„Nutzen Sie die API-Economy!”
ZEIT RedaktionClaire Hughes Johnson leitet das Digitalunternehmen Stripe, früher war sie bei Google. Hier erklärt sie, von welchem fundamentalen Wandel Mittelständler profitieren können.
Redaktioneller Beitrag aus „ZEIT für Unternehmer, Ausgabe 04/2020“. Geschäftspartner der ZEIT Verlagsgruppe haben auf die journalistischen Inhalte der ZEIT Redaktion keinerlei Einfluss.
Die Kräfte in der Online-Wirtschaft sind im Moment vergleichsweise einseitig verteilt. Aber es gibt fundamentale Veränderungen, die viele bisher nicht bemerken – und die Sie für sich und Ihre Firma nutzen können. Womöglich wird Deutschland dann doch noch, was es heute noch nicht ist: ein Digitalpionier.
Ich habe mich schon immer leidenschaftlich dafür interessiert, wie das Internet mit neuen Wirtschaftsverbindungen und Geschäftsmodellen den Wohlstand vergrößern kann. Als ich 2004 bei Google anfing, sah ich das größte Potenzial dafür in den neuen Möglichkeiten der Online-Werbung. Mit großem Optimismus glaubte ich, dass sie das Internet demokratisieren und Unternehmen jeder Größe dabei helfen würde, nahezu unbegrenzt zu wachsen. Das ist nicht passiert. Inzwischen wissen wir: Die großen Werbeplattformen waren die Gewinner – und nur sehr wenige andere Firmen konnten profitieren.
Heute glaube ich, dass sich die digitale Wirtschaft mehr diversifizieren muss. Werbeumsätze machen noch einen Großteil der Wirtschaftsleistung des Internets aus, und die Verteilung auf verschiedene Branchen ist viel einseitiger als in der Offline-Wirtschaft.
Claire Hughes Johnson, 48, ist seit 2014 Chief Operating Officer bei Stripe. Die Technologiefirma aus San Francisco wird von Investoren mit 36 Milliarden Dollar bewertet.
Ein Wandel ist allerdings schon im Gange, vorangetrieben nicht zuletzt von Unternehmen wie Stripe, für das ich seit 2014 arbeite. Stripe ist Ihnen vielleicht kein Begriff, da wir keine Konsumentenmarke sind. Wir entwickeln Zahlungsinfrastruktur für das Internet. Wir erhöhen die Produktivität der Wirtschaft, indem wir Firmen die passenden Software-Schnittstellen, auch APIs genannt, bieten.
Anbieter solcher APIs für Unternehmen machen es für Sie heutzutage viel günstiger, einfacher und risikoloser, eine Online-Firma oder auch ein Online-Standbein aufzubauen, weil Sie nicht die komplette Technologie selbst entwickeln müssen, sondern auf ein Baukastensystem zurückgreifen können. Dank Firmen wie Stripe müssen Sie sich mit Fragen der Zahlungsabwicklung nur noch am Rande auseinandersetzen; und ähnliche Dienste gibt es für alle anderen Unternehmensbereiche, egal ob Personalwesen, Buchhaltung, Kommunikation oder Logistik.
Die API-Economy macht es viel einfacher, Geschäfte im Netz zu starten und zu skalieren. So entstehen viele neue kleine bis mittelgroße Online-Unternehmen, die zu einer Diversifizierung beitragen. Zudem führt die Schnittstellenverbundenheit dieser Firmen zu einer stärker vernetzten Wirtschaft, die eher von Partnerschaftlichkeit geprägt ist.
Das ist die gute Nachricht: Die Digitalwirtschaft der Zukunft wird breiter aufgestellt sein, mehr Branchen umfassen, vielfältigere Geschäftsmodelle ermöglichen und weniger von einzelnen Großunternehmen abhängen als bisher. Anstatt eines eindimensionalen Marktes wird es ein Ökosystem aus zahlreichen kleineren und mittelgroßen Unternehmen geben, die in ihrer jeweiligen Nische brillieren und voneinander profitieren, was insgesamt zu stärkerem Wachstum, mehr Vielfalt und vor allem größerer Stabilität führen wird.
Klingt das für Sie alles irgendwie vertraut? Mich jedenfalls erinnert diese Vision an das, was gerade die deutsche Wirtschaft so stark macht, nämlich an den Mittelstand. Nur dass es sich beim deutschen Mittelstand bis heute in erster Linie um einen, ich sage es mal so: Offline-Wirtschaftskomplex handelt.
Mein Rat an Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland lautet daher: Seien Sie sich Ihrer eigenen Stärken bewusst, und überführen Sie diese konsequent ins digitale Zeitalter. Denken Sie immer zuerst digital, nutzen Sie die vielen Chancen der API-Economy. Streben Sie Exzellenz in Ihrer Nische an. Suchen Sie Partnerschaften, bilden Sie Netzwerke, die Mehrwert stiften. Stellen Sie den Kundennutzen über alles. Und legen Sie Wert auf eine gute Ausbildung Ihrer Mitarbeiter. Offline tun Sie dies schon. Tun Sie es auch online.