Generationswechsel sind immer ein Drahtseilakt
ZEIT RedaktionSabrina Binz führt den Gerüstbauer Paul Becker aus Denzlingen mit ihrem Vater und ihrer Schwester. Hier erklärt sie, wie Familienunternehmer die Nachfolge regeln können
Welche Netzwerke bilden Unternehmerinnen und Unternehmer? Jeden Monat stellen wir Ihnen hier eine Persönlichkeit vor, die Fragen eines anderen Unternehmers beantwortet – und dann einer anderen Unternehmerin selbst welche stellt.
In dieser Folge beantwortet Sabrina Binz die Fragen von Fritz Keller, einem der bekanntesten Winzer, Weinhändler und Gastronomen der Republik.
Fritz Keller: Die ganze Welt redet von Nachhaltigkeit. Wenn man die Lupe auf die Familienunternehmen legt, die in Generationen denken und handeln, sieht man aber, dass die politischen Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wirtschaften immer schwieriger werden. Die neue junge Generation ist meist nicht bereit, diese Risiken und die Arbeit auf sich zu nehmen. Was muss man deines Erachtens tun und ändern?
Sabrina Binz: Zunächst mal sind Generationswechsel immer ein Drahtseilakt, der Respekt von allen Beteiligten erfordert. Die nachrückende Generation muss der abtretenden Respekt entgegenbringen – und die abtretende Generation der nachrückenden Freiheiten lassen. Solche Freiheiten sind auch deswegen wichtig, weil die Regulierung in Deutschland unternehmerisches Denken und Handeln oft erschwert und gute Ideen oft von Vorschriften ausgebremst werden, was sehr demotivierend sein kann. Zugleich wird es gesellschaftlich nicht gewürdigt, wenn man die Dinge als Unternehmer in die Hand nimmt und dafür Risiken eingeht – noch dazu im Handwerk. Junge Menschen kriegen immer wieder zu hören, sie sollten studieren. Viele fragen sich aus diesen Gründen: Warum soll ich mir Unternehmertum antun?
Ich habe mich trotzdem dafür entschieden. Obwohl die Regulierung gerade in der Abfallwirtschaft viel Zeit und Nerven kostet und zum Beispiel dafür sorgt, dass neue Recyclinganlagen nur mit sehr viel Bürokratie genehmigt werden. Und damit bin ich bei dem Punkt, den du ansprichst: Spielregeln sind wichtig, aber sie dürfen mehr Nachhaltigkeit nicht erschweren, sondern müssen ihn erleichtern. Und wir brauchen die Politik wieder als Unterstützer des Unternehmertums und nicht als Unternehmens-Verhinderer mit einer ausartenden Bürokratie.
Sabrina Binz, 36, leitet zusammen mit ihrem Vater Harald Becker und ihrer Schwester Vanessa Binz das Unternehmen Paul Becker aus Denzlingen. Das Familienunternehmen hat mehrere Standbeine und ist unter anderem in der Abfallwirtschaft tätig, vermietet aber auch Arbeitsbühnen. Sabrina Binz verantwortet den Containerdienst und den Gerüstbau.
Du bist diesen unbequemen und zeitraubenden Weg gegangen. Weshalb? Und was schlägst du Familienbetrieben und Jungunternehmen vor, um den Start zu erleichtern?
Ich wollte schon immer Unternehmerin sein, für mich kommt Unternehmer vom Verb unternehmen. Mein Vater Harald, der unser Unternehmen mit meiner Schwester Vanessa und mir leitet, hat uns bei diesem Wunsch immer gefördert, aber auch gefordert. Als ich mir mit 16 einen Motorroller gewünscht habe, hat er gesagt: Den Wunsch kannst du dir am besten selbst erfüllen, indem du bei uns arbeitest. So habe ich das Unternehmen früh von innen kennengelernt. Als ich dann nach dem Studium in die Firma eingestiegen bin, bin ich nicht als Chefin gekommen, sondern habe erst mal so gut wie jeden Job gemacht, den man bei uns machen kann. Ich saß an der Waage, bei der unsere Fahrzeuge die Abfälle anliefern, ich saß im Vertrieb und in der Disposition. Das hat mir geholfen zu verstehen, welche Verantwortung ich als Unternehmerin trage. Mein Rat an andere Unternehmerinnen und Unternehmer lautet daher: Zeigen Sie Ihren Kindern früh, was Sie tun, und machen Sie ihnen Lust darauf, mit ihren Mitarbeitern etwas zu erschaffen.
Wie bist du deinen Weg gegangen als Frau in einer doch sehr männerdominierten Branche?
Mir war und ist es wichtig, alles selbst beurteilen zu können. Deswegen bin ich beispielsweise mit Anfang 20 zum ersten Mal Bagger gefahren. Und ich fahre auch heute auf jedem neuen Bagger, den wir anschaffen. Und ich steige auf jedes größere Gerüst. Das hat mir viel Respekt eingebracht. Und wenn ich heute Männer aus der Abfallwirtschaft und dem Gerüstbau treffe, dann sprechen wir dieselbe Sprache – und darauf kommt es an. Diskriminierung habe ich dagegen nie erlebt.
Was kann die Abfallwirtschaft zur Verbesserung der Umweltbelastungen beitragen?
Abfallwirtschaft verstehe ich als Kreislaufwirtschaft, die dazu einen großen Beitrag leisten kann. Vor allem, indem wir bereits beim Primärkunden die Abfälle so sortenrein wie möglich sortieren. Da kann jeder seinen persönlichen Beitrag leisten, indem er wirklich schon bei der Entstehung trennt, so gut es geht. Denn je sortenreiner Abfälle sind, umso besser lassen sie sich recyceln – und umso weniger davon muss verbrannt werden. Deswegen investieren wir laufend in bessere Aufbereitungstechniken. Und wir informieren unsere Kundinnen und Kunden im Detail darüber, welche Wertstoffe zusammen entsorgt werden dürfen und welche nicht.
Wie verändert sich die Abfallwirtschaft in der aktuellen Energiekrise und sind wir darauf vorbereitet?
Wir spüren die Krise auf mehrfache Weise. Unsere Lastwagen und Bagger und Aufbereitungsmaschinen sind dieselbetrieben, und das ist inzwischen deutlich teurer als noch vor einem Jahr; diesen Preisanstieg können wir nur begrenzt weitergeben. Außerdem haben viele Stahlwerke ihre Produktionskapazitäten verringert, deswegen nehmen sie uns weniger gebrauchten Stahl ab. Das gleiche gilt für viele Papierfabriken. Zugleich nehmen aber auch die Anreize zu, aus Abfällen Energie zu gewinnen; dafür bräuchten wir dringend mehr Anlagen. Und es wird attraktiver, elektrobetriebene Bagger einzusetzen. Noch haben wir uns zwar keinen zugelegt. Aber ich bin schon einen Probe gefahren – und bin sicher, dass es in absehbarer Zeit so weit sein wird. Die nötigen Ladesäulen haben wir jedenfalls schon.