ZEIT für X
Intelligente Autonome Systeme: KI-Forschung an der TU Darmstadt.

Austausch auf Augenhöhe

10. Juni 2022
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Ein Beitrag der TU Darmstadt.

Das Szenario einer urbanen Energie­wende in Darmstadt klingt theore­tisch einleuch­tend: „Eigentlich muss man nur für jedes städtische Quartier erfassen, wie viel Energie welcher Art in welchen Gebäuden und Betrieben benötigt wird, um zu konzipieren, wie sich die Netze effektiver, flexibler und klima­freund­licher umgestalten lassen“, erläutert Martin Beck, Koordinator des Forschungs­projektes DELTA.

Ein Beitrag aus dem Themenschwerpunkt „Über den Transfer in die Gesellschaft“.

Der Umsetzung stünden aber noch viele offene Fragen im Weg: Welche Infra­struk­turen wären nötig – und welche Verkehrs­konzepte? Und: Wie könnten Mieter­innen und Mieter sowie Vermieter­innen und Vermieter in die Trans­formation eingebunden werden? „Darauf gibt es nicht die eine Antwort“, räumt Beck ein. Aber das Projekt DELTA sei nicht nur komplex, sondern auch sehr viel­versprechend: So rechne das DELTA-Team damit, in Darmstadt etwa 14.500 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen zu können.

Die Umsetzung der Klima­ziele beginnt idealer­weise in den Städten

DELTA ist einer von 20 Gewinnern des Wettbewerbes „Reallabore der Energie­wende“ des Bundes­ministeriums für Wirt­schaft und Klima­schutz und soll anwendungs­naher Forschung eine breite Umsetzung in der Praxis ermöglichen – ein Austausch und Wissens­transfer, der in Darmstadt unter dem Begriff xchange gefasst wird. Die Koordination des „Darmstädter Energie-Labors für Techno­logien in der Anwendung“ (DELTA), das in den Bau- und Umwelt­ingenieur­wissen­schaften sowie im Maschinen­bau angesiedelt ist, übernimmt die TU Darmstadt. Die überwiegend regionalen Partner sind Start-ups, Mittel­ständler und die Industrie sowie Unternehmen der Stadt­wirtschaft, die sich als Innovatoren auf diesem Gebiet bewährt haben. Die enge Vernetzung mit Wirtschaft, Politik und Gesell­schaft sowie der Austausch über die Fächer­grenzen hinweg sind charakte­ristisch für die TU Darmstadt: An dieser Universität, die auch im Hinblick auf Patent­anmeldungen und Ausgrün­dungen zu den führenden deutschen Hochschulen zählt, arbeiten die Ingenieur­wissen­schaften, deren Anteil im Fächer­kanon bei 50 Prozent liegt, eng mit den Natur-, Sozial- und Geschichts­wissen­schaften zusammen. Inter­diszipli­narität spielt auch am Hessischen Zentrum für Künstliche Intelligenz (hessian.AI), das seinen Haupt­standort an der TU Darmstadt hat, eine zentrale Rolle.

Das DELTA-Projekt beruht auf der Analyse, dass die Umsetzung der Klima­ziele durch Energie­effizienz­maßnahmen idealer­weise bei den Städten beginnt, wo Energie­dichte und komplexe Energie­ströme große Einsparungen ermöglichen. Die Strategie: Die Quartiere energetisch vernetzen, Sektoren­kopplung umsetzen und Wasserstoff als Energie­träger etablieren. Als Referenz­modell für DELTA gilt das Projekt ETA-Fabrik der TU Darmstadt, aus dem die ETA-Solutions GmbH als Spin-off hervor­gegangen ist. Einer der Geschäfts­führer ist Martin Beck. In dieser Doppel­funktion könne er seine Expertise als Energie­berater der Industrie einbringen, um bewährte Methoden für Kommunen zu skalieren, erklärt der 38-jährige Wirtschafts­ingenieur. Denn ob es um Maschinen- und Anlagenbau, Gebäude­planung oder um städtische Energie­systeme geht – die Vorgehens­weise sei ähnlich: „Am Anfang steht die Frage, wo sich nicht genutzte Effizienz­potenziale wie zum Beispiel Abwärme als Energie­quelle finden. Diese lässt sich dann mittels Effizienz­technologie verwenden, um Bedarfe an anderer Stelle zu decken, etwa um Wohn­häuser zu heizen. Dort wiederum spart man sich so den Einsatz fossiler Brennstoffe.

Derart komplexe Ingenieur­dienst­leistungen künftig auch Kommunen wie Darmstadt anbieten zu können, ist die Vision von DELTA. Weil sich viele Städte zur Umsetzung der Klima­neutralität bis 2035 verpflichtet hätten, seien gerade Städte auf maßge­schnei­derte Konzepte angewiesen, erläutert Beck. Zugleich erfordere eine Neustruk­turierung städtischer Energie­netze die Einbindung aller Stakeholder. Um diese erfolgreich zusammen­zubringen, sollte der Initiator frei von ökono­mischem Kalkül sein, ist Beck überzeugt: „Nur öffentliche Forschungs­einrichtungen wie die TU Darmstadt verfügen über genug Glaub­würdigkeit und Expertise, um Trans­formations­prozesse dieser Größenordnung in Gang zu setzen.“

Technologie-Beschleuniger: Die Koope­ration von Forschungs­labors, Unis und Start-ups

Der Anspruch der TU Darmstadt, das Innovations­ökosystem der Hochschule kooperativ und nachhaltig auszubauen, spiegelt sich auch im „IP for Shares“-Modell wider, einem innovativen Betei­ligungs­modell, das vom Gründungs­zentrum HIGHEST der TU Darmstadt mitentwickelt wurde. Überträgt die Uni Rechte an ihrem geistigen Eigentum, erhält sie im Gegenzug virtuelle oder reale Anteile am Unternehmen. „Dank der TU als Teil­haberin können wir die Ergebnisse meiner 18-jährigen Forschungs­arbeit unentgeltlich für unser Start-up nutzen“, sagt Markus Roth, Chef­wissen­schaftler von Focused Energy. Das Team erforscht, wie Kernfusion in Verbindung mit Hightech-Lasern den nachhaltigen Energiemix ergänzen kann, und plant für Ende 2028 den Prototyp einer Fusions­anlage. „Diese kann nahezu unbegrenzt, sicher und sauber Strom im Gigawatt­bereich liefern sowie Industrie­wärme ohne die Risiken von Kernkraftwerken“, betont Roth. Um diesen „Durchbruch der Wissen­schaft“ weiterzu­entwickeln, sei die nächste Finanzierungs­runde auf 150 Millionen Euro angesetzt. „Sollten wir irgendwann mal so erfolgreich werden wie Google oder BioNTech, würde sich das auch für die TU Darmstadt auszahlen“, erklärt Roth. Dass dieses Szenario so unwahrscheinlich nicht ist, spiegelt das weltweite Interesse am Unternehmen mit Sitz in Darmstadt und den USA wider. Kürzlich sei das Team zu Gesprächen ins Weiße Haus und ins Kapitol eingeladen worden – zu Treffen mit einfluss­reichen Senatorinnen und Senatoren, erzählt Roth. „Sobald es gelingt, die Unterstützung großer Forschungs­labore und Unis mit der Geschwindigkeit und Flexibilität eines Start-ups zu verknüpfen, kommen wir erheblich schneller ans Ziel. Der Klima­wandel wartet schließlich nicht auf uns!“

Tanja Brühl - Präsidentin der TU Darmstadt.
© Katrin Binner Tanja Brühl - Präsidentin der TU Darmstadt.

Interview mit Tanja Brühl, Präsidentin der Technischen Universität Darmstadt

In welchen Bereichen ist die TU Darmstadt besonders forschungs­stark, wenn es um große Heraus­forderungen wie zum Beispiel Digita­lisierung, Klima­wandel und Energiewende geht?

Unsere Spitzen­forschung bündeln wir in den Feldern Information + Intelligence, Matter + Materials und Energy + Environment. In Verbund­projekten adressieren wir Themen wie KI, Synthetische Biologie oder Energie­speicherung. Mit interdiszi­plinärer Forschung stellen wir die Fragen von heute und generieren Ideen für morgen.

Inwiefern erfordern große Trans­formationen, wie wir sie gegenwärtig erleben, auch einen Wandel der Art und Weise, wie an TUs gelehrt und geforscht wird?

Neues entsteht durch lösungsorientierte und interdiszi­plinäre Zusammen­arbeit. Wir stärken Austausch und Vernetzung – mit Partnern vor Ort, in unserer europäischen Universitäts­allianz Unite! und weltweit. Innovative Lehr-Lern-Settings verbinden digitale Elemente und persönliche Inter­aktion neu. Als bestens vernetzte Universität wollen wir zukunfts­weisend kommunizieren.

Was wünschen Sie sich vonseiten der Politik, um als TU institu­tionell für die Heraus­forderungen der Zukunft besser aufgestellt zu sein?

Forschungsstarke Technische Universitäten treiben Innovations­öko­systeme voran. Ihre Förderung durch Land und Bund auszubauen, schafft Mehrwert für alle. Kooperationen zwischen Universi­täten brauchen gute rechtliche Rahmen­bedingungen – in Deutschland und vor allem für die Vernetzung in Europa. Neue (Förder-)Konzepte sollten mit den Universitäten gemeinsam entwickelt werden.

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