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ZEIT RedaktionEin Handwerksmeister macht vor, wie man Azubis findet.
Redaktioneller Beitrag aus: „ZEIT für Unternehmer Ausgabe 1/2023. Geschäftspartner des ZEIT-Verlages haben auf die journalistischen Inhalte der ZEIT Redaktion keinerlei Einfluss.“
Cehan San und seine Firma wirken wie die Antithese zu seiner Branche. Er öffnet die Tür in Sneakers, Jeans und Rollkragenpulli. Sein Büro ist minimalistisch eingerichtet, sein Schreibtisch bis auf den Computer leer. Macbooks, Flipcharts: Durch sein Unternehmen in Rastede bei Oldenburg weht Start-up-Atmosphäre. Dabei führt der 39-Jährige einen Handwerksbetrieb, Schwerpunkt: Haustechnik.
Seit 2017 installieren, warten und reparieren der Anlagenmechanikermeister für Sanitär, Heizung und Klima und sein 14-köpfiges Team unter anderem Heizungsanlagen. Firmen wie seine haben oft ein Problem: Sie finden keine Azubis. Zehntausende Lehrstellen im Handwerk bleiben jedes Jahr unbesetzt. Und schon jetzt fehlen laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks rund 250.000 Fachkräfte.
Cehan San sagt trotzdem, er könne sogar zwischen Bewerbern auswählen. Und das liege nicht daran, dass er besonders viel Lohn biete. „Wer wegen des Geldes kommt, geht wahrscheinlich auch irgendwann deswegen“, sagt der Unternehmer. Er will seinen Azubis einen modernen Betrieb bieten: „Wir wollen nicht dem Klischee entsprechen“, sagt San. Deswegen habe er etwa eine Vier-Tage-Woche eingeführt – für mehr Work-Life-Balance, auch im Handwerk.
Und San legt Wert auf Nachhaltigkeit. Das liege, sagt er, an einem „Schlüsselerlebnis“. Dann erzählt San, wie er kurz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 nach Ahrweiler fuhr, um so viele Heizungen wie möglich zu reparieren oder zu ersetzen. Dabei habe er mit betroffenen Anwohnern gesprochen. „Als ich in meine heile Welt zurückkam, war ich immer noch traurig und überwältigt und habe geweint“, sagt San. Er findet: „Wir können den Klimawandel nicht aufhalten, aber verlangsamen.“
Sans Azubis lernen deswegen, wie sie klimaschonende Wärmepumpen installieren oder Solaranlagen planen. Und San trägt diese Botschaft nach außen, wirbt auf Messen und in Schulen, spricht auf Panels über die Zukunft des Handwerks, bespielt alle gängigen Social-Media-Plattformen. Bei TikTok etwa führt er in Videos über Baustellen, auf denen er Wärmepumpen installiert.
Wenn San zeigen will, wie das funktioniert, steigt er in sein Hybrid-Auto und fährt zu einer seiner Baustellen. Dort hilft Marvin Schubert gerade dabei, eine Wärmepumpe zu installieren, er macht bei San eine Lehre zum Anlagenmechaniker. Der 17-Jährige ist durch eine Instagram-Story auf den Betrieb aufmerksam geworden. Er erzählt, dass es immer noch Betriebe gebe, die Lehrlinge als günstige Arbeitskraft ausnutzen, in seiner Berufsschulklasse etwa müsse ein Kollege nur stupide Kabel verlegen. Cehan San glaubt: Solchen jungen Menschen fehlten nach der Lehre so oftmals Fähigkeiten, die in einer nachhaltigeren Zukunft gebraucht würden – dabei könnten sie so viel bewirken. „Auch deswegen hoffe ich, dass ich mit meiner Arbeit einige wachrütteln kann“, sagt er.