Von Mikroben und Menschen
AnzeigeInteraktionen mit Mikroorganismen wie Bakterien und Viren sind für die Gesundheit von Menschen extrem wichtig. An der Hochschule Furtwangen werden sie daher intensiv erforscht.
Jeder gesunde Mensch beherbergt die unglaubliche Anzahl von 10 Billionen Mikroorganismen. Heute weiß man: dieses sogenannte humane Mikrobiom ist für Wohlbefinden und Gesundheit des Menschen von überragender Bedeutung. Die meisten Mikroorganismen besiedeln dabei den Verdauungstrakt, v.a. den Dickdarm. Aber auch Mund, Geschlechtsorgane und Haut zeigen eine dichte und vielfältige mikrobielle Gemeinschaft. Viele Erkrankungen gehen mit Veränderungen in der Zusammensetzung und Aktivität des Mikrobioms einher. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten, Krankheiten zu diagnostizieren oder auch zu therapieren.
„Humane Mikrobiomforschung gehört zum Spannendsten, was die moderne Biologie in den letzten Jahrzehnten zu bieten hatte“, so Prof. Dr. Markus Egert vom Institute of Precision Medicine der HFU am Campus Villingen-Schwenningen.
Die mikrobiellen Gemeinschaften werden dabei zum einen mit klassischen kulturellen Methoden untersucht, wie sie von Robert Koch bereits vor gut 150 Jahren etabliert wurden. Da sich ein Großteil aller Mikroorganismen bislang aber nicht kultivieren lässt, erfolgen die Analysen auch mit modernsten molekularbiologischen Methoden, wie z.B. der Hochdurchsatzsequenzierung von Nukleinsäuren. Dabei werden Mikroorganismen und ihre Aktivitäten nur anhand ihrer DNA und RNA untersucht.
In einem kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekt konnte gezeigt werden, dass sich die mikrobiellen Gemeinschaften von Bakterien und Pilzen in Stuhlproben von Patienten mit Morbus Parkinson signifikant von denen gesunder Menschen unterscheiden. Die Patienten zeigten dabei einen Mangel an Bakterien, die als neuroprotektiv gelten und Entzündungen vorbeugen; gleichzeitig gab es mehr Bakterien, die Entzündungsprozesse fördern können.
„Unsere Ergebnisse können als Grundlage für eine frühzeitigere Diagnose von Morbus Parkinson dienen. Therapeutisch könnte man weiterhin versuchen, die Darmmikrobiota der Patient:innen durch den Einsatz förderlicher, probiotischer Bakterien wieder ins Gleichgewicht zu bringen, um typischen Parkinson-Symptomen wie Verstopfung vorzubeugen“, fasst Prof. Egert die Arbeiten zusammen.
Weitere Projekte der AG Egert drehen sich um den Einfluss von Kosmetika auf das Haut-Mikrobiom oder um die Suche nach neuen Wirkstoffen, die das Mundhöhlen-Mikrobiom so verändern, dass es weniger Karies verursacht.
Neben dem Mikrobiom des menschlichen Körpers interessiert sich die AG von Prof. Egert auch für das Mikrobiom von weit verbreiteten Gebrauchsgegenständen, wie z.B. Küchenspülschwämmen, Brillen oder Waschmaschinen. In diesen Arbeiten, die alle stark von der Industrie unterstützt werden, geht es darum, Zusammensetzung und Aktivität der mikrobiellen Gemeinschaften in und auf den Gegenständen zu analysieren, um anschließend ihre Bedeutung für menschliche Gesundheit und Wohlbefinden kritisch zu bewerten. Außerdem können so Maßnahmen definiert werden, diese Gemeinschaften zum Wohle des Menschen zu verändern.
In einer weltweit beachteten Studie wurde mit molekularbiologischen Techniken gezeigt, dass gebrauchte Küchenspülschwämme von bis zu 54 Milliarden aktiven Bakterien pro Kubikzentimeter besiedelt sind. Eine beliebte Methode, solche Schwämme zu hygienisieren, ist die Mikrowellenbehandlung. Kurzfristig ist diese auch erfolgreich und reduziert den Keimgehalt um einige Zehnerpotenzen; auf längere Sicht selektiert eine regelmäßige Mikrowellenbehandlung aber vermutlich Bakterien mit ungewünschten Eigenschaften. So enthielten regelmäßig gereinigte Schwämme höhere Anteile potentiell pathogener Bakterien.
„Für die Reinigung von Geschirr sind Schwämme daher aus hygienischen Gründen nicht wirklich zu empfehlen. Bürsten sind eindeutig die bessere Alternative“, rät Prof. Egert.
Mikrobiologie ist eine hochmoderne Wissenschaft, die sowohl spannende Grundlagenforschung als auch sehr praktische Aspekte zu bieten hat. Sie ist für viele Anwendungsfelder wie Medizin, Gesundheit, Biotechnologie oder Qualitätskontrolle höchst relevant. Mikrobiologische Inhalte und Techniken werden den Studierenden daher gleich in mehreren HFU-Studiengängen intensiv vermittelt. Hygiene und medizinische Mikrobiologie sind zentrale Inhalte des Bachelor-Studiengangs „Molekulare und Technische Medizin“; die biotechnologische Nutzung von Mikroorganismen ist Gegenstand der „Angewandten Biologie“ (Bachelor). Im englischsprachigen Master-Studiengang „Precision Medicine Diagnostics“ wiederum stehen die vielfältigen diagnostischen Methoden zum Nachweis von Mikroorganismen und der Analyse mikrobieller Gemeinschaften im Vordergrund.