ZEIT für X
Person springt in die Luft

Nachhaltigkeit durch Innovation – Sprünge statt Schritte

26. Mai 2022
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Ein Artikel von Studio ZX in Kooperation mit Microsoft

Jano Costard, Challenge Officer der Bundes­agentur für Sprung­innovationen SPRIND, und Christian Becker, Leiter des Strategy & Innovation Teams bei Microsoft, sprechen darüber, wie wichtig Innovationen für eine nach­haltige Zukunft sind.

von Kristina Kara, Studio ZX

Studio ZX: Herr Costard, Sie arbeiten für die Bundesagentur für Sprung­innovationen. Könnten Sie uns kurz erklären, was genau Sprung­innovationen überhaupt sind und wie diese sich von „normalen“ Innovationen unterscheiden?
Jano Costard: Sprunginnovationen lösen ein bedeutendes technologisches, soziales oder ökologisches Problem. Dabei verändern sie entweder einen existierenden Markt grund­legend oder erschaffen sogar einen komplett neuen. Es sind für uns Innovationen, die ganz deutlich einen Effekt auf das Leben der Menschen haben und die die Zeit in ein „Davor“ und ein „Danach“ einteilen. Ein aktuelles Beispiel ist etwa der in Deutschland entwickelte mRNA-Impfstoff gegen das Corona­virus. In der Vergangenheit war unser Land in vielen Bereichen sehr innovativ, etwa in der Auto­mobil­branche oder in der Chemie. Dem Haber-Bosch-Verfahren etwa, das zwei deutsche Chemiker Anfang des 20. Jahrhunderts zur Herstellung von Dünger entwickelten, hat die Menschheit ihr rasantes Wachstum durch genügend Ernährung zu verdanken. In den letzten Jahren kamen die großen Innovationen jedoch eher aus anderen Teilen der Welt. SPRIND kümmert sich seit rund zwei Jahren darum, dass wir in Deutschland wieder besser darin werden, aus nach wie vor sehr guter Grund­lagen­forschung neue Produkte und Industrien zu entwickeln.

Herr Becker, Sie unterstützen Ihre Kund:innen dabei, neue Technologien zu nutzen, um ihre Geschäfts­ziele zu erreichen und dabei einen Mehrwert zu haben. Welche Rolle spielen da die Sprung­innovationen, von denen Herr Costard gerade gesprochen hat?
Christian Becker: Neue, die Welt verändernde Ideen sind heut­zu­tage vor allem im technologischen Bereich an­zu­treffen, etwa die Erfindung des Internets oder des Smartphones. Mein Team arbeitet mit den führenden Geschäfts­kund:innen von Microsoft zusammen, die sich mithilfe unserer aller­neuesten Technologien Wettbewerbs­vorteile sichern möchten. Nach­haltig­keit ist da zu einem der dominierenden Themen geworden. Eines meiner aktuellen Lieblings­projekte etwa ist die Energie­optimierung bei einem Auto­mobil­zu­lieferer. Hier können wir die Verbräuche und damit sowohl die Kosten als auch die CO2-Emissionen durch intelligente Digitalisierung erheblich senken.

Das von Herrn Costard angesprochene Haber-Bosch-Verfahren ist weltweit für knapp zwei Prozent des Gesamt­energie­verbrauchs verantwortlich. In der Landwirtschaft entstehen Dünger ohne Energieaufwand. Allerdings lassen sich die dies­bezüglichen biochemischen Prozesse nicht industrialisieren, da sie mit herkömmlichen Computern nicht simuliert werden können. Die sogenannten Quanten­computer, die wir aktuell erproben, haben eine deutlich höhere Rechen­leistung und können uns helfen, auch derart komplizierte Verfahren umzusetzen. Wenn diese Rechner in einigen Jahren zum Einsatz kommen, ist das definitiv auch eine Sprung­innovation.

Herr Costard, in Ihrer Funktion als Challenge Officer organisieren Sie Innovations­wettbewerbe, um die besten Lösungen für die großen Heraus­forderungen unserer Zeit zu finden. Was sind die aktuellen SPRIND-Challenges in Bezug auf Nach­haltigkeit und Klima­schutz?
Jano Costard: Bei unseren Challenges setzen wir sehr ambitionierte Ziele und rufen alle Innovator:innen dazu auf, Ideen ein­zu­reichen und Pläne, wie wir diese erreichen. Nicht erst seit der letzten Veröffentlichung des Welt­klima­rates wissen wir, wie wichtig es ist, unsere CO2-Emissionen in erheblichem Maß zu drosseln. Dies gelingt durch den Ausbau der erneuerbaren Energien und durch Energie­effizienz. Die Expert:innen sind sich aber einig, dass wir auch Technologien entwickeln müssen, um bereits ausgestoßenes CO2 wieder aus der Atmosphäre zu entfernen. Es gibt hier erste technologische Ansätze. Diese sind allerdings noch längst nicht in der Lage, sowohl die dafür erforderlichen Mengen zu binden als auch die Kosten wirtschaftlich zu gestalten. Dazu haben wir jetzt eine Challenge gestartet. Deren Ziel ist es, nicht nur CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, sondern diesen Kohlen­stoff in neuen Produkten lang­fristig zu binden und damit neue Wert­schöpfungs­ketten für entferntes CO2 zu schaffen. Grundsätzlich kann die Digitalisierung hier viel bewirken, wenn es darum geht, arbeits­intensive Prozesse zu entschlüsseln und zu vereinfachen. (Anmerkung der Redaktion: Hier verrät Jano Costard im ZEIT für Forschung-Video mehr über die Challenges der SPRIND.)

Herr Becker, wie genau kann Digitalisierung hier unter­stützen?
Christian Becker: Microsoft hat sich ja selbst das Ziel gesetzt, bis 2030 carbon­negativ zu werden und dann auch alle Emissionen, die Microsoft seit der Gründung verursacht hat, wieder aus der Atmosphäre entfernt zu haben. Auch dies wird nur mithilfe des eben angesprochenen Carbon Dioxide Removal möglich sein. Diesen Anstrengungen vorgelagert gibt es einen wichtigen Schritt, den alle Unternehmen gehen müssen und bei dem digitale Tools essenziell sind: Sie müssen ihre Emissionen zunächst genau kennen und Ein­spar­potenziale identifizieren. Nachhaltigkeit geht nur mit Daten. Erst wenn die Datenlage klar ist, können Handlungs­empfehlungen ausgesprochen werden. Einige dieser Handlungs­empfehlungen können dann künftig automatisiert umgesetzt werden. Diese ganze Wertschöpfungs­kette wird durch digitale Technologien und Daten, Plattformen und künstliche Intelligenz unter­stützt.

Jano Costard
© SPRIND GmbH

Jano Costard gestaltet Innovations­wettbewerbe für die Bewältigung der großen Heraus­forderungen unserer Zeit. Der studierte Ökonom war zuvor bei der Experten­kommission Forschung und Innovation tätig.

Christian Becker
© Microsoft

Christian Becker stieg nach seinem Physik­studium in Köln 1996 in die IT-Branche ein. Seit 2009 arbeitet er für Microsoft und ist als Manager für das Strategy & Innovation Team verantwortlich.

Herr Costard, welchen Stellenwert sprechen Sie denn der Digitalisierung auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu?
Jano Costard: Wir sehen sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Was häufig kritisiert wird, ist beispiels­weise der hohe Energie­verbrauch, der mit digitalen Services einhergeht. Wir haben eingangs über die neuartigen Computer gesprochen. Wir arbeiten auch daran, wie wir mit neuen Rechner­architekturen die Energie­effizienz verbessern können. Im Vergleich zu dem, was wir aktuell an Computern haben, ist zum Beispiel das menschliche Gehirn unglaublich viel energie­effizienter.

Was sagen Sie dazu, Herr Becker?
Christian Becker: Ich stimme zu. Wir arbeiten mit größter Anstrengung daran, die Energie­verbräuche kontinuierlich zu senken. Moderne Cloud-Rechenzentren sind klassischen, die von den Kund:innen direkt betrieben werden, beispiels­weise in der Energie­effizienz um Längen voraus. Es gibt hier einige extrem interessante Ansätze, etwa Unter­wasser­rechen­zentren oder mit Öl gefüllte und gekühlte Computer, mit denen wir experimentieren. Energie­preise und Versorgungs­sicherheit werden uns dabei in der Zukunft noch stärker fordern.

Herr Costard, wie beurteilen Sie die Innovations­kraft der etablierten Player:innen? Sind diese Ansätze so interessant, wie Herr Becker sagt?
Jano Costard: Darüber möchte ich mir kein pauschales Urteil erlauben. Natürlich ist es wichtig, dass Unternehmen mehr Energie in ihre Innovations­fähigkeit stecken. Allerdings fällt es Akteur:innen aus etablierten Industrien oft schwer, komplett neue Wege zu gehen. Es wird häufig verhindert, so sehr aus der Reihe zu schlagen, wie es nötig ist, um wirklich radikal neue Lösungen hervor­zu­bringen. Die Bundes­agentur für Sprung­innovationen sucht überall nach Innovator:innen: in akademischen Einrichtungen, Start-ups und etablierten Unternehmen. Wir dienen als Ansprech- und Kooperations­partner:innen für alle Neudenker:innen.

Herr Becker, wie beflügeln Sie die Innovations­kraft in Ihrem Team?
Christian Becker: Für mich ist Innovationskraft vor allen Dingen die Kultur­frage im Unternehmen. Wichtig ist es dabei vor allem, die Angst vor Fehlschlägen zu nehmen. Ich glaube, wenn man wirklich innovativ sein will, dann darf das nicht ein Lippen­bekenntnis sein, sondern dann muss man das auch bis hoch zum Top­management leben. Wenn ich ganz ehrlich bin, war Microsoft vor 15 Jahren auch nicht so innovativ wie heute. Aber wir haben gemeinsam daran gearbeitet, und der Kulturwandel zu mehr Innovation und Nachhaltigkeit ist uns aus meiner Sicht gut gelungen.