
Wie viel grünen Wasserstoff braucht Deutschland?
Grüner Wasserstoff könnte die Energiewende entscheiden. Aufgrund der aktuellen geopolitischen Entwicklungen hat der Nationale Wasserstoffrat seine Prognose zum Wasserstoffbedarf jetzt deutlich nach oben korrigiert.
Immer mehr Branchen haben vor, grünen Wasserstoff als sauberen Energieträger zu nutzen. Damit Unternehmen und der Staat in Sachen Wasserstoff verlässlich disponieren und nachhaltig investieren können, müssen sie allerdings wissen, wie viel davon Deutschland in Zukunft braucht. Die Bundesregierung hat im Juni 2020 den Nationalen Wasserstoffrat (NWR) einberufen. Dieser besteht aus 25 hochrangigen Expert:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Ihre Aufgabe ist es, den Staatssekretärsausschuss für Wasserstoff mit ihren Vorschlägen und Handlungsempfehlungen bei der Umsetzung und Weiterentwicklung der Wasserstoffstrategie zu beraten und zu unterstützen.
Deutschland braucht deutlich mehr grünen Wasserstoff als bislang angenommen.
In einem im Februar 2023 veröffentlichten Grundlagenpapier hat das Gremium seine Berechnungen des grünen Wasserstoffbedarfs mit Blick auf die aktuellen Angaben aus den Branchen Prozessindustrie, Verkehrs- und Transportsektor und Wärmemarkt angepasst. Das Fazit: Deutschland braucht deutlich mehr grünen Wasserstoff als bislang angenommen. Allein für das Jahr 2030 erwartet der NWR einen Bedarf in Höhe von insgesamt 56 bis 93 Terawattstunden. Der überwiegende Teil davon soll für die Stahlindustrie und den Schwerlastverkehr verwendet werden. Das ist deutlich mehr als die vor dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und dem damit verbundenen Gaslieferungsstopp prognostizierten 44 Terawattstunden.
Dabei stellt sich den Autor:innen zufolge auch die Frage, inwiefern und wann Gas durch CO2-neutrale Substitute wie grünen Wasserstoff ersetzt werden kann. Hier böten sich Möglichkeiten für andere Industriezweige in Deutschland an, etwa die Glas- oder Papierherstellung.
CO2 effektiv vermeiden
Das Grundlagenpapier vergleicht zudem, wie viel CO2 beim Einsatz von Wasserstoff in unterschiedlichen Branchen eingespart werden könnte. Insgesamt könnte grüner Wasserstoff im Jahr 2050 rund 170 Millionen Tonnen CO2 jährlich vermeiden. „Die Datenanalyse bestätigt damit die zentrale Rolle eines raschen Hochlaufs von klimaneutralem Wasserstoff für das Erreichen der Klimaziele“, schlussfolgern die Verfasser:innen. Am größten sei der Hebel in der Stahlindustrie: Hier ließen sich 25 Tonnen CO2 pro Tonne Stahl vermeiden.
Das Grundlagenpapier finden Sie hier.
Wann ist Wasserstoff grün?
Das hat die Europäische Kommission im Februar 2023 in zwei delegierten Rechtsakten festgelegt: Mit Elektrolyseuren erzeugter Wasserstoff gilt nur dann als erneuerbar und grün, wenn er mit Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird. Wasserstofferzeuger müssen dies nachweisen. Hinzu kommt der sogenannte Grundsatz der Zusätzlichkeit: Die höhere Nachfrage nach Wasserstoff muss mit neuen Kapazitäten für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen einhergehen. Das Bundesumweltministerium hat bereits angekündigt, die Vorgaben „sehr zeitnah“ umzusetzen.