22 Dinge, die die Bildungslandschaft 2022 bewegen
Ein Artikel von Studio ZX.
Lehrermangel, Digitalisierung, Bildungsgerechtigkeit: Was läuft schief, und was bewegt sich im deutschen Bildungssystem? Diese 22 Themen verändern Bildung 2022 nachhaltig.
ZEIT für Bildung verrät Ihnen, welche 22 Themen die Bildung in Deutschland im Jahre 2022 prägen werden. Wir listen auf, was schiefläuft und wo wir in diesem Jahr etwas Bewegung im Bildungsbereich erwarten. Hier kommt unsere Top 22:
- Aufholen nach Corona: Ein Milliardenprogramm soll den Kindern und Jugendlichen helfen, Defizite auszugleichen, die durch die Schulschließungen entstanden sind. Doch die Hilfen entfalten oft wenig Wirkung, kritisieren Schulleitungen. Der großflächige Einsatz von Studierenden an Schulen etwa findet nicht statt. In den kommenden Wochen wollen die Länder eine Zwischenbilanz vorlegen.
- Krieg in der Ukraine: Hundertausende flüchten aus der Ukraine nach Deutschland. Damit ist auch eine enorme Herausforderung für das Bildungssystem verbunden, denn unter den Flüchtenden sind besonders viele Kinder und Jugendliche. Wie können ukrainische Lehrkräfte unbürokratisch an Schulen eingesetzt werden? Wie lassen sich ukrainische Online-Angebote in den Unterricht einbinden? Diese und viele anderen Fragen müssen beantwortet werden.
- Lehrermangel bis 2030: Der Mangel an Lehrenden ist in den kommenden Jahren viel höher, als bisher von der Kultusministerkonferenz (KMK) angenommen. Das zeigte die jüngste Studie des Bildungsforschers Klaus Klemm. Bis 2030 fehlen demnach mindestens 81.000 ausgebildete Lehrkräfte. Der Grund: Die Bundesländer bilden an den Universitäten zu wenig aus.
- Quereinstieg in die Schule: Wenn ausgebildete Fachkräfte fehlen, greifen viele Schulen auf Quereinsteigende zurück. Das kann sogar eine Bereicherung sein. Aber es fehlt bis heute an einheitlichen Standards in den Bundesländern für die Qualifizierung. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) forderte im Januar 2022, für Seiteneinsteigende mindestens eine sechsmonatige Vorqualifizierung sicherzustellen.
- Fortbildung für Lehrkräfte: Laut KWiK-Studie hat etwa die Hälfte der Lehrkräfte während der Pandemie an einer Fortbildung zu digitalen Medien im Unterricht teilgenommen. Und auch die im Januar veröffentlichte Schulleitungsstudie S-CLEVER hat gezeigt: Die oberste Priorität der Schulen liegt derzeit beim digitalen Lernen. Bildungsforscher Tobias Feldhoff vom Autorenteam der Studie forderte eine Fortbildungspflicht zu Schulentwicklung und Digitalität.
- Digitalpakt reloaded: 6,5 Milliarden Euro stellt der Bund bis 2024 für die digitale Ausstattung der Schulen zur Verfügung. Doch das Geld kommt viel zu langsam an den Schulen an. Mit dem Digitalpakt 2.0 soll die Kooperation von Bund und Ländern verbessert werden, außerdem soll das Geld nicht mehr nur in die Technik, sondern auch in die IT-Administration fließen. Bis Ende des Jahres will Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gemeinsam mit den Ländern die Eckpunkte des neuen Digitalpaktes festlegen.
- Grundgesetzänderung: Aus dem Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern soll nach dem Willen der Bundesregierung ein Kooperationsgebot werden. Die Bundesbildungsministerin will dafür das Grundgesetz ändern. Ob die Länder da mitspielen werden, ist fraglich. Bayerns Kultusminister Michael Piazolo machte im Gespräch mit Bildung.Table schon mal deutlich, dass er keinen Grund sehe, am Bildungsföderalismus herumzudoktern.
- „eduCheck“ für digitale Bildung: Welche digitalen Tools können in Schulen genutzt werden, wann ist der Datenschutz gefährdet? Während der Pandemie gab es viele offene Fragen. Antworten soll nun das länderübergreifende Projekt „eduCheck digital“ geben. Ziel ist es, ein Prüfverfahren für digitale Bildungsmedien zu entwickeln. Aus den als unbedenklich eingestuften Tools können sich die Lehrkräfte dann bedienen. Für mehr Klarheit sollen die Standards auch auf der Seite der EduTech-Unternehmen sorgen.
- Medienkompetenz stärken: Jeder dritte Jugendliche in Deutschland erreicht laut ICILS 2018 nur rudimentäre digitale Kompetenzen. Das soll sich ändern. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz fordert unter anderem ein verbindliches Fach Informatik. Daneben sollen die Schülerinnen und Schüler auch fächerübergreifend Digitalkompetenzen erwerben.
- Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung: Für Kinder, die ab dem Schuljahr 2026/27 eingeschult werden, gilt der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule. Um das zu schaffen, müssen die Ausbildungskapazitäten für Erzieherinnen und Erzieher schon jetzt massiv ausgebaut werden. Außerdem brauchen viele Grundschulen mehr Platz. Den größten Ausbaubedarf beim Ganztag gibt es in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Bayern.
- Inklusion vorantreiben: Seit 2009 gilt auch in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention und damit das Recht auf inklusive Bildung. Doch nicht in allen Bundesländern wird der Anspruch auf den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern auch umgesetzt. Studien belegen, dass die Quote der Schülerinnen und Schüler, die an gesonderten Förderschulen unterrichtet werden, in den vergangenen Jahren kaum abgenommen hat.
- Mehr Bildungsgerechtigkeit: In Deutschland ist der Bildungserfolg noch immer viel zu sehr abhängig vom Elternhaus, und das hat sich in der Coronapandemie noch verstärkt. Der Bund will Schulen in besonders herausfordernden Lagen nun mit einem sogenannten Chancen-Budget unterstützen. Auch in den Ländern reift die Erkenntnis, das Mittel für Schulen ungleich verteilt werden müssen. Die meisten Kommunen scheitern allerdings bisher schon an einem soliden Sozialindex.
- Besser Mathe lernen: Nicht mal die Hälfte der Jugendlichen in Deutschland erreicht im Fach Mathematik die Regelstandards. Die Bundesländer haben deshalb das Zehn-Jahres-Programm „QuaMath“ für besseren Matheunterricht aufgelegt. Tausende Lehrkräfte sollen in Fortbildungen auf den neuen Forschungsstand der Mathematikdidaktik gebracht werden.
- Demokratie stärken: Rassistische Anschläge in Hanau und Halle haben die Demokratiebildung ganz oben auf die Agenda gesetzt. Am besten gelingt das, wenn Demokratie in der Schule tatsächlich gelebt wird. In der Coronapandemie allerdings fühlten sich Schülerinnen und Schüler vor allem ungehört, was sie mit ihrer Petition #WirWerdenLaut sehr deutlich gemacht haben.
- Baustelle Schule: Bundesweit gibt es laut dem Deutschen Institut für Urbanistik an Schulen einen Sanierungsstau von 44,2 Milliarden Euro. Gleichzeitig müssen wegen wachsender Schülerzahlen viele neue Schulgebäude gebaut werden. Das ist eine große Chance, denn dabei können die Schulen nicht nur auf den nötigen digitalen und ökologischen Stand gebracht, sondern auch den Bedürfnissen zeitgemäßer Pädagogik angepasst werden.
- Mehr Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse: In einer Ländervereinbarung haben sich die Kultusministerien auf mehr Vergleichbarkeit bei den Schulabschlüssen verständigt. Dafür sollen zum Beispiel ab 2023 sämtliche Länder 50 Prozent aller schriftlichen Abituraufgaben in den Kernfächern aus einem gemeinsamen Aufgabenpool entnehmen. Ab 2025 gilt das auch für die naturwissenschaftlichen Fächer.
- Nachhaltigkeit in der Bildung: Die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel gehören in die Lehrpläne, und die Schülerinnen und Schüler sollen darüber hinaus zum Handeln aktiviert werden. Das ist nicht nur ein erklärtes Ziel der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen, sondern auch eine Forderung der Schülerinnen und Schüler der „Fridays for Future“-Bewegung. Wie das gehen kann, machen Länder wie Finnland und Neuseeland vor.
- Offensive in der Berufsausbildung: Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge liegt deutlich unter dem Niveau der Vor-Corona-Zeit. Dabei werden ausgebildete Fachkräfte dringend gebraucht. Die Bundesregierung will eine „Exzellenzinitiative Berufliche Bildung“ auf den Weg bringen, um die Berufsausbildung attraktiver zu machen. Zudem soll ein Pakt zur Stärkung der berufsbildenden Schulen beschlossen werden.
- Mehr Förderung durch BAföG-Reform: Ein erster Schritt zu einer attraktiveren Ausbildung soll die BAföG-Reform für Auszubildende und Studierende sein. In den vergangenen Jahren gab es immer weniger BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger. Nun sollen Fördersätze und Freibeträge erhöht werden. Langfristig soll die Ausbildungsförderung durch eine Grundsicherung auch elternunabhängiger werden.
- Frühkindliche Bildung: In den Kitas bleibt die Qualität oft auf der Strecke, weil es nicht genügend Erzieherinnen und Erzieher gibt. Das Gute-KiTa-Gesetz sollte das mithilfe von Bundesmitteln ändern. Doch die Erwartungen gehen nicht auf. Angesichts des Erziehernotstands hat der Gemeindetag in Baden-Württemberg sogar gefordert, Qualitätsstandards zeitweise herabzusetzen.
- Privater Bildungssektor: Die nicht staatlichen Akteure gewinnen in der Bildungslandschaft an Bedeutung. Laut UNESCO-Weltbildungsbericht befanden sich 2021 in Deutschland zum Beispiel zwei Drittel aller Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft. Die Zahl der Studierenden an privaten Hochschulen hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als versiebenfacht. Die UNESCO fordert in ihrem Bericht die Bildungsakteure auf, Chancengerechtigkeit bei der Finanzierung von Bildung konsequent mitzudenken.
- Bildungsdaten nutzen: Alle zwei Jahre erscheint in Deutschland der Nationale Bildungsbericht. Die Analyse im Auftrag der Kultusministerkonferenz der Länder und des Bundesbildungsministeriums zeigt, wie sich alle Bereiche des Bildungswesens entwickeln – von der Kita über das Studium und die Ausbildung bis zur Weiterbildung. Im Juni 2022 erscheint der neue Bildungsbericht. Spannend wird, ob die Länder daraus gemeinsame Schlüsse ziehen.
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