ZEIT für X

Chemisches Recycling – „Wir schließen den Kreis“

18. März 2023
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Ein Artikel von Studio ZX in Kooperation mit Südpack

Kunststoffe sind schlecht für das Klima und die Umwelt – weil viel zu viel davon produziert und viel zu wenig wieder­verwertet wird. Eine Lösung könnte das chemische Recycling sein.

von Luca Pot d'Or, Studio ZX

Kaum einen Wertstoff verwenden wir im Alltag so häufig wie Kunststoff – und kaum einer ist so umstritten. Kunst­stoffe sind formbar, leicht, strapazier­fähig und weitest­gehend resistent gegen Hitze und Licht. Das macht sie zum idealen Material für Verpackungen. Sie bringen jedoch offensichtliche Nachteile mit sich: Für die Produktion braucht es klima­schädliches Rohöl. Und in vielen Fällen sind Kunst­stoff­produkte nicht oder nur in geringem Maße wieder­verwertbar.

Ansätze, um die Menge an produzierten Kunststoffen zu reduzieren, gibt es zahlreiche. Dabei geht es vor allem um Material­reduzierung, etwa durch alternative Rohstoffe, eine bessere Recycling­fähigkeit oder eine leistungs­fähige Kreis­lauf­wirtschaft. Die Idee: Wenn produzierte Kunststoffe nach der Verwendung nicht weg­geschmissen, sondern anschließend wieder aufbereitet und verarbeitet werden, entsteht ein Kreis­lauf, der Material und dadurch Kosten einspart und letztendlich in hohem Maße der Umwelt zuträglich ist. Das kann zum Beispiel durch mechanisches Recycling geschehen. Dabei werden Kunst- und andere Wertstoffe in Entsorgungs­anlagen sortiert und anschließend wieder zu Sekundär­roh­stoffen weiter­verarbeitet.

Ressourcen sparen durch mehr Recycling

Bei Mehrschichtfolien oder stark verschmutzten Kunststoffen kommt das mechanische Recycling jedoch an seine Grenzen. Wie die Zentrale Stelle Verpackungs­register Ende 2022 bekannt gab, wurde im Jahr 2021 eine werk­stoffliche Recycling­quote von 65,5 Prozent erreicht. Der Rest wird thermisch verwertet, das heißt: verbrannt. „Jede Tonne verbrannter Kunststoff, die wir einsparen, reduziert die Belastung der Atmosphäre um rund 2,5 Tonnen CO2“, erklärt Johannes Remmele. Er ist Unternehmer und Eigentümer der Südpack Holding, eines Herstellers von High-Performance-Verpackungs­folien, und kennt sich aus mit Kunst­stoffen und ihren Folgen: „Wir wissen um den schlechten Ruf von Kunststoff, wenn es um die Umwelt geht. Doch wir wissen auch: Kunststoffe können wir bei medizinischen oder Lebens­mittel­verpackungen auf absehbare Zeit nicht ersetzen. Wir müssen Lösungen finden, wie wir mit ihnen umgehen.“

Kunststoffe können wir bei medizinischen oder Lebens­mittel­verpackungen auf absehbare Zeit nicht ersetzen. Wir müssen Lösungen finden, wie wir mit ihnen umgehen.

Johannes Remmele, Unternehmer und Eigentümer der Südpack Holding

Johannes Remmele ist Unternehmer und Eigentümer der Südpack Holding.
© Marcel Maffai Johannes Remmele ist Unternehmer und Eigentümer der Südpack Holding.

Eine Zukunftslösung sieht Remmele in dem sogenannten Carboliq-Verfahren, einer Form des chemischen Recyclings. Südpack hat in das gleich­namige Unternehmen Carboliq investiert, um schwer recycelbare und kontaminierte Kunst­stoff­abfälle zu einer Ressource umwandeln zu können, die die Herstellung von Kunststoffen in Neu­waren­qualität ermöglicht. Für die Vorstellung der Technologie luden Südpack und Carboliq ins Werk ins nordrhein-westfälische Ennigerloh ein. Remmele erklärt die Hintergründe: „Schon mein Vater, der Gründer von Südpack, hatte die Vision, dass Kunst­stoff­verpackungen chemisch wieder in ihre Einzel­komponenten zerlegt werden, um sie anschließend neu zu verarbeiten.“ Damals sei solch ein Verfahren technisch noch nicht machbar gewesen, heute seien Südpack und Carboliq Vorreiter auf dem Gebiet.

Rundgang durch die Anlage in Ennigerloh: Carboliq-CEO Christian Haupts zeigt den Recycling-Kreislauf des Plastikmülls.
© Marcel Maffai Rundgang durch die Anlage in Ennigerloh: Carboliq-CEO Christian Haupts zeigt den Recycling-Kreislauf des Plastikmülls.

Müll als wertvolle Ressource

Auf dem Gelände zeigt Carboliq-CEO Christian Haupts, wie der Kreislauf des Mülls aussieht, der den Weg durch die Carboliq-Anlage nimmt. Sortier­reste des Dualen Systems, die nicht dem mechanischen Recycling zugeführt werden konnten, landen vorsortiert auf dem Hof. „In unseren Augen ist das hier kein Müll, sondern eine wertvolle Ressource“, sagt Haupts. In der Anlage wird die Kunst­stoff­masse durch Reibung auf bis zu 400°C erhitzt und mithilfe eines Katalysators in einem chemischen Prozess in seine Einzel­teile zerlegt. Heraus kommt eine gelblich-braune Flüssigkeit: das Pyrolyseöl. Daraus können im nächsten Schritt wieder neuwertige Kunst­stoff­produkte hergestellt werden. „Wir schließen den Plastik­kreis­lauf“: Mit diesen Worten beendet Haupts den Rundgang.

10.000 Tonnen Plastikmüll könnte eine Carboliq-Anlage im industriellen Maßstab pro Jahr verarbeiten. Ab rund 5.000 Tonnen sei sie wirtschaftlich, sagt Dirk Hardow, Leiter der Business Unit Functional Films & Compounds bei Südpack, der den Deal mit Carboliq feder­führend eintütete. Stolz sei er insbesondere darauf, dass sie mit dem Verfahren sowohl wirtschaftlich als auch nach­haltig ein weg­weisendes Modell geschaffen haben: „Mit Carboliq sind wir dem Markt zwei bis drei Jahre voraus“, sagt er und fügt hinzu: „Das bedeutet aber auch, dass die Hürden für uns enorm hoch sind.“ Viele Genehmigungs­verfahren seien Präzedenz­fälle, da es kaum vergleich­bare Anlagen gebe. In den Niederlanden, ergänzt Haupts, sei das anders: „Recycling und Kreis­lauf­wirtschaft liegen im Interesse der Regierung. Innovative Verfahren können in ausgewiesenen Sonder­wirtschafts­zonen, für die eigene Regeln gelten, mit weniger bürokratischen Barrieren getestet werden.“

Das Plastikproblem ist so groß, da wird eine einzelne Anlage nicht viel ausrichten können. Doch diese hier in Ennigerloh ist erst der Anfang.

Christian Haupts, CEO von Carboliq

Die Zukunft am Standort Deutschland ist dennoch verheißungsvoll, sind sich die Verantwortlichen sicher. „Das Plastik­problem ist so groß, da wird eine einzelne Anlage nicht viel ausrichten können. Doch diese hier in Ennigerloh ist erst der Anfang“, sagt Haupts. Eine Anlage in der Nähe von Köln sei bereits in Planung, weitere könnten bald folgen. Kunden aus der Verpackungs­industrie sind überaus interessiert, denn sie brauchen solche Recycling­lösungen dringend. Der Lebenszyklus vieler Kunst­stoff­produkte gleicht heute eher einer Einbahn­straße. Denn zu Müll werden Folien nur dann, wenn es nicht gelingt, geeignete Systeme aufzubauen, mit denen diese Materialien im Kreislauf geführt werden können. Remmele ist sich deshalb sicher: „Die Zukunft heißt Kreis­lauf­wirtschaft. Und genau hierfür ist das chemische Recycling als komplementäre Technologie ein essenzieller Baustein.“