Frauen im Wissenschaftsbetrieb: Diese Sachen müssen sich ändern
Wie kann man Frauen und Mütter im Wissenschaftsbetrieb besser fördern? Das fragten wir die ZEIT für Forschung-Community im letzten Newsletter. Die vielen Anregungen und Forderungen sind einen eigenen Beitrag wert.
Die schwierige Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Karriere und Mutterschaft war im Oktober das Thema unseres Interviews mit den Autorinnen Sarah Czerney und Lena Eckert. Die beiden Wissenschaftlerinnen prangern viele Missstände in der Wissenschaft an, nennen aber auch Maßnahmen, mit denen die ungleichen Geschlechterverhältnisse bewältigt werden könnten. Wir wollten mehr Ideen zu diesem Thema sammeln – und haben daher im letzten ZEIT für Forschung-Newsletter unsere Community gefragt: Haben Sie Tipps für Frauen im Wissenschaftsbetrieb?
Dass der Frauenanteil abnimmt, je höher es auf der akademischen Karriereleiter geht, ist kein Geheimnis. Die Gründe liegen zum einen in den Arbeitsbedingungen der Wissenschaftsinstitutionen – Stichwort Wissenschaftszeitvertragsgesetz –, zum anderen aber auch in sozialen Faktoren. So wird in Deutschland die sogenannte Care-Arbeit immer noch größtenteils von Frauen übernommen, die dann im Beruf zurückstecken. Und natürlich spielt auch der Gender Bias eine Rolle bei Beförderungen. Die Ursachen für die ungleiche Geschlechterverteilung in der Wissenschaft sind also divers – entsprechend vielfältig sind die Lösungsvorschläge, die uns erreichten. Es geht um flexiblere Arbeitsmodelle, Anreize wie Mentoringprogramme und zuverlässige Kinderbetreuungsangebote. Hier eine Auswahl von Statements aus unserer Community:
Arbeitsmodelle in der Wissenschaft neu denken
„Es braucht mehr Jobsicherheit und unbefristete Verträge. Durch die befristeten Verträge wird der Druck aufgebaut, immer 120 Prozent leisten zu müssen und auch in Mutterschutz und Elternzeit zu arbeiten, was viele sich neben der Kinderbetreuung und später eventuell in Teilzeit nicht leisten können oder wollen. Die Frauen mit Kindern, die es schaffen, die gläserne Decke zu durchbrechen, haben dies oft stark auf Kosten der Zeit mit ihren Kindern geschafft“, berichtet eine Leserin.
Die Frauen mit Kindern, die es schaffen, die gläserne Decke zu durchbrechen, haben dies oft stark auf Kosten der Zeit mit ihren Kindern geschafft.
ZEIT für Forschung-Leserin
Andere Leser:innen haben ähnliche Ideen, wie man Arbeitsmodelle im Wissenschaftsbetrieb strukturieren könnte, um Frauen und Eltern entgegenzukommen. Sie schlagen
- „flexible Arbeitszeiten,
- familienfreundliche Meetingzeiten,
- Kinderbetreuung auf Konferenzen und
- hybride Meetingformen“ vor.
Gremiensitzungen sollten „zu kinderfreundlichen Zeiten stattfinden“. Und Mutterschaft sollte auch bei Lehrverpflichtungen berücksichtigt werden, etwa durch die angepasste „Vergabe von Vorlesungen und Seminaren und die Bereitstellung einer Korrekturassistenz“.
Eine Leserin fordert „weniger Befristungen sowie gesetzlich geregelte Projektverlängerungen bei Elternschaft“. Außerdem bekamen wir die Anregung, das Wissenschaftszeitgesetz am besten gleich ganz abzuschaffen und dafür ein „flexibleres Rollenverständnis von Professor:innen“ zu fördern.
Anreize für Mädchen und Frauen schaffen
Einige Leser:innen sind der Meinung, es gebe generell nicht genug Anreize für Frauen, eine Karriere in der Forschung anzutreten. Sie schlagen vor, „Stellenbeschreibungen zu überprüfen und eventuell zu ändern, damit sie für Frauen geeigneter und flexibler sind“. Andere sehen den Bedarf, das Interesse an Wissenschaft speziell bei Mädchen zu wecken und zu fördern. Man solle Frauen zudem Mut machen, ihren erarbeiteten Platz auch einzufordern und einzunehmen.
Mehr Positionen an Frauen
Andere Leser:innen finden, es seien eher die Wissenschaftsinstitutionen selbst, die Anreize bräuchten, um ihr ungleiches Geschlechterverhältnis zu verbessern. Derartige Anreize könnten Quoten oder Fördermittel sein: „Wir brauchen verbindliche Quoten bei Berufungen und bei Führungspositionen“, schreibt uns ein:e Leser:in. Auch kam der Vorschlag, Forschungsfördermittel nur an Einrichtungen auszuzahlen, die über eine ausgeglichene Geschlechterrepräsentanz und verbindliche Förderpläne verfügen.
Kinderbetreuung ausweiten
Die Frage der Kinderbetreuung beschäftigt viele unserer Leser:innen. Neben den Angeboten von staatlicher und betrieblicher Seite sprechen sie sich dafür aus, Männer mehr in die Erziehungsarbeit einzubeziehen. Ein Wunsch lautet hier: „Es muss selbstverständlicher werden, dass auch Männer Elternzeit nehmen. Eine brauchbare gesamtgesellschaftliche Lösung kann nicht darin bestehen, Kleinkinder möglichst früh fremdbetreuen zu lassen, damit auch Mütter zurück in den Beruf gehen können.“ Andere Leser:innen teilen den Gedanken, sprechen sich aber für gesetzliche Lösungen aus, zum Beispiel für eine „verpflichtende Elternzeit für die Väter“ und „gesetzliche Anreize für Männer, Erziehungsurlaub zu nehmen“.
Aus der Community kamen auch diese Vorschläge: „Die Kinderbetreuung sollte – wie in Frankreich, Belgien und anderen europäischen Ländern – ab drei Monaten gratis sein. Universitäten könnten wie größere Betriebe eigene Kinderbetreuungseinrichtungen anbieten für alle an der Universität beteiligten Personen – ob für forschende oder studierende Personen.“ Eine andere Idee ist ein „dualer Career-Service“ für „Kinderbetreuung nach 17 Uhr und am Wochenende“.
Erziehungsarbeit sichtbar machen
Alle erwähnten Lösungsvorschläge setzen allerdings eines voraus: Verständnis für Menschen, die neben ihrer Forschungsarbeit auch Erziehungs- oder andere Care-Arbeit leisten müssen. Ein:e Leser:in wünscht sich deshalb Folgendes: „Verständnisförderung bei den Arbeitgebern, die häufig Männer jenseits der 50 sind und sich aufgrund der Erziehungsbereitschaft ihrer Frauen nicht zwischen Kind und Karriere entscheiden mussten. Vielleicht brauchen sie verpflichtende Workshops oder verpflichtende Infotage?!“ Darüber hinaus sollten Frauen mit Kindern automatisch mit ihrer Stelle Zugriff auf Hiwis haben, die bei der Forschungsarbeit unterstützen. „Es gibt unzählige Möglichkeiten. Aber allein schon die Schwierigkeit, sich dafür rechtfertigen zu müssen, dass man sein Kind abholen muss und nicht bis 20 Uhr im Büro bleiben kann, sollte endlich bei allen ankommen.“
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