ZEIT für X
Glastür mit der Aufschrift "your ideas matter write them down :)"

Impulse des Monats - von Spielsteinchen bis Krisenchat

11. August 2022
Ein Artikel von Studio ZX.

Welche Ideen haben das Potenzial, zum Trend zu werden und unser Miteinander zu verändern? Und was können Unternehmen, Politik und Zivil­gesell­schaft daraus lernen? Eine Auswahl neuer Ansätze für unser Zusammenleben.

von Anna-Lena Limpert, Studio ZX

Trends kommen und gehen, das liegt in der Natur der Sache. Aber manchmal kann aus einem Trend echter Wandel werden, der lang­fristig für Veränderung sorgt. Vor allem dann, wenn viele Menschen von der Idee dahinter profitieren. In dieser Reihe stellen wir einmal im Monat genau solche Lösungen vor: drei Initiativen, Ideen, Gründungen oder Forschungs­ergebnisse, die inspirieren.

Name von Buchenden: anonym

Studien­ergebnisse der Harvard Business School zeigen, dass Buchungen beim Tourismus­unter­nehmen Airbnb von Personen mit eindeutig afro­amerikanischem Namen häufiger abgelehnt werden als die von Menschen mit „weiß klingenden“ Namen. Die Forschenden schluss­folgerten, dass das vieler­orts eingesetzte Buchungs­system von Airbnb, das Namensangabe und Fotopflicht vorsieht, Diskriminierung fördern kann. Genau aus diesem Grund hatten Schwarze Frauen aus Oregon (USA) 2017 gegen den Anbieter geklagt. Airbnb hat sich außer­gerichtlich mit den Klägerinnen geeinigt und führt als Reaktion darauf im selben Bundesstaat zurzeit ein Pilot­projekt durch: Angaben zum Namen sowie das Foto der buchenden Person sollen so lange anonymisiert bleiben, bis der:die jeweilige Gastgeber:in die Buchung bestätigt hat. Im besten Fall mit der Folge, dass Rassismus und Stereotype zumindest in diesem Schritt keine Rolle mehr spielen. Offen bleibt, was nach der Buchungs­bestätigung passiert, beispiels­weise bei rassistisch motivierten Stornierungen.

Die Klage zeigt einmal mehr, dass sich unbewusste Vor­ein­genommen­heit und Rassismus durch alle Lebens­bereiche ziehen, und auch, welche Ver­antwortung besonders große und einfluss­reiche Unternehmen wie Airbnb im Kampf dagegen tragen sollten.

Stein des Anstoßes

Mit dem Wort „Xylophon­spieler“ räumen Sie punkte­technisch bei Scrabble ziemlich ab. Es geht aber noch besser. Wie wäre es mit Xylophon­spieler*in? Dieser erfolgs­ver­sprechende und gleich­zeitig gender­sensible Spielzug ist seit Kurzem mit ein bisschen Glück beim Buch­staben­ziehen möglich. Denn: Der Spiele­her­steller Mattel hat das Steine­repertoire des Brett­spiels um den Gender­stein „*in“ ergänzt. Mit dem Genderstein können Spielende nun das generische Maskulinum, das häufig bei personen­bezogenen Substantiven genutzt wird, um eine gender­gerechte Endung ergänzen, die alle Menschen inkludiert. Bringt zehn Spiel­punkte, aber vielleicht noch viel mehr als das. Denn laut Mattel soll der Gender­stein vor allem dabei helfen, gender­gerechte Sprache spielerisch zu erlernen und so in den täglichen Sprach­gebrauch zu überführen. So werden alle Menschen in der Sprache – und beim Spielen – sichtbar gemacht. Der *in-Stein kann nachträglich kostenlos beim Kunden­service angefragt werden. Wer nicht warten möchte, muss das auch nicht: Jeder Blanko­stein kann als *in-Stein gesetzt werden.

Krisenchat auf Ukrainisch

Seit Beginn des Angriffs­krieges auf die Ukraine sind Schätzungen zufolge auch mehrere Hundert­tausend Kinder und Jugendliche nach Deutschland geflüchtet. Das Berliner Start-up „krisenchat“ bietet deswegen Jugendlichen in und aus der Ukraine psychosoziale Unter­stützung: Via Chat können sich die Betroffenen rund um die Uhr kostenlos mit ehren­amtlichen ukrainisch- und russisch­sprachigen Berater:innen austauschen. Damit reagiert das Beratungs­angebot krisenchat auf den seit Kriegs­beginn mutmaßlich gesteigerten Betreuungs­bedarf dieser besonders vulnerablen Gruppe.

Das Start-up gibt es schon länger. Gegründet wurde krisenchat zu Beginn der Pandemie mit dem Ziel, jungen Menschen niedrig­schwellige psychische Nothilfe anzubieten. Und zwar über die meist­genutzten Kommunikations­kanäle der Zielgruppe: via die Messenger­dienste WhatsApp oder Telegram. Im Fokus steht laut krisenchat die kurz­fristige Beratung. Andauernde psychische Unterstützung könne durch den Chat nicht ersetzt werden. Das Start-up hat außerdem einen Handlungs­leit­faden mit der Polizei erarbeitet, die in akuten Not­situationen eingeschaltet werden kann.