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Wissenschaftler:innen arbeiten in einem Labor

Innovationslabor: So werden erneuerbare Energien gespeichert

13. Dezember 2023
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Ein Beitrag der Hochschule Flensburg

An der Hochschule Flensburg entsteht in den kommenden Jahren eine Forschungs- und Transferumgebung, in der verschiedene für die Region geeignete Speichertechnologien für erneuerbare Energien entwickelt, erprobt und schließlich in die praktische Anwendung überführt werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Hochschule wollen so die Akzeptanz in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik für die notwendigen Transfertechnologien der Energiewende stärken.

So viel ist klar: Eine erfolgreiche Energiewende braucht Speicher. Insbesondere in Regionen, in denen aus erneuerbaren Quellen mehr Energie erzeugt als verbraucht wird und weitergeleitet werden kann, ist Energiespeicherung von großer Bedeutung. Daher wundert es nicht, dass sich Forschende der Hochschule Flensburg dieses Themas angenommen haben. Im Projekt „Innovationslabor: Speicher zur Nutzung erneuerbarer Energien im echten Norden“ werden verschiedene Speichertechnologien entwickelt und erprobt – zu Land, zu Wasser und in der Luft.

Zu Land: Die zeitlich schwankende elektrische Energiebereitstellung aus Windkraft- oder Photovoltaikanlagen stellt die Netzinfrastruktur hinsichtlich ihrer Stabilität vor Herausforderungen. Immer weniger rotierende Massen, wie Turbinen in Kraftwerken, sorgen mit ihrer inhärenten Trägheit für den kurzfristigen Ausgleich von Frequenzschwankungen im Netz. Clemens Jauch hat die Lösung: Ein Gerät, das schon am Netz angeschlossen ist – ein Lüfter, eine Pumpe –, wird um einen Energiespeicher erweitert. „Der nimmt überschüssige Energie aus dem Netz auf und speist sie bei Frequenzabfall wieder ein“, erklärt der Professor für Windenergietechnik. Dazu hat Jauch ein hydraulisches Schwungrad mit variablem Massenträgheitsmoment entwickelt – und patentieren lassen. Das Prinzip: Mittels Flüssigkeit und komprimiertem Gas wird über einen Drehzahlabfall Energie freigesetzt und ins Netz eingespeist. Ein weiterer Vorteil liegt auch im geringen Verschleiß: Es werden keine beweglichen Bauteile verwendet. Die Materialien sind zudem weder rar noch umweltschädlich. „Wir brauchen keine seltenen Erden oder Ähnliches“, so Jauch, der nun verschiedene Demonstratoren entwickelt, um die Technik in Wirtschaft und Gesellschaft zu bringen.

Die Hochschule Flensburg erarbeitet mit Partnern aus Gesellschaft und Wirtschaft konkrete Lösungen für den existierenden Bedarf an Energiespeichertechnologien, die mithilfe geeigneter Transfermethoden in die Praxis überführt werden.
© Hochschule Flensburg Die Hochschule Flensburg erarbeitet mit Partnern aus Gesellschaft und Wirtschaft konkrete Lösungen für den existierenden Bedarf an Energiespeichertechnologien, die mithilfe geeigneter Transfermethoden in die Praxis überführt werden.

Zu Wasser: Energiespeicher sind aus Sicht von Michael Thiemke auch Kraftstoffe. Der Professor für Verbrennungs­kraft­maschinen denkt dabei an Ammoniak: „Es kann absehbar eine Lösung für den Antrieb in der Schifffahrt sein.“ Denn Ammoniak emittiert bei der Verbrennung kein CO2 und ist als synthetisch erzeugter Kraftstoff leichter herstellbar als Kohlen­wasser­stoff. Voraussetzung für Nachhaltigkeit ist hierbei natürlich die Verwendung erneuerbarer Energien. Allerdings weist die chemische Verbindung Nachteile und technische Heraus­forderungen auf. Aufgrund seiner Energie­dichte etwa stellt die Verbrennung von Ammoniak die Bevorratung auf kleineren Schiffen vor Probleme. Zudem ist Ammoniak ausgesprochen giftig und kann bei Verbrennung geringe Mengen an Lachgas bilden, was der Idee eines klima­neutralen Kraft­stoffes entgegen­steht. Wie ein umweltsicheres Gesamt­system aussieht, um die Vorteile zu nutzen und die Nachteile zu begrenzen, ist Ziel von Thiemkes Forschung. Dabei will er die Gesellschaft ins Boot holen, will aufzeigen, dass es nicht die eine einfache Lösung gibt, sondern best­mögliche Ergebnisse für bestimmte Bereiche: „Für die Schiff­fahrt kann das in Teil­bereichen Ammoniak sein. Das gilt es ergebnis­offen zu prüfen.“

Transparenz: Sie schafft Augen­höhe zwischen Akteuren und führt zu breit akzeptierten Lösungen

Die Transparenz, die bei Thiemke mitschwingt, ist zentraler Ansatzpunkt bei Ilja Tuschy. „Nur transparente Lösungen, die verschiedene Akteure gemeinsam tragen, sind gute Lösungen“, sagt der Professor für Energie­technik. Er hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Wärmewende – also der Erzeugung von Wärme durch erneuerbare Energien – befasst. Die Forschung hat für Speicher in Wärmenetzen viele Open-Source-Planungs­werkzeuge hervor­gebracht. Die sollen nun der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. „Wir passen die Experten-Tools so an, dass Menschen, die sich mit Fragen der Wärme­speicherung oder der Gestaltung des Wärme­netzes befassen, sie leichter nutzen können“, erklärt Tuschy. So können alle am Entscheidungs­prozess Beteiligten – Bürger, Planer, Politiker – auf Augenhöhe breit akzeptierte Lösungen finden. Tuschy hofft, dass so schneller und besser getroffene Entscheidungen die Wärmewende in der Breite beschleunigen.

In der Luft: Wiktoria Vith möchte CO2 aus Abgasen ziehen und chemisch speichern. Wo Verbrennungs­abgase entstehen, etwa bei der Energie­produktion oder perspektivisch auf Schiffen, soll CO2 isoliert und als eine Salz­lösung vorüber­gehend gebunden werden. Dadurch ist es stabil und leicht zu transportieren. „Wir haben einen chemischen Speicher, bevor daraus CO2 abgetrennt und zur weiteren Energie­herstellung genutzt wird“, erklärt die Professorin für Verfahrens­technik. So wird das CO2 in einem zweiten Schritt in einem Elektrolyseur behandelt – und es entsteht Wasserstoff, der sofort genutzt werden kann. „Das ist ein großer Benefit“, sagt Vith. Gleichsam ein Payback für die viele Energie, freilich grüne Energie, die ein Elektrolyseur benötigt. Das übrige Gemisch eignet sich nach weiteren Behandlungen zur Herstellung von E-Fuels. Dieser Schritt ist allerdings nicht Teil des Projekts. Vith geht es darum, den Prozess in einem Scrubber zu skalieren, mögliche Hindernisse zu identifizieren. Dort, wo im kleineren Rahmen Abgase mit CO2 entstehen, kann sich Vith den Einsatz der kostspieligen Anlagen vorstellen. Denn wenn der CO2-Preis steigt, mache es Sinn, Geld in CO2-capture -Technik zu investieren.

Akzeptanz: Die Gesellschaft soll bei Entscheidungen über Energie­speicher mitdiskutieren

Die Forschenden der Hochschule beschäftigen sich mit der Erprobung unterschiedlicher Speicher­technologien. Am Ende eint alle, diese für die praktische Anwendung vorzubereiten. Aber auch in die Gesellschaft mit ihren unter­schiedlichen, konträr handelnden Akteuren tragen Thiemke, Jauch, Vith und Tuschy ihre Erkenntnisse. „Wir wollen ein gesellschaftlich offenes Umfeld errichten, in dem die richtigen Entwicklungs­entscheidungen zur Schaffung von Energie­speichern diskutiert und vorbereitet werden können“, erklärt Projekt­leiterin Heike Bille. „Hierdurch lässt sich eine zentrale und aktuelle gesellschaftliche Herausforderung adressieren und für die notwendigen Transformations­technologien die Akzeptanz in der Gesellschaft und der Wirtschaft gewinnen beziehungs­weise steigern. So leisten wir einen erheblichen Beitrag zum Gelingen der Energie­wende.“

Inno!Nord

Das Projekt „Innovationslabor: Speicher zur Nutzung erneuerbarer Energien im echten Norden“ (Inno!Nord) der Hochschule Flensburg ist eines von 12 bundesweit durch die T!Rraum-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderten Vorhaben. T!Raum ermöglicht Hochschulen die Entwicklung und Erprobung neuartiger Transferinstrumente. Neben forschungsbasierten Werkstattprojekten beinhaltet das Vorhaben ein zentrales Lenkungsprojekt mit dem Ziel der Etablierung neuer, innovativer Transfermethoden zur regionalen Strukturstärkung.

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Projektpartner*innen sind die FSG-Nobiskrug Design GmbH, Flensburg, die GreenTEC Campus GmbH, Nordfriesland und der Phänomenta e.V., Flensburg.