Nachhaltigkeit durch Innovation – Sprünge statt Schritte
AnzeigeJano Costard, Challenge Officer der Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND, und Christian Becker, Leiter des Strategy & Innovation Teams bei Microsoft, sprechen darüber, wie wichtig Innovationen für eine nachhaltige Zukunft sind.
Studio ZX: Herr Costard, Sie arbeiten für die Bundesagentur für Sprunginnovationen. Könnten Sie uns kurz erklären, was genau Sprunginnovationen überhaupt sind und wie diese sich von „normalen“ Innovationen unterscheiden?
Jano Costard: Sprunginnovationen lösen ein bedeutendes technologisches, soziales oder ökologisches Problem. Dabei verändern sie entweder einen existierenden Markt grundlegend oder erschaffen sogar einen komplett neuen. Es sind für uns Innovationen, die ganz deutlich einen Effekt auf das Leben der Menschen haben und die die Zeit in ein „Davor“ und ein „Danach“ einteilen. Ein aktuelles Beispiel ist etwa der in Deutschland entwickelte mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus. In der Vergangenheit war unser Land in vielen Bereichen sehr innovativ, etwa in der Automobilbranche oder in der Chemie. Dem Haber-Bosch-Verfahren etwa, das zwei deutsche Chemiker Anfang des 20. Jahrhunderts zur Herstellung von Dünger entwickelten, hat die Menschheit ihr rasantes Wachstum durch genügend Ernährung zu verdanken. In den letzten Jahren kamen die großen Innovationen jedoch eher aus anderen Teilen der Welt. SPRIND kümmert sich seit rund zwei Jahren darum, dass wir in Deutschland wieder besser darin werden, aus nach wie vor sehr guter Grundlagenforschung neue Produkte und Industrien zu entwickeln.
Herr Becker, Sie unterstützen Ihre Kund:innen dabei, neue Technologien zu nutzen, um ihre Geschäftsziele zu erreichen und dabei einen Mehrwert zu haben. Welche Rolle spielen da die Sprunginnovationen, von denen Herr Costard gerade gesprochen hat?
Christian Becker: Neue, die Welt verändernde Ideen sind heutzutage vor allem im technologischen Bereich anzutreffen, etwa die Erfindung des Internets oder des Smartphones. Mein Team arbeitet mit den führenden Geschäftskund:innen von Microsoft zusammen, die sich mithilfe unserer allerneuesten Technologien Wettbewerbsvorteile sichern möchten. Nachhaltigkeit ist da zu einem der dominierenden Themen geworden. Eines meiner aktuellen Lieblingsprojekte etwa ist die Energieoptimierung bei einem Automobilzulieferer. Hier können wir die Verbräuche und damit sowohl die Kosten als auch die CO2-Emissionen durch intelligente Digitalisierung erheblich senken.
Das von Herrn Costard angesprochene Haber-Bosch-Verfahren ist weltweit für knapp zwei Prozent des Gesamtenergieverbrauchs verantwortlich. In der Landwirtschaft entstehen Dünger ohne Energieaufwand. Allerdings lassen sich die diesbezüglichen biochemischen Prozesse nicht industrialisieren, da sie mit herkömmlichen Computern nicht simuliert werden können. Die sogenannten Quantencomputer, die wir aktuell erproben, haben eine deutlich höhere Rechenleistung und können uns helfen, auch derart komplizierte Verfahren umzusetzen. Wenn diese Rechner in einigen Jahren zum Einsatz kommen, ist das definitiv auch eine Sprunginnovation.
Herr Costard, in Ihrer Funktion als Challenge Officer organisieren Sie Innovationswettbewerbe, um die besten Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit zu finden. Was sind die aktuellen SPRIND-Challenges in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz?
Jano Costard: Bei unseren Challenges setzen wir sehr ambitionierte Ziele und rufen alle Innovator:innen dazu auf, Ideen einzureichen und Pläne, wie wir diese erreichen. Nicht erst seit der letzten Veröffentlichung des Weltklimarates wissen wir, wie wichtig es ist, unsere CO2-Emissionen in erheblichem Maß zu drosseln. Dies gelingt durch den Ausbau der erneuerbaren Energien und durch Energieeffizienz. Die Expert:innen sind sich aber einig, dass wir auch Technologien entwickeln müssen, um bereits ausgestoßenes CO2 wieder aus der Atmosphäre zu entfernen. Es gibt hier erste technologische Ansätze. Diese sind allerdings noch längst nicht in der Lage, sowohl die dafür erforderlichen Mengen zu binden als auch die Kosten wirtschaftlich zu gestalten. Dazu haben wir jetzt eine Challenge gestartet. Deren Ziel ist es, nicht nur CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, sondern diesen Kohlenstoff in neuen Produkten langfristig zu binden und damit neue Wertschöpfungsketten für entferntes CO2 zu schaffen. Grundsätzlich kann die Digitalisierung hier viel bewirken, wenn es darum geht, arbeitsintensive Prozesse zu entschlüsseln und zu vereinfachen. (Anmerkung der Redaktion: Hier verrät Jano Costard im ZEIT für Forschung-Video mehr über die Challenges der SPRIND.)
Herr Becker, wie genau kann Digitalisierung hier unterstützen?
Christian Becker: Microsoft hat sich ja selbst das Ziel gesetzt, bis 2030 carbonnegativ zu werden und dann auch alle Emissionen, die Microsoft seit der Gründung verursacht hat, wieder aus der Atmosphäre entfernt zu haben. Auch dies wird nur mithilfe des eben angesprochenen Carbon Dioxide Removal möglich sein. Diesen Anstrengungen vorgelagert gibt es einen wichtigen Schritt, den alle Unternehmen gehen müssen und bei dem digitale Tools essenziell sind: Sie müssen ihre Emissionen zunächst genau kennen und Einsparpotenziale identifizieren. Nachhaltigkeit geht nur mit Daten. Erst wenn die Datenlage klar ist, können Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden. Einige dieser Handlungsempfehlungen können dann künftig automatisiert umgesetzt werden. Diese ganze Wertschöpfungskette wird durch digitale Technologien und Daten, Plattformen und künstliche Intelligenz unterstützt.
Jano Costard gestaltet Innovationswettbewerbe für die Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit. Der studierte Ökonom war zuvor bei der Expertenkommission Forschung und Innovation tätig.
Christian Becker stieg nach seinem Physikstudium in Köln 1996 in die IT-Branche ein. Seit 2009 arbeitet er für Microsoft und ist als Manager für das Strategy & Innovation Team verantwortlich.
Herr Costard, welchen Stellenwert sprechen Sie denn der Digitalisierung auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu?
Jano Costard: Wir sehen sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Was häufig kritisiert wird, ist beispielsweise der hohe Energieverbrauch, der mit digitalen Services einhergeht. Wir haben eingangs über die neuartigen Computer gesprochen. Wir arbeiten auch daran, wie wir mit neuen Rechnerarchitekturen die Energieeffizienz verbessern können. Im Vergleich zu dem, was wir aktuell an Computern haben, ist zum Beispiel das menschliche Gehirn unglaublich viel energieeffizienter.
Was sagen Sie dazu, Herr Becker?
Christian Becker: Ich stimme zu. Wir arbeiten mit größter Anstrengung daran, die Energieverbräuche kontinuierlich zu senken. Moderne Cloud-Rechenzentren sind klassischen, die von den Kund:innen direkt betrieben werden, beispielsweise in der Energieeffizienz um Längen voraus. Es gibt hier einige extrem interessante Ansätze, etwa Unterwasserrechenzentren oder mit Öl gefüllte und gekühlte Computer, mit denen wir experimentieren. Energiepreise und Versorgungssicherheit werden uns dabei in der Zukunft noch stärker fordern.
Herr Costard, wie beurteilen Sie die Innovationskraft der etablierten Player:innen? Sind diese Ansätze so interessant, wie Herr Becker sagt?
Jano Costard: Darüber möchte ich mir kein pauschales Urteil erlauben. Natürlich ist es wichtig, dass Unternehmen mehr Energie in ihre Innovationsfähigkeit stecken. Allerdings fällt es Akteur:innen aus etablierten Industrien oft schwer, komplett neue Wege zu gehen. Es wird häufig verhindert, so sehr aus der Reihe zu schlagen, wie es nötig ist, um wirklich radikal neue Lösungen hervorzubringen. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen sucht überall nach Innovator:innen: in akademischen Einrichtungen, Start-ups und etablierten Unternehmen. Wir dienen als Ansprech- und Kooperationspartner:innen für alle Neudenker:innen.
Herr Becker, wie beflügeln Sie die Innovationskraft in Ihrem Team?
Christian Becker: Für mich ist Innovationskraft vor allen Dingen die Kulturfrage im Unternehmen. Wichtig ist es dabei vor allem, die Angst vor Fehlschlägen zu nehmen. Ich glaube, wenn man wirklich innovativ sein will, dann darf das nicht ein Lippenbekenntnis sein, sondern dann muss man das auch bis hoch zum Topmanagement leben. Wenn ich ganz ehrlich bin, war Microsoft vor 15 Jahren auch nicht so innovativ wie heute. Aber wir haben gemeinsam daran gearbeitet, und der Kulturwandel zu mehr Innovation und Nachhaltigkeit ist uns aus meiner Sicht gut gelungen.