Zukunftslösungen für autonome Lkw
AnzeigeInnovationen sind gefragt, um den Übergang zum selbstfahrenden Lkw zu meistern. Die WHZ und das FTZ forschen an entsprechenden Lösungen.
Ein Beitrag aus dem Themenschwerpunkt „Zukunftsfragen der Forschung“.
Sichere Datenübertragung für autonome Nutzfahrzeuge
Die Anforderungen des Nutzfahrzeugbereiches zur Autonomisierung von Fahrfunktionen unterscheiden sich von denen im Pkw enorm. Schon allein die Größe der Fahrzeuge, andere Nutzungsprofile und die scheinbar unendlich möglichen Kombinationen aus Zugmaschine und Trailer lassen eine einfache Übernahme von Lösungen aus den Personenkraftwagen nicht zu.
Jedoch bietet die Automatisierung von Fahrfunktionen bei Nutzfahrzeugen im gewerblichen Einsatz ein großes Potential. Der wichtigste Punkt ist die Entlastung der Fahrer, um Unfälle auf Grund von Müdigkeit oder Unaufmerksamkeit zu verhindern. Durch selbstfahrende Systeme könnten Pausenzeiten „on the road“ generiert und damit die verbleibende Lenkzeit verlängert werden. Die Automatisierung wird derzeit in rechtlich und räumlich abgegrenzten Bereichen (Werksgelände) erprobt.
Im Pkw-Bereich sind bereits viele Assistenzsysteme im Einsatz, die den Fahrer zum Beispiel beim Parken unterstützen oder die Sicherheit durch eine automatische Abstandskontrolle erhöhen. Erste Fahrzeug erfüllen bereits die Anforderungen, um Fahrfunktionen komplett autonom durchzuführen.
Der Unterschied zum autonomen Pkw
Beim Pkw sind die Datenraten bereits im Gigabit-Bereich angekommen. Die zugehörigen Übertragungssysteme sind für Pkws optimiert und durch die höheren Anforderungen im Nutzfahrzeugbereich nicht ohne Anpassungen auf diesen übertragbar. Das ist am Beispiel der Schnittstelle zwischen Truck und Trailer bei Sattelzügen gut erklärbar. Die für die „Zusammenarbeit“ notwendigen Verbindungen für Elektrik, Pneumatik und natürlich auch für die Datenübertragung werden derzeit über die verschiedensten etablierten Steckverbindungen realisiert. Die Anforderungen an diese Verbindungen sind durch den weltweiten Einsatz und die hohe Anzahl von Betriebsstunden enorm.
Die Herausforderungen im Nutzfahrzeugbereich für deren elektronische Systeme lassen sich in folgende Beispiele herunterbrechen:
- Ausdehnung der Vernetzung durch die maximal mögliche Anzahl von Hängern bei Road Trains, z.B. in Australien
- Kombinationsmöglichkeiten von Sattelzug und Trailer
- hohe Anzahl von Steckzyklen der Verbindungen bei Wechsel der Auflieger
- Nutzungsdauer deutlich höher als im Pkw-Bereich
Auch durch die signifikante Zunahme von Assistenzsystemen verändert sich im Fahrzeug die Struktur der Vernetzung. Das elektronische Gesamtsystem, mit seinem Kabelbaum von bis zu 8 Kilometern (!) Leitungslänge und den zahlreichen Steuergeräten mit ihren vernetzten Funktionen, wird mehr und mehr als ein Zentralrechner ausgerichtet. Diese Einheit übernimmt demnach zusätzlich noch die Auswertung der Sensorik für die Umfeldüberwachung und steuert beispielsweise auch etwaige Eingriffe wie die Lenkkorrekturen des Spurhalteassistenten. Jedes neue Assistenzsystem und insbesondere dessen Kameras, erhöht die Anforderungen an den Datendurchsatz im Fahrzeug enorm. Davon ausgehend sind nun Innovationen gefragt, um den Übergang zum selbstfahrenden Lkw zu meistern.
Der innovative Steckkontakt
Die bisher genutzte Datenrate an der Schnittstelle von Truck und Trailer muss für die neuen Anforderungen von 125 Kilobit auf 1 Gigabit pro Sekunde erhöht werden. Ein besonders kritischer Punkt im Kommunikationssystem ist der Steckkontakt an der Übergabestelle von der Zugmaschine zum Trailer. Im Einsatz kann es hier zu vielen täglichen Steckvorgängen kommen, die bei der Auslegung zu berücksichtigen sind. Dafür gibt es im Bereich der Gigabit-Übertragungssysteme noch keine etablierten Kontakte. Besonders hier sind komplett neue Lösungsansätze notwendig.
Mit diesem Thema befasste sich eine Forschergruppe des FTZ e.V. an der Westsächsischen Hochschule in Zwickau intensiv. Im Laufe der Untersuchungen wurde aus mehreren Lösungen die bestmögliche ausgewählt und sorgfältig geprüft. Momentan erfolgt für diese Lösung die Standardisierung als Voraussetzung zur internationalen Realisierung. Durch die aktive Mitarbeit im Co-Creation Lab „Vernetzte Mobilität“ des Transferverbundes Saxony⁵ wurde die Vernetzung von verschiedenen Akteuren aus unterschiedlichen Branchen erreicht, die maßgeblich zum Erfolg des Projektes beigetragen haben. Nebenbei wurde damit auch die Zahl der potentiellen Nutzer erhöht, was sich positiv auf die ökonomischen Erfolgsaussichten auswirkt. Im Co-Creation Lab „Vernetzte Mobilität“ arbeiten verschiedene Forschergruppen an Lösungen für die zukünftige Mobilität. Eine Lösung für die Kommunikationssysteme fand eine Forschergruppe des FTZ e.V. an der Westsächsischen Hochschule in Zwickau, die sich schon lange mit der Zukunftsfähigkeit von Kfz-Kommunikationssystemen befasst. „Durch unsere langjährigen Erfahrungen mit Tests von Kommunikationssystemen und durch die Vernetzung vieler Akteure aus unterschiedlichen Branchen, erarbeiteten wir die bestmögliche Lösungsvariante.“, berichtet Dr. Bernd Körber, stellvertretender Laborleiter der Forschergruppe am FTZ. Auf Basis dieser Forschungsergebnisse arbeitet gegenwärtig die Forschungsvereinigung Automobiltechnik (FAT) an einer internationalen Norm für Steckverbindungen, Leitungen und die Datenübertragung.
Veröffentlichung der Ergebnisse
Die Forschungsvereinigung Automobiltechnik ist ein Netzwerk aller deutschen Pkw- und Nfz-Hersteller und zahlreicher Zulieferer und Dienstleister der Branche. Unter dem Dach des Verbands der Automobilindustrie (VDA) bearbeitet der Verein in Kooperation mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen vorwettbewerblich und gemeinschaftlich Forschungsthemen mit Bezug zum Automobil. Die Untersuchungen der anwendungsnahen Forschung des FTZ beziehen sich auf verschiedene Bereiche der Datenübertragung für autonome Fahrfunktionen. Die Ergebnisse sind frei zugänglich und wurden 2021 vom FAT in der FAT-Schriftenreihe unter dem Titel „Schnelle, breitbandige Datenübertragung zwischen Truck und Trailer als Voraussetzung für das hochautomatisierte Fahren von Lastzügen“ veröffentlicht.
Im Transferverbund Saxony⁵ arbeiten die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften Sachsens interdisziplinär und vernetzt zusammen, um eine inhaltlich und methodisch neue Qualität im Wissens- und Technologietransfer und somit einen nachhaltigen Mehrwert für die Region Sachsen zu erreichen.
Saxony⁵ wird seit 2018 im Rahmen der Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ von BMBF und SMWK gefördert.