt es computer­gesteuerte Abbund­maschinen, die Lamellen perfekt und zehntel­milli­metergenau zuschneiden. Das verbessert die statische Berechen­barkeit und reduziert den Wartungs­aufwand des Daches ungemein“, so Stahr. Die Maschinen können die fertigen Bauteile bereits in der richtigen Reihenfolge stapeln – eine enorme Zeit­ersparnis. Statt mehrerer Wochen dauert der Aufbau eines Hallendaches nun nur noch wenige Tage.

„Kostensenkung trotz individueller Einzelteil­fertigung – darin liegt für die Baubranche enormes Potenzial. Durchgängig digitale Prozess­ketten vom Entwurf über die Planung und die Vorfer­tigung in der Werkhalle bis hin zur Montage auf der Baustelle sind dafür der Schlüssel“, ist Stahr überzeugt. „Dank unserer Forschungen ermitteln wir in einem System die Geometrie, Statik und Wirtschaft­lichkeit. Die Informa­tionen kommen am Ende maschinen­lesbar heraus, und schon kann der Fertigungsprozess starten.“

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Einblicke in die Forschungen zum Zollingerdach (Video: HTWK Leipzig / FLEX)

Augmented Reality in der Zimmerei

Augmented-Reality-Brillen könnten zukünftig zum Inventar von Zimmerleuten gehören.
© HTWK Leipzig /​ FLEX /​ Max Höhne Augmented-Reality-Brillen könnten zukünftig zum Inventar von Zimmerleuten gehören.

Auch bei der Vorfertigung in der Montagehalle können digitale Methoden Hand­werks­leute unterstützen. Gebäude werden heute dreidimen­sional am Computer entworfen, doch für die Bau­stelle werden diese digitalen Planungen zumeist auf Papier ausgedruckt. In der Werkhalle müssen die Zimmerleute bisher zahlreiche Geometrie- und Material­angaben gedanklich aus der Zeichnung in die Konstruktion übertragen. Ein an sich unnötiger Arbeits­schritt, bei dem zahlreiche Informationen verloren gehen und Fehler passieren können. Augmented-Reality-Brillen sollen künftig komplexe Informationen aus der Planung präzise komprimiert direkt in die Vorfertigung übertragen.

Wer diese Daten-Brillen trägt, sieht zusätzlich zum normalen Sichtfeld virtuell eingeblendete Informationen. Damit können Zimmerleute die dreidimensionalen Fertigungs­informationen direkt auf den Montage­tisch projizieren. Auch einzelne Arbeits­schritte sollen durch die Daten­brille zu sehen sein – beispielsweise könnten virtuelle Punkte überall dort auf Holzbrettern aufleuchten, wo Löcher zu bohren oder Schrauben einzudrehen sind.

So könnte Augmented Reality dem Brillenträger Zusatzinformationen einblenden.
© HTWK Leipzig /​ FLEX /​ Felix Schmidt-Kleespies So könnte Augmented Reality dem Brillenträger Zusatzinformationen einblenden.

Ressourcenschonender Dachbau und Datenbrillen bei der Montage: Die zwei Anwendungs­felder zeigen beispiel­haft, wie Holzbau­unter­nehmen ihre Produktions­abläufe durch die Inte­gration digitaler Methoden und Techno­logien verbessern können, um deren Wirtschaft­lichkeit zu steigern und dem Baustoff Holz so zu einer Renaissance zu verhelfen. Rechner­gesteuerte Fertigung, Augmented Reality und Big Data gehören dann genauso zur Holz­branche wie Hobel, Beitel und Späne.

Transferverbund Saxony⁵

Im Transferverbund Saxony⁵ arbeiten die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften Sachsens interdis­ziplinär und vernetzt zusammen, um eine inhaltlich und methodisch neue Qualität im Wissens- und Technologie­transfer und somit einen nachhaltigen Mehrwert für die Region Sachsen zu erreichen.

Saxony⁵ wird seit 2018 im Rahmen der Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ von BMBF und SMWK gefördert.

www.saxony5.de

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