ZEIT für X
Camper unter Sternenhimmel

Wünsche und Hoffnungen

07. Dezember 2022
Ein Artikel von Studio ZX.

Der wissenschaftliche Fortschritt ist rasant. Auch im Jahr 2023 wird es neue Durch­brüche geben. Das hoffen und wünschen sich die Kolleg:innen vom Studio ZX.

von Nataša Ivaković, Studio ZX

Klimakrise, Coronapandemie, Welternährung in Zeiten von Dürren, Über­flutungen und Kriegen: Akute globale Heraus­forderungen erfordern schnelles Handeln auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen. Dabei spielen neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft eine wesentliche Rolle. Wir haben uns gefragt, welche Aufgaben für uns von zentraler Bedeutung sind. Das sind unsere ganz persönlichen Wünsche an die Wissenschaft.

Teilhabe an medizinischem Fortschritt stärken. Von Luca Pot d’Or

Spätestens die Corona­krise hat gezeigt: Medizinischer Fortschritt kommt nicht überall auf der Welt an. Zu Beginn der Pandemie horteten die westlichen Länder Impf­stoffe, dann verweigerten die Hersteller der Vakzine die Freigabe ihrer Patente. Dafür mag es Gründe geben, doch es bleibt fest­zuhalten: Während zwei Jahre nach der Pandemie in Deutschland schon fleißig geboostert wird, läuft die Impf­stoff­produktion in Afrika beispiels­weise gerade erst an. BioNTech und Moderna planen oder haben bereits Produktions­stätten auf dem Kontinent. Mit Afrigen steht zudem ein süd­afrikanischer Hersteller in den Start­löchern. Doch all das kommt mit Blick auf den Pandemie­verlauf sehr spät. In Kamerun sind nicht einmal fünf Prozent der Bevölkerung voll­ständig gegen COVID-19 geimpft. In Burundi sind es nur 0,2 Prozent. Das zeigt mir: Im Zweifel steht die Welt doch nicht so eng zusammen, wie vorher oft beschworen. Ich wünsche mir, dass wir aus dieser Ungerechtigkeit lernen und Fortschritt nur dann als Fortschritt begreifen, wenn wirklich alle Menschen weltweit davon profitieren können.

Digitalisierung verändert unser Gehirn. Und was nun? Von Gunda Windmüller

Wir alle nutzen im Alltag und bei der Arbeit mittler­weile eine ganze Fülle von digitalen Technologien. Erste wissen­schaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass digitale Medien das Gehirn und seine Funktions­weise verändern. Dazu möchte ich mehr von der Forschung erfahren! Wie passt sich das Gehirn in jedem Alter an die Nutzung digitaler Technologien an, was sind hier die Mechanismen und kausalen Zusammen­hänge? Und was die negativen und positiven Einflüsse auf das Gehirn? Ich würde mir außerdem wünschen, dass solche Erkenntnisse bei den Unternehmen ankommen, damit wir die Art und Weise, wie wir arbeiten, entsprechend anpassen können. Wie wir digitale Technologien nutzen, hat schließlich nicht nur Auswirkungen auf unser Wohl­befinden, sondern auch auf unsere kognitiven Fähigkeiten. Denn wer weiß: Vielleicht könnten wir anders viel effizienter und ausgeruhter arbeiten?

Mein Wunsch FÜR die Wissenschaft. Von Kristina Kara

Der Wissenschaft kommt in der Klimakrise eine Schlüssel­rolle zu. In gleich vier Bereichen ist sie maßgeblich involviert: Mit Daten und Fakten kann sie das Bewusst­sein für einen sich verändernden Planeten in der Gesellschaft fördern. Denn dank wissenschaftlicher Analysen in der Vergangenheit wissen wir, was bei Klima­veränderungen geschieht. Und anhand profunder Prognosen kann Wissenschaft antizipieren, welche Veränderungen uns ereilen könnten. Zugleich ist sie dafür verantwortlich, bereits entstandene und bevor­stehende Schäden zu messen, ein­zu­ordnen und dadurch sichtbar zu machen. Sie gibt Parameter vor, die uns die Auswirkungen des Klima­wandels begreifen lassen. Hinsichtlich der Lösungen für die vielen Heraus­forderungen, die mit der sich erhitzenden Erde einhergehen, ruhen große Hoffnungen auf der Forschung. Sie kann beurteilen, ob Carbon Capture and Storage, grüner Wasser­stoff & Co. die Lösungen von morgen sind. Kurzum: Ohne bahn­brechende wissenschaftliche Entdeckungen entwickelt sich unsere Welt nicht weiter. Vor diesem Hinter­grund wünsche ich mir nicht von, sondern für die Wissenschaft, dass sie in unserer Gesellschaft und vor allem bei politischen Entscheidungen mehr Gehör und Gewicht findet. Nur so haben wir die Chance, dass die Weichen für eine lebens­werte Zukunft richtig gestellt werden.

Für ein Leben ohne Krebs. Von Nataša Ivaković

In den Jahren 2017/18 lebten laut dem Zentrum für Krebs­register­daten rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland mit einer Krebs­erkrankung. Vor dem Hintergrund, dass wir Menschen heute im Durch­schnitt viel älter als noch vor 20 Jahren werden, das Bewusst­sein für Vorsorge und Früh­erkennung wächst sowie stetig neue Therapien entwickelt werden, geht die Krebs­sterblichkeit in Deutschland seit Jahren zurück. Die WHO aber warnt davor, dass sich Krebs­erkrankungen welt­weit bis 2040 verdoppeln werden. Und nach Angaben des Robert Koch-Instituts erkrankt in Deutschland fast jede:r Zweite im Laufe ihres oder seines Lebens an Krebs: Bei Frauen liegt das Risiko bei 43 Prozent, bei Männern etwas höher, nämlich bei 48 Prozent. Das macht mir Angst. In dieser Angst keimt aber auch Hoffnung auf: Es wird viel geforscht, damit es eine bessere Prävention und Früh­erkennung verschiedener Krebs­erkrankungen gibt. Die Präzisions­medizin profitiert von den großen Fortschritten auf dem Gebiet der Mole­kular­diagnostik. Immun­therapien könnten den Krebs bekämpfen – mit weniger schwer­wiegenden Nebenwirkungen als es bei einer Chemotherapie der Fall ist. Neue Krebs­medikamente der forschenden Pharma-Unternehmen dürften die Zahl der Krebs­toten immer weiter senken. Hoffnung macht auch, dass Pioniere wie BioNTech es bald schaffen könnten, Impfstoffe zu entwickeln, die bestimmte Krebsarten gar nicht erst entstehen lassen.

Technologischen Einfluss auf Demokratie verstehen. Von Stella Pfeifer

Immer mehr Wähler:innen nutzen soziale Netzwerke als Newsportale – von ihnen beziehen sie ihre Informationen, von ihnen werden sie beeinflusst. Immer wieder kommt es auf Social Media aber auch zu gezielten Desinformationen. Politische Parteien und politische Akteur:innen spielen gekaufte Werbung aus, die bestimmten Gruppen via Micro­targeting gezeigt wird, die wiederum für bestimmte politische Themen empfänglich sind. So steigt das Mani­pulations­risiko. Die Verantwortung dafür wird den großen Playern zugeschrieben: Meta, Twitter oder TikTok. Und ja, die Verantwortung tragen sie zu Recht, denn sie haben eine große Reichweite und damit Macht. Aber wie ist hier der Stand der Forschung? Welche Rolle spielen Algorithmen? Welche Regulationen wären sinnvoll, welche eher kritisch zu sehen? Und kommen wir den Entwicklungen überhaupt noch hinter­her? Um zu verstehen, was geschieht, muss all das erklärt werden. Hier sind Wissenschaftler:innen gefragt. Sie müssen Methoden und Modelle entwickeln und damit Wissen vermitteln und aufklären. Ich wünsche mir, dass dafür Allianzen gebildet werden aus Forschung, Wirtschaft und Medien. Damit vielleicht sogar verhindert werden kann, dass Menschen Inhalte konsumieren, die faktisch falsch oder unvollständig sind, ohne dass sie es merken. Technologie und Demokratie – damit stehen wir erst ganz am Anfang. Und das Potenzial ist groß: Die Protest­welle im Iran wäre ohne die sozialen Netzwerke kaum denkbar gewesen.