Von CO2-freier Glasproduktion bis zur kreislauffähigen E-Fahrzeug-Plattform
Ob es um die Digitalisierung, den Umgang mit Flüchtlingsströmen oder die Folgen der globalen Klimaerwärmung geht, vor denen auch im jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC erneut mit Nachdruck gewarnt wird: Angesichts drängender Zukunftsfragen des 21. Jahrhunderts steht auch die Wissenschaft vor der Frage, welchen Beitrag sie leisten kann.
Ein Beitrag aus dem Themenschwerpunkt „Zukunftsfragen der Forschung“.
Die „Hightech-Strategie 2025“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) spiegelt wider, worauf sich Deutschland in sechs großen Themenfeldern verpflichtet hat: „Gesundheit und Pflege“, „Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energie“ sowie „Mobilität“ gehören ebenso dazu wie „Stadt und Land“, „Sicherheit“ und „Wirtschaft und Arbeit 4.0“. Dabei formuliert das BMBF zwölf Missionen, die von intelligenter Medizin über nachhaltige Kreislaufwirtschaft und dem Erhalt der biologischen Vielfalt bis zum Aufbau einer treibhausgasneutralen Industrie reichen. Als besonders energieintensiv gelten die Bereiche Stahl, Chemie, Zement, Kalk und Nichteisenmetalle. Allein die deutsche Glasindustrie war 2020 für rund 3,9 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verantwortlich. Um zu Transformationen anzustoßen, wurde das Förderprogramm „Dekarbonisierung in der Industrie“ aufgelegt.
Made in Germany: Pilotanlage für eine weitgehend CO2-freie Glasproduktion
Davon profitiert auch das Projekt „PLANET 1“ der Schott AG, die als weltweit führender Anbieter von Spezialgläsern gilt, die für Kochfelder, aber auch für Fassadenbekleidung und Weltraumsatellitenspiegel eingesetzt werden. Die Kernfrage, wie sich die Glasindustrie bis 2045 treibhausgasneutral umgestalten lässt, beantwortet Schott mit der Entwicklung einer Pilotanlage für eine weitgehend CO2-freie Produktion von Aluminosilikatglas.
Ein zentrales Instrument der Hightech-Strategie 2025 ist die Förderung von Spitzenforschung im Cluster4Future-Programm. Ziel ist der Ausbau regionaler Innovationsnetzwerke, die das Potenzial haben, sich zu einem „Silicon Valley“ von morgen zu entwickeln – ein Anspruch, dem sich auch die Zukunftscluster-Finalisten der zweiten Wettbewerbsrunde stellen: Im Projekt SENSORITHM Rhein-Main geht es um selbstlernende Sensorsysteme in Industrieanlagen, die eine ökologische Begleitforschung der Windenergie ermöglichen: Dazu arbeiten unter anderem die Johann Wolfgang-Goethe-Universität, die TU Darmstadt und das Institut für Tierökologie und Naturbildung an intelligenten Frühwarnsystemen für Vögel und Fledermäuse.
Einer lebenserhaltenden Ressource, die immer knapper wird, widmet sich das Thüringer Wasser- und InnovationsCluster (ThWIC) der Friedrich-Schiller-Universität Jena, des Fraunhofer Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS und der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Im Fokus stehen die Untersuchung der Wasserqualität mit photonischen und digitalen Methoden und die Folgen des Wasserverbrauchs auf die Biosphäre.
Das Cluster CNATM (Cluster for Nucleic Acid Therapeutics Munich) der Fakultät für Chemie und Pharmazie an der Ludwig-Maximilians-Universität München beschäftigt sich mit einer neuen Substanzklasse, die Behandlungserfolge bei schwer therapierbaren Krankheiten verspricht: Auf der Basis von Nukleinsäuren werden dort Medikamente und Vakzine einer nächsten Generation entwickelt.
Gesucht: Geschäftsmodelle rund um den verlängerten Nutzen von Elektronikgeräten
Im BMBF-Forschungsprogramm „Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft – innovative Produktkreisläufe (ReziProK)“ stehen Technologien, Designkonzepte und Geschäftsmodelle rund um Nachhaltigkeit im Zentrum. Weil auch der Automobilbau sehr energie- und ressourcenintensiv ist, widmet sich das Projekt KOSEL einem kreislaufgerechten Open-Source-Baukasten für elektrisch angetriebene Pool-Fahrzeuge. Ziel ist eine längere Lebensdauer mittels korrosions- und ermüdungsarmer Werkstoffe wie Faser-Kunststoff-Verbunde. Unter dem Titel „EffizientNutzen“ werden datenbasierte Geschäftsmodelle erarbeitet, die eine verlängerte Nutzung von Elektronikprodukten durch Reparaturen sowie Refurbishing- und Remanufacturing-Ansätze ermöglichen. Um unternehmerische Konzepte für massentaugliche Verleihmodelle in der Textilbranche schließlich dreht sich „Wear2Share“: Weil besonders Kinder- und modische Damenkleidung nicht lange getragen wird, soll in diesem Rahmen neue, langlebigere Kleidung entwickelt und entworfen werden.