Ein Turbo für Ökonomie und Klimaschutz
Angesichts der Herausforderungen rund um den Klimawandel steigt auch in der Land- und Forstwirtschaft die Nachfrage nach akademischem Know-how. Ein Beispiel: Wie wahrscheinlich wird Spätfrost in den nächsten Jahrzehnten – und welche Anbauweisen und Nutzpflanzen eignen sich dafür? Oder: Was für Baumarten, die Trockenperioden widerstehen können, sollte man für die Aufforstung wählen?
Bei Fragen wie diesen verspricht eine neue optimierte Wettervorhersage mittels KI jetzt Abhilfe. Entwickelt wurde das Webportal BigData@Geo von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg in Kooperation mit 15 kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) aus der Region Unterfranken, die unmittelbar davon profitieren. Im Zentrum steht eine Art Klimaatlas, der anhand verschiedener Nutzungsszenarien Dürreperioden und Niederschlagsmengen präzise vorausberechnen kann. Die Technologie, die zur Risikominimierung und Planungssicherheit beitragen soll, beruht auf regionalen Erdsystemmodellen aus der Geografie, lokalen Sensor-Daten und der Nutzung von maschinellem Lernen. Dabei werden zur Ermittlung von Klimatrends unter anderem täglich deutschsprachige Tweets rund ums Wetter vollautomatisch ausgewertet.
Geteilte Infrastruktur als Nährboden für Innovation
BigData@Geo-Klimaatlas ist eines von 17 Vorhaben, deren Finanzierung mit rund 17,3 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) in der aktuellen Förderperiode bewilligt wurden. „futuRE-Lab“ ist der Name eines anderen EFRE-Projekts, das sich um den Aufbau eines Demonstrations-Centers rund um Virtual (VR) und Mixed (MR) Reality dreht. Kooperationspartner hier sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die auf Weiterbildung im Bereich der Digitalisierung angewiesen sind. Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, an den Forschungsinfrastrukturen der Campus Hochschulen OTH Regensburg und TH Deggendorf zu partizipieren. Förderziel aller 17 EFRE-Projekte ist, den Technologietransfer zwischen Hochschulen und KMU zu unterstützen und zu Innovationen anzuregen. In diesem Kontext sprach der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume von „Wissenschaft als Wirtschaftsturbo“: „Mit dem Transfer der wissenschaftlichen Exzellenz unserer Hochschulen in die Praxis stärken wir unsere Unternehmen in einer Zeit großer Transformationen im globalen Wettbewerb.“ Dass der Transfer-Aspekt politisch immer mehr Gehör findet, zeigte sich auch Anfang Februar in der Ankündigung der „Hightech Transfer Bayern“, die die Hightech Agenda Bayern um eine über 100 Millionen Euro teure Anwendungsstrategie ergänzt.
Deutschlandweit spielt die „Third Mission“ eine immer wichtigere Rolle, auch in der Medizin: Das Konzept, die Translation durch Industriekooperation, Lizenzierung und verstärkte Ausgründungen voranzubringen, verfolgen unter anderem das Berlin Institut of Health (BIH) und die Charité Berlin. Der Fokus des „Charité BIH Innovation (CBI)“ liegt auf digitaler Gesundheit bzw. der Annäherung digitaler Technologien an die Biomedizin und das Gesundheitswesen.
Es gibt immer mehr Start-ups an deutschen Hochschulen – trotz Corona
Dabei soll akademisches Know-how in neue Ansätze zur personalisierten Vorhersage, Prävention, Diagnostik und Therapie übertragen und umgekehrt neue Forschungsideen aus klinischen Beobachtungen entwickelt werden. Ziel ist ein „hochgradig kooperativer Arbeitsstil“, wie er beispielsweise vor Kurzem in einem neuen Gemeinschaftsprojekt mit israelischen Start-ups und medizinischen Partnereinrichtungen in den USA zum Tragen kam. Auch ein neues Leuchtturmprojekt der Charité mit dem Chemie- und Pharmakonzern Bayer ist diesem Anspruch verpflichtet. Gemeinsam bauen sie derzeit das bundesweit größte Zentrum für Translation im Bereich der Gen- und Zelltherapien auf, an dem neue Therapien für seltene Krankheiten entwickelt werden. Das Projekt hat 44 Millionen Euro aus Bundesmitteln erhalten.
Wichtige Protagonisten im Wissenstransfer sind darüber hinaus Forschungsverbünde wie das Biotechnologie-Kompetenzzentrum Rhein-Neckar (BioRN), das als BMBF-Spitzencluster gefördert wird. Dort arbeiten globale Pharmaunternehmen und führende akademische Institutionen unter anderem in den Bereichen Krebs und Immunologie eng zusammen. Als größte Forschungskooperation Europas auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz gilt das Cyber Valley in Stuttgart-Tübingen, das vom Land Baden-Württemberg gefördert wird. Daran beteiligt sind das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, die Universitäten Stuttgart und Tübingen, die Fraunhofer-Gesellschaft und die Carl-Zeiss-Stiftung – sowie große deutsche Unternehmen aus der Automobilbranche und auch Amazon. Im Jahr 2023 liegt dabei ein besonderer Fokus auf dem Wissenstransfer in Spin-offs und Start-ups, der in Stanford, Zürich und Harvard bereits sehr erfolgreich vorangetrieben wurde.
Aber auch an deutschen Hochschulen ist zuletzt die Zahl der Unternehmensgründungen angestiegen, ein wichtiges Indiz für Innovationsfähigkeit: So verzeichnete der Gründungsradar des Stifterverbands für 2021 rund 2.800 Start-ups, die von Studentinnen und Studenten an Unis und Fachhochschulen gegründet wurden. Das sind trotz der Pandemie rund 600 Gründungen mehr als im Jahr 2019.
Im Dienst der Klimawende: Entwicklung globaler Standards
Die Brücke zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung zu schlagen, zählt auch zu den Kernkompetenzen der Helmholtz-Gemeinschaft, einer der weltweit größten Wissenschaftsorganisationen. Um über die gemeinsame Nutzung von Großgeräten, Infrastruktur und Daten einen schnelleren Zugang zu Wissen zu ermöglichen, werden derzeit 40 Millionen Euro in drei neue Innovationsplattformen investiert – unter anderem im Bereich Maritime Wirtschaft. Das Projekt SOOP („Shaping an Ocean Of Possibilities“) ist eines der geförderten Projekte. Koordiniert am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel treffen hier zahlreiche Partner aus Industrie, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammen. Gemeinsam arbeiten sie im Dienst einer nachhaltigeren Nutzung des Ozeans an der Entwicklung neuer Messgeräte, die sich auch auf Kreuzfahrt- und Containerschiffen einbauen lassen. Hintergrund ist, dass es weltweit nicht nur an günstigen, skalierbaren und kompatiblen Messgeräten, sondern auch an einheitlichen Standards für Daten und Analysen mangelt.