ZEIT für X
Isolierte Mikroorganismen auf Agarplatten. Die Kultivierung und Identifizierung von Mikroorganismen ist ein wichtiger Bestandteil mikrobiologischer Forschung an der HFU.

Von Mikroben und Menschen

21. September 2023
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Ein Artikel der Hochschule Furtwangen

Interaktionen mit Mikroorganismen wie Bakterien und Viren sind für die Gesundheit von Menschen extrem wichtig. An der Hochschule Furtwangen werden sie daher intensiv erforscht.

Jeder gesunde Mensch beherbergt die unglaubliche Anzahl von 10 Billionen Mikro­organismen. Heute weiß man: dieses sogenannte humane Mikrobiom ist für Wohl­befinden und Gesundheit des Menschen von überragender Bedeutung. Die meisten Mikro­organismen besiedeln dabei den Verdauungs­trakt, v.a. den Dickdarm. Aber auch Mund, Geschlechts­organe und Haut zeigen eine dichte und viel­fältige mikrobielle Gemeinschaft. Viele Erkrankungen gehen mit Veränderungen in der Zusammen­setzung und Aktivität des Mikrobioms einher. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten, Krankheiten zu diagnostizieren oder auch zu therapieren.

„Humane Mikrobiom­forschung gehört zum Spannendsten, was die moderne Biologie in den letzten Jahrzehnten zu bieten hatte“, so Prof. Dr. Markus Egert vom Institute of Precision Medicine der HFU am Campus Villingen-Schwenningen.

Die mikrobiellen Gemeinschaften werden dabei zum einen mit klassischen kulturellen Methoden untersucht, wie sie von Robert Koch bereits vor gut 150 Jahren etabliert wurden. Da sich ein Großteil aller Mikro­organismen bislang aber nicht kultivieren lässt, erfolgen die Analysen auch mit modernsten molekular­biologischen Methoden, wie z.B. der Hoch­durch­satz­sequenzierung von Nuklein­säuren. Dabei werden Mikro­organismen und ihre Aktivitäten nur anhand ihrer DNA und RNA untersucht.

Vorbereitung von mikrobiellen DNA-Proben für eine Analyse auf dem Hochdurchsatz-Sequenzierer.
© Hochschule Furtwangen, Silicya Roth Vorbereitung von mikrobiellen DNA-Proben für eine Analyse auf dem Hochdurchsatz-Sequenzierer.

In einem kürzlich abgeschlossenen Forschungs­projekt konnte gezeigt werden, dass sich die mikrobiellen Gemeinschaften von Bakterien und Pilzen in Stuhl­proben von Patienten mit Morbus Parkinson signifikant von denen gesunder Menschen unter­scheiden. Die Patienten zeigten dabei einen Mangel an Bakterien, die als neuroprotektiv gelten und Entzündungen vorbeugen; gleichzeitig gab es mehr Bakterien, die Entzündungsprozesse fördern können.

„Unsere Ergebnisse können als Grundlage für eine frühzeitigere Diagnose von Morbus Parkinson dienen. Therapeutisch könnte man weiterhin versuchen, die Darmmikrobiota der Patient:innen durch den Einsatz förderlicher, probiotischer Bakterien wieder ins Gleichgewicht zu bringen, um typischen Parkinson-Symptomen wie Verstopfung vorzubeugen“, fasst Prof. Egert die Arbeiten zusammen.

Weitere Projekte der AG Egert drehen sich um den Einfluss von Kosmetika auf das Haut-Mikrobiom oder um die Suche nach neuen Wirkstoffen, die das Mundhöhlen-Mikrobiom so verändern, dass es weniger Karies verursacht.

Neben dem Mikrobiom des menschlichen Körpers interessiert sich die AG von Prof. Egert auch für das Mikrobiom von weit verbreiteten Gebrauchs­gegen­ständen, wie z.B. Küchen­spül­schwämmen, Brillen oder Wasch­maschinen. In diesen Arbeiten, die alle stark von der Industrie unterstützt werden, geht es darum, Zusammensetzung und Aktivität der mikrobiellen Gemeinschaften in und auf den Gegenständen zu analysieren, um anschließend ihre Bedeutung für menschliche Gesundheit und Wohlbefinden kritisch zu bewerten. Außerdem können so Maßnahmen definiert werden, diese Gemeinschaften zum Wohle des Menschen zu verändern.

Bakterien (rote Kugeln) in einem Stück Küchenschwamm (türkis). Es ergibt sich eine Konzentration von 54 Milliarden Bakterien pro Kubikzentimeter Schwamm.
Bakterien (rote Kugeln) in einem Stück Küchenschwamm (türkis). Es ergibt sich eine Konzentration von 54 Milliarden Bakterien pro Kubikzentimeter Schwamm. Bild aus Cardinale et al.

In einer weltweit beachteten Studie wurde mit molekular­biologischen Techniken gezeigt, dass gebrauchte Küchen­spül­schwämme von bis zu 54 Milliarden aktiven Bakterien pro Kubik­zentimeter besiedelt sind. Eine beliebte Methode, solche Schwämme zu hygienisieren, ist die Mikro­wellen­behandlung. Kurz­fristig ist diese auch erfolg­reich und reduziert den Keimgehalt um einige Zehner­potenzen; auf längere Sicht selektiert eine regelmäßige Mikro­wellen­behandlung aber vermutlich Bakterien mit ungewünschten Eigenschaften. So enthielten regelmäßig gereinigte Schwämme höhere Anteile potentiell pathogener Bakterien.

„Für die Reinigung von Geschirr sind Schwämme daher aus hygienischen Gründen nicht wirklich zu empfehlen. Bürsten sind eindeutig die bessere Alternative“, rät Prof. Egert.

Mikrobiologie ist eine hochmoderne Wissenschaft, die sowohl spannende Grund­lagen­forschung als auch sehr praktische Aspekte zu bieten hat. Sie ist für viele Anwendungs­felder wie Medizin, Gesundheit, Biotechnologie oder Qualitäts­kontrolle höchst relevant. Mikro­biologische Inhalte und Techniken werden den Studierenden daher gleich in mehreren HFU-Studien­gängen intensiv vermittelt. Hygiene und medizinische Mikro­biologie sind zentrale Inhalte des Bachelor-Studiengangs „Molekulare und Technische Medizin“; die biotechnologische Nutzung von Mikro­organismen ist Gegenstand der „Angewandten Biologie“ (Bachelor). Im englischsprachigen Master-Studiengang „Precision Medicine Diagnostics“ wiederum stehen die viel­fältigen diagnostischen Methoden zum Nachweis von Mikro­organismen und der Analyse mikrobieller Gemeinschaften im Vordergrund.