Unter Starkstrom
ZEIT RedaktionDieter Ortmann ist Fotovoltaik-Unternehmer aus Waltershausen. Zu Besuch bei jemandem, der seit dem Ukraine-Krieg so volle Auftragsbücher hat, dass er Kunden vertrösten muss – oder gar nicht mehr ans Telefon geht.
Dieter Ortmann könnte den ganzen Tag telefonieren, so viele Menschen wollen gerade was von ihm. Besucht man ihn auf dem Dreiseitenhof in Waltershausen in Thüringen, in dem sein Unternehmen sitzt, dann steht er da im Gang – und redet in sein Smartphone. Wie er es schon zu Hause getan hat, kurz nach dem Aufstehen. Oder im Auto, mit dem er dann zur Arbeit gefahren ist. Oder später am Tag im Büro, als ihn ein Politiker anrufen und um Rat fragen wird.
Dieter Ortmann könnte den ganzen Tag telefonieren, so viele Menschen wollen gerade was von ihm. Besucht man ihn auf dem Dreiseitenhof in Waltershausen in Thüringen, in dem sein Unternehmen sitzt, dann steht er da im Gang – und redet in sein Smartphone. Wie er es schon zu Hause getan hat, kurz nach dem Aufstehen. Oder im Auto, mit dem er dann zur Arbeit gefahren ist. Oder später am Tag im Büro, als ihn ein Politiker anrufen und um Rat fragen wird.
Um den Stau an Anfragen und Aufträgen abzuarbeiten, braucht Ortmann Leute. 38 Mitarbeitende hat er schon, 13 Stellen sind offen. Für Elektriker. Elektrotechniker. Elektroplaner. Sogar „Quereinsteiger und Durchstarter“ sucht er gerade, so steht es auf seiner Website. „Erweitere Deinen Horizont in einer der spannendsten und schnell wachsenden Branchen“, steht da. Und: „Sofort den Sinn in Deinen Aufgaben und Deiner Arbeit sehen“, das sei bei der Solarfirma möglich.
Zwei neue Mitarbeiter hat er gerade gefunden, um neun Uhr an diesem Tag ist ein Treffen mit ihnen angesetzt, kurze Begrüßung, ein paar Worte zur 2008 gegründeten Firma. Dann sagt Ortmann ihnen im Stakkato, warum Solarenergie sich für Kunden lohnt, er wirft mit Zahlen um sich, rechnet auf seinem Smartphone etwas vor, redet über Renditen und return of invest. All das sollen seine Mitarbeiter den Kunden auf einer „Bierdeckelrechnung“ erklären können, also so einfach wie möglich. Im Detail müsse man den Kunden den Nutzen einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach gar nicht mehr erklären. Sie wollen einfach nur unabhängiger von den steigenden Energiekosten werden. Koste es, was es wolle. „Vertrieb haben wir früher mal gemacht“, sagt Ortmann. „Heute geht’s nur noch um die Unterschrift.“
Es sei doch so: Für viele Hausbesitzer müsse sich eine Anlage nicht einmal mehr rentieren, hat Ortmann beobachtet. „Die meisten wollen Notstrom“, erklärt der Unternehmer. Er liefert ihnen dann zusätzlich zur Fotovoltaikanlage Speichermodule, mit denen sich die Stromversorgung zu Hause aufrechterhalten lässt, falls aus dem Netz kein Strom mehr kommt, weil zum Beispiel Hacker ein Umspannwerk lahmgelegt haben. Notstrom, das ist Ortmanns Verkaufsschlager aktuell, auch wenn so eine Batterie etwa 4000 Euro kostet.
Seit dem Krieg drehen die Leute durch. Jetzt wollen sie alle Solardächer, aber das können wir gar nicht bedienen.
Dieter Ortmann
Viele Unternehmen und Privatleute wollen jetzt ihren Strom selbst produzieren, jeder vierte Hausbesitzer will dieses Jahr in eine Solaranlage investieren, das belegen Zahlen des Marktforschungsinstituts Appino. „Seit dem Krieg drehen die Leute durch. Jetzt wollen sie alle Solardächer“, sagt Ortmann, „aber das können wir gar nicht bedienen.“
Aktuell, überschlägt Ortmann, muss sein Team jeden Kunden im Schnitt etwa durchschnittlich zwei Wochen warten lassen – auf eine erste Rückmeldung wohlgemerkt. Wer bei dem Waltershausener Unternehmen anruft, wird direkt von einer Stimme vom Band vorgewarnt. Auf der Website seiner Firma steht ein gelbes Banner, ein „Gedulds-Update“: Man freue sich über jede Anfrage, aber wegen der schieren Menge sei es „leider derzeit nicht möglich, Ihnen zu antworten“. Ein Mitarbeiter telefoniere ständig Wartelisten ab, falls jemand abspringt. Etwa 400 Kunden bedient Ortmanns Firma im Jahr, 50 davon sind gewerbliche Kunden.
Die Solarbranche war lange in Verruf.
Dieter Ortmann
Dieter Ortmann kennt auch noch die Zeiten, in denen das Geschäft härter war. „Die Solarbranche war lange in Verruf“, sagt der Unternehmer. Zwar löste das Erneuerbare-Energien-Gesetz nach dem Jahr 2000 einen Boom aus, weil es festlegte, dass grüner Strom über die EEG-Umlage vergütet wird. So wuchs auch die Solarindustrie in Deutschland, Hersteller wie Solarworld und Q-Cells stiegen zu Weltmarktführern auf. Ab 2012 aber wurde die Förderung schrittweise beschnitten, in Deutschland gingen viele Unternehmen pleite, auch weil die Konkurrenz in China laufend günstiger produzierte. Von einst mehr als 150.000 Beschäftigten in der Solarindustrie im Jahr 2011 ist heute nur knapp ein Drittel übrig.
Das waren auch für Ortmann keine guten Jahre, weil weniger Solarpanels verlegt wurden als erhofft. Ortmann redet sich in Rage, wenn er über die Berliner Politik dieser Jahre redet. Von Unternehmen wie seinem, erzählt er, hätten in der Region nur die wenigsten überlebt. Er habe nur durchgehalten, weil er sich in dieser Zeit für einen neuen Markt interessiert hat am anderen Ende der Welt, in Südafrika.
Auf dem Schreibtisch in seinem Einzelbüro, in das er aus dem Großraumbüro ziehen musste, weil seine Leute fanden, er telefoniere zu viel, steht eine kleine Südafrika-Flagge, hinter ihm hängt ein Bild des Tafelbergs in Kapstadt, und auf dem Schrank: ein Bild von ihm mit der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit der Ortmann auf ihrer Südafrika-Reise vor zwei Jahren unterwegs war.
Ortmann sagt, er sei in das Land verliebt, seit er dort im Jahr 2000 einen Englischkurs besucht habe. Etwa drei- bis viermal im Jahr reist er nach Afrika, vor einem Jahr ist er sogar zum Honorarkonsul ernannt worden. Und vor zehn Jahren baute Ortmann in Südafrika einen Großhandel für Solarmodule und eine Solarschule auf, 3500 Menschen hätten dort schon gelernt, wie man beispielsweise Solarpanels montiert.
Doch Ortmann will mehr: Seit eineinhalb Jahren baut Maxx Solar an einer virtuellen Solarschule im virtuellen Raum, dem Metaverse. Mit VR-Brillen sollen Schülerinnen und Schüler dort ein virtuelles Schulgebäude betreten und am Unterricht teilnehmen können, in dem sie lernen, wie man eine Fotovoltaikanlage installiert. Bildung sei der beste Weg, damit Entwicklungsländer Anschluss finden, sagt Ortmann, und sein Angebot sei sein Beitrag dazu. Die größte Herausforderung der virtuellen Solarschule sei die Datenmenge. Sein Lehrangebot müsse „buschfähig“ werden, so sagt Ortmann das tatsächlich und mehrmals, damit Schülerinnen und Schüler sich auch mit geringerem Datenvolumen einschalten können. Dann will er Tausende erreichen – und damit Geld verdienen. So sympathisch Solarenergie vielen Menschen ist: Ortmann ist weniger Idealist als Geschäftsmann.
Jetzt: Auf in den Tesla, ab zu einem Außentermin, ein Rentner aus Ortmanns Nachbarschaft, deshalb fährt er noch persönlich hin. Auf dem Glastisch frischer Kaffee. Der Mann nimmt es genauer als andere Kunden, er hat ein Konkurrenzangebot eingeholt, nun soll Ortmann nachlegen. Ortmann montiert nur Module von Herstellern, die in Europa vertreten sind, der Konkurrent bezieht sie in China. „Das würde ich nicht machen“, erklärt Ortmann. „Wenn das ein Garantiefall ist, hast du keinen Ansprechpartner in Deutschland.“ Überzeugt. Weiter geht’s:
Ortmann: „Willst du Notstrom?“
Nachbar: „Hm. Brauche ich das denn?“
Ortmann: „Das kann ich dir nicht sagen. Da tickt jeder anders. Manche wollen den Opel, andere den Mercedes. Aber mit beiden kommst du gut von Hamburg nach München.“
Nachbar: „Dann den Mercedes bitte.“
Dass Ortmann nicht nur Unternehmer, sondern auch ein beherzter Verkäufer ist, liegt wohl an seiner Biografie. In der DDR fing er mit einer Lehre zum Elektromechaniker an, brach die aber ab und arbeitete bei seinem Vater in einem Handwerksbetrieb. Nach der Wiedervereinigung absolvierte er eine Ausbildung zum Mechaniker und wurde anschließend Verkäufer von Gartentechnik. In den Nullerjahren machte er sich selbstständig und tüftelte am ersten Allrad-Aufsitzrasenmäher, dem Maxx-Trac. Ortmann ist ein Tausendsassa, der viel ausprobiert und lieber neue Wege sucht, statt alte Pfade abzuwandern. Im Wirtschaftssystem der DDR wäre er damit wohl nicht weit gekommen, aber in der Marktwirtschaft konnte er sich entfalten.
Ortmann zeigt Fotos des Rasenmähers, den er erfunden hat. Nachdem der in Serie ging, verkaufte er die Firma. „Nebenbei habe ich damals auch Solarplatten verkauft“, sagt Ortmann. Darauf baute er seine zweite Firma auf, Maxx Solar. Liebe auf den ersten Blick sei das nicht gewesen, dafür bieten Fotovoltaikanlagen zu wenig Erlebnis. Anfangs wollte er nicht das Klima retten, mit dem Vertrieb von Solarplatten ließ sich einfach viel Geld verdienen. „Wenn ich Kunden auf den Rasenmäher gesetzt habe, leuchteten die Augen“, sagt Ortmann. „Bei Solarplatten tut es nur weh, wenn man sie anfasst.“
Mittlerweile weiß er, wie wichtig seine Arbeit für die Energiewende ist. Selbst in die Politik zu gehen kommt für den Honorarkonsul aber nicht infrage: „Ich mache zu ungern Kompromisse.“
Wir müssen so große Fotovoltaikanlagen wie möglich bauen.
Dieter Ortmann
„Hey, Thomas!“, ruft Ortmann plötzlich in sein Telefon. Thomas Kemmerich, Thüringens früherer Kurzzeit-Ministerpräsident und Parteivorsitzender der Thüringer FDP, ruft an. Es geht um die Probleme der Branche und die Klimaziele. „Wir müssen so große Fotovoltaikanlagen wie möglich bauen“, sagt Ortmann. „Man sollte viel mehr auf Gewerbe gehen.“ Dann dreht sich das Gespräch um die hohen Energiepreise und die Inflation. „Wer von meinen Mitarbeitern mit dem E-Auto kommt, spürt nichts von dem ganzen Zirkus.“ Vorausgesetzt, sie tanken eigenen Solarstrom.
Nach etwa 20 Minuten ist das Gespräch zu Ende. „Jetzt hat parallel auch noch die Thüringer Umweltministerin eine E-Mail geschrieben“, sagt Ortmann hinterher und grinst. Wer den Unternehmer so erlebt, kann den Eindruck gewinnen, er macht bereits Politik, auch wenn er nicht im Landtag sitzt.