ZEIT für X
Unwahrscheinliche Partnerschaften für nachhaltige Wirkung

Unwahrscheinliche Partner­schaften für nach­haltige Wirkung

17. März 2023
Ein Artikel von Studio ZX

Flora Rosenow berät Unternehmen, wie sie sich stra­tegisch aufstellen, um im sozia­len und öko­lo­gischen Bereich mehr ausrich­ten zu können. Dahinter steckt eine Kon­kre­tisie­rung des Buzz­words Nachhaltigkeit.

von Kristina Kara, Studio ZX

Studio ZX: Frau Rosenow, das Wort „Nach­haltig­keit“ wurde bereits einige Male als Unwort des Jahres vorgeschlagen. Daran ist die infla­tionäre Verwendung des Wortes nicht ganz unschuldig. Sie setzen sich für Impact ein. Was genau ist eigentlich darunter zu verstehen?

Flora Rosenow: Nachhaltigkeit und Impact gehen Hand in Hand. Impact steht für Wirkung, und diese sollte die eigentliche Richt­schnur für Unternehmen sein, die sich nach­haltiger aufstellen möchten. Anstatt sich nur auf das direkte Handeln zu fokussieren, sollten Unternehmen sich auch damit beschäftigen, welche Auswir­kungen dieses Handeln hat und welche Potenziale oft selbst die kleinsten Stell­schrauben haben können wie die Analyse und Anpassung der eigenen Liefer­kette. So entwickelt sich das Thema Nachhal­tigkeit von einem Reporting-Thema – welches es häufig und zuletzt verstärkt durch die neuen ESG-Regularien noch ist – hin zu einer Trans­formation der Wirt­schaft, sowohl in der ökolo­gischen als auch in der sozialen Dimension.

Flora Rosenow berät Unternehmen
© privat

Flora Rosenow gründete 2021 ihr Beratungs­unternehmen branding impact. Nach ihrem Master in International Marketing & Strategic Brand Management verantwortete sie das globale Marketing und Branding des Netz­werkes Impact Hub. Seit über zehn Jahren ist sie im Nachhaltig­keits­bereich tätig. 2015 wurde sie für die Ent­wick­lung des heute interna­tional bekannten Climathon, eines Hackathon zum Klima­wandel, mit dem Guardian Sustainable Business Award ausgezeichnet.

Bei impactorientierten Unternehmen ist Wirkung also Teil ihres Geschäfts­modells. Wie passt eine derartige Unternehmens­strategie zu der aktuell viel­zitier­ten Idee des „grünen Wachstums“?

Im Zuge meiner Zusammen­arbeit mit der Global Alliance for Social Entre­preneur­ship des Weltwirt­schafts­forums haben wir intensiv über den Wachstums­begriff diskutiert: Der Wachstums­zwang des traditio­nellen Kapita­lismus passt in der Tat nicht besonders gut zur Impact-Idee. Wenn wir aber an ein regeneratives, zirkuläres Wachstum denken, sieht es schon anders aus. Dann ist plötzlich ein großes Potenzial für echte Trans­formation zu erkennen. Unsere Wirtschaft kann einen fundamental anderen Umgang mit Ressourcen entwickeln: von der Verschwen­dung und Ausbeutung hin zu Scho­nung und länger­fristig sogar zu Aufbau.

Was genau brauchen wir denn Ihrer Ansicht nach, damit diese Transformation gelingt?

Ich sehe hier insbesondere in der Zusammen­arbeit von sozial- und ökologisch orien­tierten Start-ups und etablierten Unter­nehmen eine große Chance – vorausgesetzt, diese Zusammen­arbeit findet auf Augenhöhe statt. Die jungen Unter­nehmen haben häufig Lösungen parat, deren Entwicklung in gewachsenen Strukturen viel länger brauchen würde. Diese Unter­nehmen können wiederum von der Stärke und den Strukturen der großen profitieren, um ihre Inno­vationen zu skalieren. Bereits vor einigen Jahren habe ich im Zuge eines Programms eine große Urlaubs­buchungs­platt­form mit einem kleinen Anbieter für nachhaltige Mobilität vor Ort verknüpft. Diese als „unwahr­scheinliche Partner­schaften“ bezeichneten Koopera­tionen können extrem viel­ver­sprechend sein, auch wirt­schaftlich, wenn sie in einvernehm­lichem Vertrauen und Respekt stattfinden.

Am 25. April 2023 ist es wieder so weit: Gemeinsam mit der ZEIT für Klima-Community wollen wir über die wohl wichtigsten Aufgaben unserer Zeit diskutieren: den Klima-  und Umwelt­schutz. Melden Sie sich schon heute an und sichern Sie sich kostenfrei Ihren Zugang für die Abend­veran­staltung an. Seien Sie live dabei, wenn wir gemeinsam mit Martina Merz, Vorsitzende des Vorstands bei thyssenkrupp, und Prof. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klima­folgenf­orschung (PIK), darüber sprechen, wie Deutschland als Industrie­standort im globalen Kontext wettbewerbs­fähig bleiben und gleichzeitig die nach­haltige Entwick­lung der Wirtschaft vorantreiben kann.

Wir freuen uns, Sie virtuell zugeschaltet begrüßen zu dürfen.

Mit welchen Argumenten lassen sich Skeptiker:innen noch für das Thema Impact begeistern?

Der Markt spricht für sich: Dem Edelman Trust Barometer 2021 zufolge wollen 78 Prozent der Konsument:innen weltweit, dass Unter­nehmen die Gesell­schaft besser machen. Eine nach­haltige Ausrichtung wirkt außerdem stark nach innen: In Zeiten von Fachkräfte­mangel und einer nachkommenden Generation, die zunehmend Wert auf Purpose und Nachhaltig­keit legt, werden Unternehmen nicht nur als Marken, sondern auch als Arbeit­geber interessanter, wenn sie sich nach­haltiger aufstellen.

Lassen Sie uns konkret über Deutschland als Standort sprechen. Wie schätzen Sie die Marktbe­dingungen für Unternehmen ein, die sich impact­orientierter aufstellen wollen?

Tatsächlich recht durchwachsen. Ich bin manchmal etwas erstaunt über den Digitali­sierungs­grad hierzulande. Vor einigen Tagen habe ich einen Workshop in Estland gegeben. Dieses kleine Land ist so viel weiter als wir und gibt damit auch mehr Raum für Innovationen. Zudem wird das Gründen – gerade mit Impact-Fokus – in Deutschland immer noch recht schwer gemacht. Viele ambitionierte Gründer:innen, die ich berate, sind zwischen­zeitlich von der Bürokratie etwas entmutigt. Es gibt aber auch Positives: Ich habe eine europaweite Kampagne für das European Social Enterprise Network geleitet, in dem sich einige Netzwerke für impact­orientierte Unternehmen organisieren. Deutschland war beispiels­weise eine Sechs der ersten Länder, das 2017 ein nationales Netzwerk für Social Entre­preneur­ship errichtet hat. Heute umfasst das Netzwerk mehr als 450 Mitglieder.

Welche Tipps geben Sie Unternehmen, die sich in Richtung Impact bewegen möchten?

Es ist eigentlich ganz einfach: nichts behaupten, was sich nicht belegen lässt. Impact muss messbar sein und ist daher zahlen­getrieben. Dazu kommt die emotionale Komponente: Eine Marken­strategie ist immer darauf aus, Menschen lang­fristig an sich zu binden. Das geschieht nie nur auf rationaler Basis. Wer Impact mit Story­telling kombiniert, schafft es, seine Wirkung bestehenden und potenziellen Kund:innen einfacher zugäng­lich zu machen und sie so im Ideal­fall auch stärker an sich zu binden. Im Klartext heißt das, Zahlen mit authen­tischen Geschichten zum Leben zu erwecken und so den vielschichtigen Begriff Nachhaltig­keit auf das, was man konkret als Unternehmen macht, runterzu­brechen. Eine 180-Grad-Wendung nimmt einem kein:e Konsumt:in ab. Aber sich ehrlich aufzustellen, sichtbar zu machen, woran man arbeitet, und Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen, ist etwas, dass Konsument:innen generell schätzen.

Leitfragen für mehr Impact im Unternehmen:

  1. Was wollen wir? Was können wir? Was passt zu uns?
  2. Wo stehen wir jetzt? Was liegt in unserer Verantwortung und unseren Möglichkeiten?
  3. Was wollen wir ändern? Welche Schritte müssten wir gehen, um unser gesetztes Ziel zu erreichen?
  4. Wie können wir unsere Wirkung messen? Was sind hier verlässliche Indikatoren?
  5. Welche Stellen in unserem Unternehmen sollten involviert sein? Wer stellt sicher, dass der Veränderungs­prozess intern getragen wird, um keine Authen­tizität zu verlieren?
  6. Wie können wir unsere Marke so weiter­entwickeln, dass die Impact-Orientierung ihr Potenzial sowohl intern als auch extern entfalten kann?

Wie kann man sicherstellen, dass bei der Entwicklung einer impact­orientierten Marken­strategie kein Green- oder Social­washing stattfindet?

Natürlich beobachte ich auch Unternehmen, die sich Nach­haltig­keit auf die Fahnen schreiben und dann tatsächlich Green- und Social­washing betreiben. Aber ich sehe auch viele Firmen, die eigentlich Erfolgs­geschichten zu erzählen hätten, diese aber (noch) nicht richtig kommunizieren können. Die Unternehmen, die wirklich weit sind, sind oft die, die am beschei­densten kommunizieren. Sie haben die Problematik zumeist ganzheitlich verstanden und machen dann eher öffentlich, dass es immer noch viel zu tun gibt, aber dass sie daran arbeiten.