Die Scheunenschrauber
ZEIT RedaktionSören Gerhardt ist mit seinem Unternehmen Muli Cycles auf einen neuen und zugleich alten Trend aufgesprungen: Lastenräder. Hier kommt sein Unternehmerfragebogen.
Redaktioneller Beitrag aus „ZEIT für Unternehmer, Ausgabe 04/2021“. Geschäftspartner der ZEIT Verlagsgruppe haben auf die journalistischen Inhalte der ZEIT Redaktion keinerlei Einfluss.
Herr Gerhardt, was macht Ihr Unternehmen Muli Cycles?
Sören Gerhardt: Wir stellen kompakte Lastenräder her, die sich besonders für Menschen eignen, die in Großstädten auf engem Raum zusammenleben. Gleichzeitig begreifen wir unsere Arbeit als einen Beitrag zu einer gemeinwohlorientierten Ökonomie, denn wir produzieren diese Räder komplett in Deutschland.
Was ist Ihre größte Herausforderung?
Die Skalierung des Unternehmens, denn die Nachfrage nach unseren Rädern ist seit Jahren enorm. Die Pandemie hat diesen Trend noch einmal verschärft. Daher sind große Lieferengpässe bei vielen Bauteilen entstanden, die wir für den Bau der Räder benötigen.
Wie viel Geduld brauchen Ihre Kunden?
Schon etwas, wir waren dieses Jahr schon früh ausverkauft. Allerdings können wir demnächst noch mal eine kleine Nachorder freischalten. Zwei Monate wird die Lieferzeit da voraussichtlich betragen.
Ihr Unternehmen wäre nichts ohne …
… das Know-how, das mein Bruder Jonas als Maschinenbauer und ich als Designer zusammenbringen. Und es wäre nichts ohne unsere Kinder, ohne sie wären wir wohl nie auf die Idee für das Projekt gekommen.
Woran wäre Ihre Firma fast gescheitert?
2017 haben wir die Produktion der ersten Räder in der Scheune meiner Großmutter begonnen. Das Projekt hat dann so schnell an Dynamik gewonnen, dass wir 2018 vor der Frage standen: Wollen wir dauerhaft diesen Druck und die Risiken, oder stoppen wir hier? Wir haben uns dann für das Risiko entschieden, weitere Mitarbeiter gesucht und weitergemacht.
Was an Ihren Produkten finden Sie ästhetisch, was nützlich?
Sehr nützlich ist, dass unsere Räder kurz sind und sich der Korb zusammenklappen lässt. Ästhetisch ist unsere klare und schnörkellose Rahmengeometrie.
Welches Ihrer Produkte mögen Sie am wenigsten?
Das Regenverdeck. Das funktioniert gut, sieht aber etwas unförmig aus, und ich hätte es gerne noch etwas einfacher im Handling.
Wo machen Sie Kompromisse?
Auch wir sind darauf angewiesen, einige Fahrradkomponenten in Asien einzukaufen.
Freuen oder ärgern Sie sich, wenn Wettbewerber das Geschäft beleben?
Unsere Räder hatten mit ihren kleinen Reifen und dem komprimierten Rahmen ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Nun hat einer unserer Kunden das Konzept übernommen und auch ein Rad auf den Markt gebracht. Das ärgert uns schon, wir hätten uns mehr Wertschätzung gewünscht.
Welche ist Ihre wichtigste Maschine?
Der Schweißroboter namens Maggo.
Und was ist der wichtigste Algorithmus?
Unser ERP-System, das unser Informatiker Oliver Philipps laufend weiterentwickelt. Es hilft uns unter anderem dabei, Knappheiten zu erkennen und rechtzeitig zu reagieren.
Wie wichtig ist Ihnen Diversität?
Sehr. Aber wir haben als männliches Gründerteam angefangen, Monteurinnen sind schwer zu finden. Daher sind nur 2 unserer 20 Beschäftigten weiblich. Das wollen wir verbessern.
Was begrenzt Ihr Wachstum?
Die größte Hürde ist unser Anspruch, nachhaltig zu produzieren. Deswegen holen wir keinen Investor in die Firma, dem Gewinnmaximierung wichtiger ist.