Unwahrscheinliche Partnerschaften für nachhaltige Wirkung
Flora Rosenow berät Unternehmen, wie sie sich strategisch aufstellen, um im sozialen und ökologischen Bereich mehr ausrichten zu können. Dahinter steckt eine Konkretisierung des Buzzwords Nachhaltigkeit.
Studio ZX: Frau Rosenow, das Wort „Nachhaltigkeit“ wurde bereits einige Male als Unwort des Jahres vorgeschlagen. Daran ist die inflationäre Verwendung des Wortes nicht ganz unschuldig. Sie setzen sich für Impact ein. Was genau ist eigentlich darunter zu verstehen?
Flora Rosenow: Nachhaltigkeit und Impact gehen Hand in Hand. Impact steht für Wirkung, und diese sollte die eigentliche Richtschnur für Unternehmen sein, die sich nachhaltiger aufstellen möchten. Anstatt sich nur auf das direkte Handeln zu fokussieren, sollten Unternehmen sich auch damit beschäftigen, welche Auswirkungen dieses Handeln hat und welche Potenziale oft selbst die kleinsten Stellschrauben haben können wie die Analyse und Anpassung der eigenen Lieferkette. So entwickelt sich das Thema Nachhaltigkeit von einem Reporting-Thema – welches es häufig und zuletzt verstärkt durch die neuen ESG-Regularien noch ist – hin zu einer Transformation der Wirtschaft, sowohl in der ökologischen als auch in der sozialen Dimension.
Flora Rosenow gründete 2021 ihr Beratungsunternehmen branding impact. Nach ihrem Master in International Marketing & Strategic Brand Management verantwortete sie das globale Marketing und Branding des Netzwerkes Impact Hub. Seit über zehn Jahren ist sie im Nachhaltigkeitsbereich tätig. 2015 wurde sie für die Entwicklung des heute international bekannten Climathon, eines Hackathon zum Klimawandel, mit dem Guardian Sustainable Business Award ausgezeichnet.
Bei impactorientierten Unternehmen ist Wirkung also Teil ihres Geschäftsmodells. Wie passt eine derartige Unternehmensstrategie zu der aktuell vielzitierten Idee des „grünen Wachstums“?
Im Zuge meiner Zusammenarbeit mit der Global Alliance for Social Entrepreneurship des Weltwirtschaftsforums haben wir intensiv über den Wachstumsbegriff diskutiert: Der Wachstumszwang des traditionellen Kapitalismus passt in der Tat nicht besonders gut zur Impact-Idee. Wenn wir aber an ein regeneratives, zirkuläres Wachstum denken, sieht es schon anders aus. Dann ist plötzlich ein großes Potenzial für echte Transformation zu erkennen. Unsere Wirtschaft kann einen fundamental anderen Umgang mit Ressourcen entwickeln: von der Verschwendung und Ausbeutung hin zu Schonung und längerfristig sogar zu Aufbau.
Was genau brauchen wir denn Ihrer Ansicht nach, damit diese Transformation gelingt?
Ich sehe hier insbesondere in der Zusammenarbeit von sozial- und ökologisch orientierten Start-ups und etablierten Unternehmen eine große Chance – vorausgesetzt, diese Zusammenarbeit findet auf Augenhöhe statt. Die jungen Unternehmen haben häufig Lösungen parat, deren Entwicklung in gewachsenen Strukturen viel länger brauchen würde. Diese Unternehmen können wiederum von der Stärke und den Strukturen der großen profitieren, um ihre Innovationen zu skalieren. Bereits vor einigen Jahren habe ich im Zuge eines Programms eine große Urlaubsbuchungsplattform mit einem kleinen Anbieter für nachhaltige Mobilität vor Ort verknüpft. Diese als „unwahrscheinliche Partnerschaften“ bezeichneten Kooperationen können extrem vielversprechend sein, auch wirtschaftlich, wenn sie in einvernehmlichem Vertrauen und Respekt stattfinden.
Mit welchen Argumenten lassen sich Skeptiker:innen noch für das Thema Impact begeistern?
Der Markt spricht für sich: Dem Edelman Trust Barometer 2021 zufolge wollen 78 Prozent der Konsument:innen weltweit, dass Unternehmen die Gesellschaft besser machen. Eine nachhaltige Ausrichtung wirkt außerdem stark nach innen: In Zeiten von Fachkräftemangel und einer nachkommenden Generation, die zunehmend Wert auf Purpose und Nachhaltigkeit legt, werden Unternehmen nicht nur als Marken, sondern auch als Arbeitgeber interessanter, wenn sie sich nachhaltiger aufstellen.
Lassen Sie uns konkret über Deutschland als Standort sprechen. Wie schätzen Sie die Marktbedingungen für Unternehmen ein, die sich impactorientierter aufstellen wollen?
Tatsächlich recht durchwachsen. Ich bin manchmal etwas erstaunt über den Digitalisierungsgrad hierzulande. Vor einigen Tagen habe ich einen Workshop in Estland gegeben. Dieses kleine Land ist so viel weiter als wir und gibt damit auch mehr Raum für Innovationen. Zudem wird das Gründen – gerade mit Impact-Fokus – in Deutschland immer noch recht schwer gemacht. Viele ambitionierte Gründer:innen, die ich berate, sind zwischenzeitlich von der Bürokratie etwas entmutigt. Es gibt aber auch Positives: Ich habe eine europaweite Kampagne für das European Social Enterprise Network geleitet, in dem sich einige Netzwerke für impactorientierte Unternehmen organisieren. Deutschland war beispielsweise eine Sechs der ersten Länder, das 2017 ein nationales Netzwerk für Social Entrepreneurship errichtet hat. Heute umfasst das Netzwerk mehr als 450 Mitglieder.
Welche Tipps geben Sie Unternehmen, die sich in Richtung Impact bewegen möchten?
Es ist eigentlich ganz einfach: nichts behaupten, was sich nicht belegen lässt. Impact muss messbar sein und ist daher zahlengetrieben. Dazu kommt die emotionale Komponente: Eine Markenstrategie ist immer darauf aus, Menschen langfristig an sich zu binden. Das geschieht nie nur auf rationaler Basis. Wer Impact mit Storytelling kombiniert, schafft es, seine Wirkung bestehenden und potenziellen Kund:innen einfacher zugänglich zu machen und sie so im Idealfall auch stärker an sich zu binden. Im Klartext heißt das, Zahlen mit authentischen Geschichten zum Leben zu erwecken und so den vielschichtigen Begriff Nachhaltigkeit auf das, was man konkret als Unternehmen macht, runterzubrechen. Eine 180-Grad-Wendung nimmt einem kein:e Konsumt:in ab. Aber sich ehrlich aufzustellen, sichtbar zu machen, woran man arbeitet, und Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen, ist etwas, dass Konsument:innen generell schätzen.
Leitfragen für mehr Impact im Unternehmen:
- Was wollen wir? Was können wir? Was passt zu uns?
- Wo stehen wir jetzt? Was liegt in unserer Verantwortung und unseren Möglichkeiten?
- Was wollen wir ändern? Welche Schritte müssten wir gehen, um unser gesetztes Ziel zu erreichen?
- Wie können wir unsere Wirkung messen? Was sind hier verlässliche Indikatoren?
- Welche Stellen in unserem Unternehmen sollten involviert sein? Wer stellt sicher, dass der Veränderungsprozess intern getragen wird, um keine Authentizität zu verlieren?
- Wie können wir unsere Marke so weiterentwickeln, dass die Impact-Orientierung ihr Potenzial sowohl intern als auch extern entfalten kann?
Wie kann man sicherstellen, dass bei der Entwicklung einer impactorientierten Markenstrategie kein Green- oder Socialwashing stattfindet?
Natürlich beobachte ich auch Unternehmen, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreiben und dann tatsächlich Green- und Socialwashing betreiben. Aber ich sehe auch viele Firmen, die eigentlich Erfolgsgeschichten zu erzählen hätten, diese aber (noch) nicht richtig kommunizieren können. Die Unternehmen, die wirklich weit sind, sind oft die, die am bescheidensten kommunizieren. Sie haben die Problematik zumeist ganzheitlich verstanden und machen dann eher öffentlich, dass es immer noch viel zu tun gibt, aber dass sie daran arbeiten.