Psychologists for Future – was tun bei Klima-Angst?
Immer mehr Menschen fühlen sich durch die Klimakrise bedroht. Die „Psychologists for Future“ wollen Perspektiven und Bewältigungsstrategien aufzeigen. Im August erscheinen gleich zwei neue Bücher.
Lea Dohm und Katharina van Bronswijk sprechen für die Initiative „Psychologists for Future“. Deren Mission ist es, psychologisches und therapeutisches Fachwissen in den Umgang mit der Klimakrise einzubringen. So soll auch eine nachhaltige Zukunft gefördert werden. ZEIT für Klima hat die beiden zu ihrer Arbeit und ihren Erkenntnissen für die Wirtschaft befragt.
Studio ZX: Die „Psychologists for Future“ haben 2019 zueinandergefunden. Wie kam es zur Gründung der Initiative, und wo steht sie aktuell?
Lea Dohm: Alles hat damit angefangen, dass wir als kleine Gruppe von Kolleg:innen eine Stellungnahme zu den Zusammenhängen von Klimakrise und Psychologie formuliert und uns damit kurz vor der Europawahl 2019 öffentlich an die Seite der „Fridays for Future“-Bewegung gestellt haben. Die Kollegschaft reagierte darauf erfreulicherweise mit reger Unterstützung, und unser Dokument wurde schließlich europaweit von rund 4.500 Psycholog:innen unterzeichnet. Für eine Berufsgruppe, die sich grundsätzlich eher als weniger politisch definiert, war das geradezu fulminant. Von da an sind wir organisch weitergewachsen und haben erste Strukturen ausgebildet. Bis zur Vereinsgründung Anfang 2022 war es dann noch mal ein weiter Weg.
Lea Dohm hatte viele Jahre lang eine eigene psychologische Praxis und ist seit August 2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin bei KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit.
Katharina van Bronswijk: Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass die Stellungnahme ein Rohrkrepierer wird, wie es bei politischen Initiativen von Psychotherapeut:innen leider häufig der Fall ist. Aber irgendwie hatten wir ein Momentum getroffen. Immer mehr Menschen aus unserer Disziplin haben sich bei uns gemeldet. Zu Anfang haben wir noch mit allen einzeln telefoniert, später haben wir uns über die gängigen Messagingdienste organisiert. Gemeinsam haben wir beispielsweise erreicht, dass in die Berufsordnung für deutsche Psychotherapeut:innen aufgenommen wurde, dass wir auch für Gesundheitsprävention zuständig sind, die auf den ökologischen Lebensgrundlagen basiert. Im Klartext heißt das, dass Klimaschutz eine Aufgabe unseres Berufes geworden ist.
Menschen fühlen sich unter Druck gesetzt, als Individuen möglichst gegen die Klimakrise anzugehen, und verstehen nicht, dass dies wirklich nur mit einem Systemwandel geht.
Katharina van Bronswijk
Frau van Bronswijk, Anfang August erscheint Ihr neues Buch „Klima im Kopf – Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit uns macht“. Sie beschreiben darin, wie die Klimakrise und die notwendige gesellschaftliche Transformation in unsere Identität eingreifen. Was macht die Klimakatastrophe mit uns?
Katharina van Bronswijk: Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Sie reichen von der Leugnung über den Trotz bis hin zur Depression. Ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland hat ein grundsätzliches Bewusstsein dafür, dass wir ein Problem haben. Viele sehen aber den eigenen Handlungsspielraum nicht und sehen die Politik oder die Wirtschaft in der primären Verantwortung, etwas zu tun. Oder genau das Gegenteil ist der Fall: Menschen fühlen sich unter Druck gesetzt, als Individuen möglichst gegen die Klimakrise anzugehen, und verstehen nicht, dass dies wirklich nur mit einem Systemwandel geht. Darum versuchen sie, möglichst klimafreundlich zu agieren, ohne das nötige große Ganze zu sehen.
Katharina van Bronswijk ist als psychologische Psychotherapeutin in der Lüneburger Heide niedergelassen und unter anderem bei Greenpeace aktiv.
Frau Dohm, auch Sie bringen im August ein neues Buch heraus: „Klimagefühle: Wie wir an der Umweltkrise wachsen, statt zu verzweifeln“. Sie schreiben darin, dass Angst, Trauer und Wut gesunde Reaktionen auf essenzielle Bedrohungen wie den Klimawandel sind. Welche Gefühle veranlassen uns am ehesten dazu, zu handeln?
Lea Dohm: Ich glaube nicht, dass es ein einzelnes Gefühl ist, das man so klar benennen kann. Menschen haben sehr unterschiedliche Reaktionen. Für einige mögen zum Beispiel Wut und Ärger ein großer Motivator sein: die Empörung darüber, dass etwas so nicht weitergehen kann, kann uns ordentlich Dampf machen und uns so ins Handeln bringen. Der entscheidende Punkt ist meiner Ansicht nach ein anderer: Wir stehen sowohl gesellschaftlich als auch individuell gerade an einem ganz wichtigen Punkt. Viele Menschen bemerken, dass ihre individuellen Verhaltensänderungen nicht so viel bringen wie erhofft. Deshalb ist es wichtig, möglichst vielen Menschen jetzt Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die darüber hinausgehen. Wir haben gesellschaftliche Partizipation ein bisschen verlernt und müssen uns diese neu erobern. Die zentrale Frage dabei lautet: Wie können wir uns in Gruppen sinnvoll einbringen und gegenseitig unterstützen, um etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen?
Viele Menschen bemerken, dass ihre individuellen Verhaltensänderungen nicht so viel bringen wie erhofft. Deshalb ist es wichtig, möglichst vielen Menschen jetzt Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die darüber hinausgehen.
Lea Dohm
Frau van Bronswijk, Sie schreiben: „Ich glaube nicht, dass Wirtschaftsbosse Monster sind, auch wenn ihre Entscheidungen manchmal so anmuten. Ich glaube nicht, dass der Großteil von ihnen gewissenlos ist. Ich glaube, dass ihr Denken auf denselben Narrativen beruht wie unseres. Das bedeutet auch, dass sie dieses Denken genauso verändern können wie wir.“ – Wie lässt sich diese Transformation anregen?
Katharina van Bronswijk: Wir unterschätzen, wie sehr wir Menschen soziale Wesen sind, die sich an Normen halten, die auf verschiedenen Ebenen etabliert wurden. Wenn Unternehmenslenker:innen seit ihrem Einstieg in den Beruf eine bestimmte Art, Entscheidungen zu fällen, vorgelebt bekommen haben, hinterfragen sie diese nicht. Das ist in der Psychotherapie genauso. Wir lernen bestimmte Methoden und wenden diese an – bis wir möglicherweise widerwillig feststellen, dass sie nicht funktionieren. Im Business kann das auch so laufen: Immer mehr Entscheider:innen merken, dass es ihnen nicht mehr reicht, den Quartalsvorgaben hinterherzuhecheln und Aktionär:innen zufriedenzustellen. Ihre Ansprüche haben sich verändert, und irgendwie fühlt es sich nicht mehr sinnvoll an, einfach nur finanziell Erfolg zu haben. Sie suchen nach einem anderen Impact. Dann kommen postmaterielle Werte ins Spiel, die zu einer Transformation führen.
Frau Dohm, Sie schreiben, dass Ihre Arbeit mit Patient:innen sich verändert hat und dass Sie viel schneller als früher Ihren Blick auf die Rahmenbedingungen und die Strukturen legen, in denen Ihre Patient:innen sich bewegen. Zitat: „Manchmal bin ich dann frustriert, weil mir klar wird, dass ich als Psychotherapeutin das Grundproblem gar nicht lösen kann.“ Was ist das Grundproblem?
Lea Dohm: Ich würde das gern an einem einfachen Beispiel erläutern: Wir behandeln aktuell viele Menschen aus der Krankenpflege, die zu uns kommen, weil sie nach den Pandemiejahren ausgebrannt sind. Ich höre häufig den gleichen Satz: „Ich hätte gern ein dickeres Fell, damit ich mit dieser Arbeitsbelastung besser umgehen kann.“ Mich macht das jedes Mal betroffen. Wenn wir uns mit Resilienz beschäftigen, müssen wir einfach anerkennen, dass wir uns an widrige äußere Bedingungen nicht unbegrenzt anpassen können, sondern dass gewisse Strukturen einfach so ungesund sind, dass wir nicht gegen sie antherapieren können. Genauso ist es auch bei der Klimakrise: Auch hier müssen wir die Rahmenbedingungen so gestalten, dass wir gesund bleiben. Eine andere Chance gibt es nicht.