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Ein Turbo für Ökonomie und Klima­schutz

26. April 2023
Ein Artikel von Studio ZX

Angesichts der Herausforderungen rund um den Klimawandel steigt auch in der Land- und Forst­wirtschaft die Nach­frage nach akademischem Know-how. Ein Beispiel: Wie wahr­scheinlich wird Spät­frost in den nächsten Jahr­zehnten – und welche Anbau­weisen und Nutz­pflanzen eignen sich dafür? Oder: Was für Baumarten, die Trocken­perioden wider­stehen können, sollte man für die Auf­forstung wählen?

von Kristina von Klot

Bei Fragen wie diesen verspricht eine neue optimierte Wettervorhersage mittels KI jetzt Abhilfe. Entwickelt wurde das Webportal BigData@Geo von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg in Kooperation mit 15 kleinen und mittel­ständischen Unternehmen (KMU) aus der Region Unter­franken, die unmittel­bar davon profitieren. Im Zentrum steht eine Art Klima­atlas, der anhand verschiedener Nutzungsszenarien Dürreperioden und Niederschlagsmengen präzise vorausberechnen kann. Die Technologie, die zur Risiko­minimierung und Planungs­sicherheit beitragen soll, beruht auf regionalen Erd­system­modellen aus der Geografie, lokalen Sensor-Daten und der Nutzung von maschinellem Lernen. Dabei werden zur Ermittlung von Klima­trends unter anderem täglich deutsch­sprachige Tweets rund ums Wetter voll­automatisch ausgewertet.

Geteilte Infrastruktur als Nährboden für Innovation

BigData@Geo-Klimaatlas ist eines von 17 Vorhaben, deren Finanzierung mit rund 17,3 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) in der aktuellen Förder­periode bewilligt wurden. „futuRE-Lab“ ist der Name eines anderen EFRE-Projekts, das sich um den Aufbau eines Demonstrations-Centers rund um Virtual (VR) und Mixed (MR) Reality dreht. Kooperations­partner hier sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die auf Weiter­bildung im Bereich der Digitalisierung angewiesen sind. Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, an den Forschungs­infra­strukturen der Campus Hochschulen OTH Regensburg und TH Deggendorf zu partizipieren. Förder­ziel aller 17 EFRE-Projekte ist, den Technologie­transfer zwischen Hochschulen und KMU zu unter­stützen und zu Innovationen anzuregen. In diesem Kontext sprach der bayerische Wissenschafts­minister Markus Blume von „Wissenschaft als Wirtschafts­turbo“: „Mit dem Transfer der wissenschaftlichen Exzellenz unserer Hochschulen in die Praxis stärken wir unsere Unternehmen in einer Zeit großer Transformationen im globalen Wettbewerb.“ Dass der Transfer-Aspekt politisch immer mehr Gehör findet, zeigte sich auch Anfang Februar in der Ankündigung der „Hightech Transfer Bayern“, die die Hightech Agenda Bayern um eine über 100 Millionen Euro teure Anwendungs­strategie ergänzt.

Deutschlandweit spielt die „Third Mission“ eine immer wichtigere Rolle, auch in der Medizin: Das Konzept, die Translation durch Industrie­kooperation, Lizenzierung und verstärkte Ausgründungen voran­zubringen, verfolgen unter anderem das Berlin Institut of Health (BIH) und die Charité Berlin. Der Fokus des „Charité BIH Innovation (CBI)“ liegt auf digitaler Gesundheit bzw. der Annäherung digitaler Technologien an die Biomedizin und das Gesundheits­wesen.

Wissenschaftlerin arbeitet mit einem Mikroskop in einem Labor
© Hero Images/iStock Kooperation als Schlüssel­kompetenz: Um den Wissens­transfer von der Theorie in die Praxis zu beschleunigen, spielt Kooperation in der angewandten Forschung eine zentrale Rolle. Wichtige Protagonisten sind neben den Hochschulen und Universitäten Forschungs­verbünde und die großen Wissenschafts­organisationen.

Es gibt immer mehr Start-ups an deutschen Hochschulen – trotz Corona

Dabei soll akademisches Know-how in neue Ansätze zur personalisierten Vorhersage, Prävention, Diagnostik und Therapie über­tragen und umgekehrt neue Forschungs­ideen aus klinischen Beobachtungen entwickelt werden. Ziel ist ein „hoch­gradig kooperativer Arbeits­stil“, wie er beispiels­weise vor Kurzem in einem neuen Gemeinschafts­projekt mit israelischen Start-ups und medizinischen Partner­einrichtungen in den USA zum Tragen kam. Auch ein neues Leucht­turm­projekt der Charité mit dem Chemie- und Pharma­konzern Bayer ist diesem Anspruch verpflichtet. Gemeinsam bauen sie derzeit das bundes­weit größte Zentrum für Translation im Bereich der Gen- und Zell­therapien auf, an dem neue Therapien für seltene Krankheiten entwickelt werden. Das Projekt hat 44 Millionen Euro aus Bundes­mitteln erhalten.

Wichtige Protagonisten im Wissens­transfer sind darüber hinaus Forschungs­verbünde wie das Biotechnologie-Kompetenz­zentrum Rhein-Neckar (BioRN), das als BMBF-Spitzen­cluster gefördert wird. Dort arbeiten globale Pharma­unternehmen und führende akademische Institutionen unter anderem in den Bereichen Krebs und Immunologie eng zusammen. Als größte Forschungs­kooperation Europas auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz gilt das Cyber Valley in Stuttgart-Tübingen, das vom Land Baden-Württemberg gefördert wird. Daran beteiligt sind das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, die Universitäten Stuttgart und Tübingen, die Fraunhofer-Gesellschaft und die Carl-Zeiss-Stiftung – sowie große deutsche Unternehmen aus der Automobil­branche und auch Amazon. Im Jahr 2023 liegt dabei ein besonderer Fokus auf dem Wissens­transfer in Spin-offs und Start-ups, der in Stanford, Zürich und Harvard bereits sehr erfolgreich voran­getrieben wurde.

Aber auch an deutschen Hochschulen ist zuletzt die Zahl der Unternehmens­gründungen angestiegen, ein wichtiges Indiz für Innovations­fähigkeit: So verzeichnete der Gründungsradar des Stifter­verbands für 2021 rund 2.800 Start-ups, die von Studentinnen und Studenten an Unis und Fach­hoch­schulen gegründet wurden. Das sind trotz der Pandemie rund 600 Gründungen mehr als im Jahr 2019.

Im Dienst der Klimawende: Entwicklung globaler Standards

Die Brücke zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung zu schlagen, zählt auch zu den Kern­kompetenzen der Helmholtz-Gemeinschaft, einer der weltweit größten Wissenschafts­organisationen. Um über die gemeinsame Nutzung von Groß­geräten, Infra­struktur und Daten einen schnelleren Zugang zu Wissen zu ermöglichen, werden derzeit 40 Millionen Euro in drei neue Innovations­platt­formen investiert – unter anderem im Bereich Maritime Wirtschaft. Das Projekt SOOP („Shaping an Ocean Of Possibilities“) ist eines der geförderten Projekte. Koordiniert am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozean­forschung Kiel treffen hier zahl­reiche Partner aus Industrie, Zivil­gesellschaft und Wissenschaft zusammen. Gemeinsam arbeiten sie im Dienst einer nach­haltigeren Nutzung des Ozeans an der Entwicklung neuer Mess­geräte, die sich auch auf Kreuzfahrt- und Container­schiffen einbauen lassen. Hinter­grund ist, dass es weltweit nicht nur an günstigen, skalierbaren und kompati­blen Messgeräten, sondern auch an einheitlichen Standards für Daten und Analysen mangelt.