ZEIT für X
Wasserstoff

H wie Hoffnungsträger – mit grünem Wasserstoff zur Energiewende

20. Oktober 2022
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Ein Artikel von Studio ZX in Kooperation mit der Schaeffler AG

Um ihre CO2-Emissionen zu drosseln, setzt die Industrie verstärkt auf grünen Wasserstoff. Jetzt geht es darum, die verfügbaren Technologien großflächig auszubauen. Ein Wasserstoffstratege erklärt, wie das klappen kann.

Kristina Kara, Studio ZX

Studio ZX: Herr Hetterscheidt, schon bei der der 26. Weltklimakonferenz 2021 in Glasgow wurde viel über grünen Wasserstoff gesprochen. Beim nächsten Treffen in Ägypten im November dieses Jahres soll es verstärkt darum gehen, Wasserstoff schneller zur Marktreife und Wettbewerbsfähigkeit zu verhelfen. Was kann grüner Wasserstoff, und warum wird er jetzt so wichtig?

Bernd Hetterscheidt: Grüner Wasserstoff ist einer der dringend benötigten Bausteine für den Aufbau eines nachhaltigen globalen Energiesystems. Er kann im sogenannten Elektrolyseverfahren klimaneutral erzeugt werden. Dafür wird Wasser in seine beiden Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Das geschieht mithilfe von elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien. Heraus kommt ein vielseitig einsetzbarer Energieträger, der sich sehr gut speichern, transportieren und je nach Bedarf einsetzen lässt – etwa in Brennstoffzellen zur Erzeugung von Strom oder in Industrieprozessen. Das ist mittelfristig die beste Möglichkeit, große Mengen an Energie grün zu erzeugen, um sie dann global transportieren und lagern zu können. Was wir aber noch machen müssen, ist, die bereits entwickelten Technologien in die industrielle Massenproduktion zu bringen, damit sie in möglichst vielen Bereichen zu akzeptablen Preisen eingesetzt werden können.

Dabei ist die Technik seit Jahrzehnten bekannt. Durchgesetzt hat sich der grüne Wasserstoff als Energieträger trotzdem lange nicht. Warum soll die Zeit jetzt reif sein?

Wasserstoff auf herkömmliche Weise aus Kohle, Erdöl oder Erdgas zu gewinnen, war bislang einfach wesentlich günstiger. Dass dabei große Mengen an klimaschädlichem Kohlendioxid freigesetzt werden, wurde in Kauf genommen. In Zeiten ehrgeiziger Klimapläne blickt die Welt anders auf derartige Verfahren. Für jedes Kilogramm Wasserstoff, das aus Erdgas entsteht, wird rund ein Zehnfaches dieses Gewichts an CO2 in die Atmosphäre entlassen. Dass das keine Zukunft hat, ist mittlerweile überall angekommen. Die aktuell sinkende Verfügbarkeit fossiler Ressourcen hat nun zusätzlich dafür gesorgt, dass die Potenziale von grünem Wasserstoff erkannt werden.

Bernd Hetterscheidt
© Schaeffler

Bernd Hetterscheidt leitet seit März 2021 das strategische Geschäftsfeld Wasserstoff in der Industriesparte des internationalen Automobil- und Industriezulieferers Schaeffler. Der studierte Diplom-Ingenieur blickt auf eine langjährige Karriere im Maschinen- und Anlagenbau von global agierenden Unternehmen zurück und verfügt über ein breites Erfahrungsspektrum im Bereich moderner Energiesysteme.

Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung hat das Ziel, Deutschland zu einem globalen Vorreiter bei grünem Wasserstoff zu machen. Sie leiten bei Schaeffler, einem internationalen Automobil- und Industriezulieferer, die Wasserstoffstrategie für die Industriesparte. Was braucht die Wirtschaft, um die politischen Ziele zu verwirklichen?

Die Erzeugung von grünem Wasserstoff muss endlich aus dem Stadium der quasi manuellen Einzelfertigung raus. Ein wichtiger Schlüssel zum Reifegrad solcher Technologien ist, die globale Zuliefererindustrie einzubeziehen. Elektrolyseanlagen, die Wasser in Wasserstoff zerlegen, bestehen aus vielen komplexen Bestandteilen wie Stromversorgungen, elektronischen Steuerungen, Kühlern, Ventilen, Filtern und auch elektrochemischen Reaktoren, sogenannten Stacks. Viele davon werden von etablierten Zulieferunternehmen produziert. Diese Bündelung von Spezialwissen und verlässlichen Produktionsstrukturen können Innovations- und Qualitätszyklen deutlich beschleunigen. Global agierende Zulieferer können zum Beispiel schnell technisch und preislich optimieren, weil sie Stückzahlen bündeln und sich auf die spezifischen Probleme „ihres“ Subsystems konzentrieren können. Dabei hilft auch eine hochgradig automatisierte Produktion, wie wir sie bei Schaeffler weltweit vorantreiben.

Die Erzeugung von grünem Wasserstoff muss endlich aus dem Stadium der quasi manuellen Einzelfertigung raus.

Bernd Hetterscheidt, Leiter strategisches Geschäftsfeld Wasserstoff der Industriesparte von Schaeffler

Welche Komponenten kann Schaeffler denn beitragen?

Lassen Sie mich drei Beispiele bringen. Erstens: Als Kernelement der Elektrolyse gilt ein sogenannter Stack, also ein Schichtreaktor, der unter anderem aus sehr vielen aufeinandergeschichteten metallischen Platten besteht, die mit viel Präzision hergestellt werden müssen. Das sind nicht einfach flache Platten, die irgendwie ausgestanzt werden. Nein, dabei handelt es sich um spezielle Geometrien, die die Wasserzufuhr, Wärmeabfuhr und elektrische Leitfähigkeit bestimmen. Zweitens: Die umgeformten Platten sind im Stack einem sehr aggressiven Prozess ausgesetzt und müssen daher mit einem extrem guten Korrosionsschutz versehen werden. In der Beschichtungstechnologie verfügt Schaeffler durch seine Erfahrungen in schwierigen Umgebungen im Automotive- und Industriebereich über tiefes Wissen in der Auswahl und der Aufbringung von komplexen Schutzsystemen. Und drittens ist es nicht einfach, die aus 100 bis 200 Schichten bestehenden Stacks in großen Mengen zu montieren. Der Stapelvorgang muss hoch präzise und voll automatisch durchgeführt werden. Auch hier verfügt Schaeffler durch seinen internen Anlagenbau über Spezialwissen aus der bestehenden Montage von komplexen Baugruppen im Automotive- und Industriebereich.

Könnte Schaeffler grünen Wasserstoff auch in der eigenen Fertigung einsetzen?

Unbedingt! Schaeffler ist dafür bekannt, ein riesiges Portfolio hoch beanspruchter metallischer Bauteile wie Wälzlager zu bauen. Diese werden beispielsweise für den Bau von Windkraftanlagen benötigt. Und um sie herzustellen, brauchen wir große Mengen Stahl. Schaeffler verarbeitet jeden Tag über 7000 Tonnen Stahl, was dem Gewicht des Eiffelturms entspricht. Um Stahl für die hohen Belastungen in Lagern zu härten, werden große Wärmemengen und hohe Temperaturen benötigt. Diese werden heute in den Härteöfen mit Erdgas erzeugt. Hier ist ein Ersatz oder Mischbetrieb mit Wasserstoff denkbar.

In der bereits erwähnten Wasserstoffstrategie der Bundesregierung heißt es auch, dass Wasserstoff deutschen Unternehmen neue Märkte eröffnen kann. Woran denkt man da?

Die Möglichkeiten sind tatsächlich sehr groß. Das Problem des Klimawandels und der Verfügbarkeit von Öl und Gas sind keine deutschen Themen, sondern weltweit akut. In allen Industrienationen müssen Energieströme auf grüne Technologien umgestellt werden, und viele Länder mit Potenzial in Windkraft und Sonnenenergie sehen neue Chancen in der Erzeugung und dem Verkauf grüner Energie in Form von Wasserstoff. Als High-Tech-Standort besitzt Deutschland die Fähigkeit, die dafür benötigten Anlagen zu entwickeln, zu bauen und weltweit zu vertreiben.

Heiß auf Wasserstoff geworden?

An der Wasserstofftechnologie interessierte Unternehmen, Kommunen und Stadtwerke können sich kostenlos seit Juli 2022 einen Überblick über die Potenziale, Verbräuche, Kosten und Emissionsminderungen verschiedener Wasserstoffanwendungen verschaffen. Ein vom Bundesforschungsministerium mit 700.000 Euro geförderter und von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH) erstellter Wasserstoffatlas Deutschland zeigt online sowohl den aktuellen Stand der Wasserstoffwirtschaft als auch bundesweit die regionalen Fortschritte auf. Das Forschungsministerium verspricht sich von der neuen Anwendung verstärkten Einblick in die Chancen und Potenziale von Wasserstoff für Energiewende und Klimaschutz.