Chemisches Recycling – „Wir schließen den Kreis“
AnzeigeKunststoffe sind schlecht für das Klima und die Umwelt – weil viel zu viel davon produziert und viel zu wenig wiederverwertet wird. Eine Lösung könnte das chemische Recycling sein.
Kaum einen Wertstoff verwenden wir im Alltag so häufig wie Kunststoff – und kaum einer ist so umstritten. Kunststoffe sind formbar, leicht, strapazierfähig und weitestgehend resistent gegen Hitze und Licht. Das macht sie zum idealen Material für Verpackungen. Sie bringen jedoch offensichtliche Nachteile mit sich: Für die Produktion braucht es klimaschädliches Rohöl. Und in vielen Fällen sind Kunststoffprodukte nicht oder nur in geringem Maße wiederverwertbar.
Ansätze, um die Menge an produzierten Kunststoffen zu reduzieren, gibt es zahlreiche. Dabei geht es vor allem um Materialreduzierung, etwa durch alternative Rohstoffe, eine bessere Recyclingfähigkeit oder eine leistungsfähige Kreislaufwirtschaft. Die Idee: Wenn produzierte Kunststoffe nach der Verwendung nicht weggeschmissen, sondern anschließend wieder aufbereitet und verarbeitet werden, entsteht ein Kreislauf, der Material und dadurch Kosten einspart und letztendlich in hohem Maße der Umwelt zuträglich ist. Das kann zum Beispiel durch mechanisches Recycling geschehen. Dabei werden Kunst- und andere Wertstoffe in Entsorgungsanlagen sortiert und anschließend wieder zu Sekundärrohstoffen weiterverarbeitet.
Ressourcen sparen durch mehr Recycling
Bei Mehrschichtfolien oder stark verschmutzten Kunststoffen kommt das mechanische Recycling jedoch an seine Grenzen. Wie die Zentrale Stelle Verpackungsregister Ende 2022 bekannt gab, wurde im Jahr 2021 eine werkstoffliche Recyclingquote von 65,5 Prozent erreicht. Der Rest wird thermisch verwertet, das heißt: verbrannt. „Jede Tonne verbrannter Kunststoff, die wir einsparen, reduziert die Belastung der Atmosphäre um rund 2,5 Tonnen CO2“, erklärt Johannes Remmele. Er ist Unternehmer und Eigentümer der Südpack Holding, eines Herstellers von High-Performance-Verpackungsfolien, und kennt sich aus mit Kunststoffen und ihren Folgen: „Wir wissen um den schlechten Ruf von Kunststoff, wenn es um die Umwelt geht. Doch wir wissen auch: Kunststoffe können wir bei medizinischen oder Lebensmittelverpackungen auf absehbare Zeit nicht ersetzen. Wir müssen Lösungen finden, wie wir mit ihnen umgehen.“
Kunststoffe können wir bei medizinischen oder Lebensmittelverpackungen auf absehbare Zeit nicht ersetzen. Wir müssen Lösungen finden, wie wir mit ihnen umgehen.
Johannes Remmele, Unternehmer und Eigentümer der Südpack Holding
Eine Zukunftslösung sieht Remmele in dem sogenannten Carboliq-Verfahren, einer Form des chemischen Recyclings. Südpack hat in das gleichnamige Unternehmen Carboliq investiert, um schwer recycelbare und kontaminierte Kunststoffabfälle zu einer Ressource umwandeln zu können, die die Herstellung von Kunststoffen in Neuwarenqualität ermöglicht. Für die Vorstellung der Technologie luden Südpack und Carboliq ins Werk ins nordrhein-westfälische Ennigerloh ein. Remmele erklärt die Hintergründe: „Schon mein Vater, der Gründer von Südpack, hatte die Vision, dass Kunststoffverpackungen chemisch wieder in ihre Einzelkomponenten zerlegt werden, um sie anschließend neu zu verarbeiten.“ Damals sei solch ein Verfahren technisch noch nicht machbar gewesen, heute seien Südpack und Carboliq Vorreiter auf dem Gebiet.
Müll als wertvolle Ressource
Auf dem Gelände zeigt Carboliq-CEO Christian Haupts, wie der Kreislauf des Mülls aussieht, der den Weg durch die Carboliq-Anlage nimmt. Sortierreste des Dualen Systems, die nicht dem mechanischen Recycling zugeführt werden konnten, landen vorsortiert auf dem Hof. „In unseren Augen ist das hier kein Müll, sondern eine wertvolle Ressource“, sagt Haupts. In der Anlage wird die Kunststoffmasse durch Reibung auf bis zu 400°C erhitzt und mithilfe eines Katalysators in einem chemischen Prozess in seine Einzelteile zerlegt. Heraus kommt eine gelblich-braune Flüssigkeit: das Pyrolyseöl. Daraus können im nächsten Schritt wieder neuwertige Kunststoffprodukte hergestellt werden. „Wir schließen den Plastikkreislauf“: Mit diesen Worten beendet Haupts den Rundgang.
10.000 Tonnen Plastikmüll könnte eine Carboliq-Anlage im industriellen Maßstab pro Jahr verarbeiten. Ab rund 5.000 Tonnen sei sie wirtschaftlich, sagt Dirk Hardow, Leiter der Business Unit Functional Films & Compounds bei Südpack, der den Deal mit Carboliq federführend eintütete. Stolz sei er insbesondere darauf, dass sie mit dem Verfahren sowohl wirtschaftlich als auch nachhaltig ein wegweisendes Modell geschaffen haben: „Mit Carboliq sind wir dem Markt zwei bis drei Jahre voraus“, sagt er und fügt hinzu: „Das bedeutet aber auch, dass die Hürden für uns enorm hoch sind.“ Viele Genehmigungsverfahren seien Präzedenzfälle, da es kaum vergleichbare Anlagen gebe. In den Niederlanden, ergänzt Haupts, sei das anders: „Recycling und Kreislaufwirtschaft liegen im Interesse der Regierung. Innovative Verfahren können in ausgewiesenen Sonderwirtschaftszonen, für die eigene Regeln gelten, mit weniger bürokratischen Barrieren getestet werden.“
Das Plastikproblem ist so groß, da wird eine einzelne Anlage nicht viel ausrichten können. Doch diese hier in Ennigerloh ist erst der Anfang.
Christian Haupts, CEO von Carboliq
Die Zukunft am Standort Deutschland ist dennoch verheißungsvoll, sind sich die Verantwortlichen sicher. „Das Plastikproblem ist so groß, da wird eine einzelne Anlage nicht viel ausrichten können. Doch diese hier in Ennigerloh ist erst der Anfang“, sagt Haupts. Eine Anlage in der Nähe von Köln sei bereits in Planung, weitere könnten bald folgen. Kunden aus der Verpackungsindustrie sind überaus interessiert, denn sie brauchen solche Recyclinglösungen dringend. Der Lebenszyklus vieler Kunststoffprodukte gleicht heute eher einer Einbahnstraße. Denn zu Müll werden Folien nur dann, wenn es nicht gelingt, geeignete Systeme aufzubauen, mit denen diese Materialien im Kreislauf geführt werden können. Remmele ist sich deshalb sicher: „Die Zukunft heißt Kreislaufwirtschaft. Und genau hierfür ist das chemische Recycling als komplementäre Technologie ein essenzieller Baustein.“