ZEIT für X
Zwei Frauen unterhalten sich in einer modernen Büro-Siitzecke

Wie man mit attraktiven Arbeits­plätzen Fachkräfte anzieht

12. April 2023

Viele Unternehmer:innen suchen hände­ringend nach Arbeits­kräften – investieren aber nicht in ihre Arbeits­standorte. Tobias Ilg von „New Work uffm Land“ erklärt, wie Arbeits­plätze aussehen müssen, damit Angestellte dort gerne arbeiten.

von Michelle Maier, Studio ZX

Es gibt Büros, in denen muss man arbeiten, und Büros, in denen man gerne arbeitet. Wie ein Büro aussehen muss, damit man dort gerne arbeitet, weiß Tobias Ilg von „New Work uffm Land“. Er berät Unternehmen bei der Organisations- und Projekt­entwicklung und zeigt ihnen, wie man Arbeits­plätze attraktiv gestaltet. Im Interview verrät er uns, wie eine ansprechende Büro­gestaltung dem Fach­kräfte­mangel entgegen­wirken kann.

Studio ZX: Warum sollten Arbeitgeber sich intensiv mit der Arbeits­platz­gestaltung beschäftigen?

Tobias Ilg: Arbeitsplatzgestaltung wird immer wichtiger, um als Arbeit­geber überhaupt für Fach­kräfte interessant zu werden. Denn der Arbeits­platz hat sich fundamental verändert: von der Gestaltung über die Einrichtung bis hin zur Art und Weise, wie er genutzt wird.

Was macht einen attraktiven Arbeits­platz aus?

Auch wenn man seinen Fachkräften überlassen sollte, wo sie arbeiten, gibt es nichts­desto­trotz Menschen, die gerne ins Office gehen. Denen sollte man dann die bestmögliche Infra­struktur anbieten: gutes Internet und eine Einrichtung, die auf die Bedürfnisse und Tätigkeiten der Arbeits­kräfte zugeschnitten ist. Dazu gehören Ruhezonen, in denen man konzentriert arbeiten kann, Arbeits­bereiche für den kreativen Austausch, aber auch Bereiche, die für Interaktionen gemacht sind und wo man sich bei einem Kaffee austauschen kann. Diese drei Komponenten muss es in Büros der Zukunft geben, damit dort gutes Arbeiten möglich ist.

Tobias Ilg
© Olaf Jung

Tobias Ilg ist Projektentwickler und Organisations­begleiter. Er berät Unternehmen bei Fragen zu digitaler Transformation und New Work. Mit „New Work uffm Land“ engagiert er sich für die digitale Entwicklung des ländlichen Raumes und hilft Unternehmen dabei, Konzepte für arbeit­nehmer­freundliche Arbeits­plätze zu erarbeiten.

Inwieweit haben sich die Ansprüche an den Arbeits­platz seit der Pandemie verändert?

Flexibilität ist viel wichtiger geworden als die Bereit­stellung eines physischen Arbeits­platzes. Man hat oft gar nicht mehr den Bedarf, ins Büro zu gehen, weshalb nicht jede:r Angestellte einen Schreib­tisch braucht. Büros sind nicht voll­ständig aus­gelastet, darauf muss man reagieren, mit einer Clean Desk Policy zum Beispiel. Die Pandemie hat außerdem den Fach­kräfte­mangel verstärkt. Darauf müssen Arbeit­geber reagieren und attraktive Arbeits­plätze schaffen.

Was machen Arbeitgeber bei der Gestaltung des Arbeits­platzes falsch?

Der häufigste Fehler der letzten Jahre ist, dass über die Auslastung der Büro­räume zu wenig nach­gedacht wurde. Man war nicht visionär genug und hat Veränderungen durch Mobilität und digitale Infra­struktur nicht bedacht. Dadurch standen oder stehen viele Büros nach wie vor einfach leer. Viele Arbeitgeber merken nun außerdem, dass die Büros nicht nutzungs­orientiert gebaut wurden. Man sollte vorher mit der Belegschaft ins Gespräch gehen und sich abstimmen.

Welche Faktoren führen in Baden-Württemberg dazu, dass die Arbeits­stand­orte vieler Unternehmen für Arbeit­nehmer:innen unattraktiv sind?

Für Baden-Württemberg selbst sehe ich die Pendel­strecken als die größte Heraus­forderung. Was hier im ländlichen Raum vielleicht noch erschwerend hinzukommt, ist teilweise die digitale Infra­struktur, zum Beispiel der Ausbau von Glas­faser­anschlüssen. Wobei hier immer mehr passiert und dieses Problem hoffentlich auch bald gelöst ist. Außerdem gibt es zu wenig Satelliten in Form von Coworking-Spaces, Partnerschaften mit Coworking-Spaces oder kleinen Außen­stellen, wo Leute mal arbeiten können.

Sie beraten Unternehmen auf dem Land und helfen ihnen dabei, ihre Arbeits­stand­orte und Büro­flächen New-Work-freundlich zu gestalten und einzurichten. Welche Ratschläge geben Sie Ihren Klient:innen am häufigsten?

Generell empfehlen wir Offenheit für innovative Konzepte: Oft lassen sich Kreativität und Tradition mit­einander verbinden. Außerdem muss man nicht alles selber machen, sondern kann sich auch externe Expert:innen ins Haus holen. Wichtig ist natürlich die Kommunikation: Vor und während Umbau­projekten sollte man mit Angestellten sprechen und nach ihren Bedürfnissen fragen.

Kann man mit einer attraktiveren Infrastruktur und einer arbeit­nehmer­freundlicheren Innen­einrichtung wirklich etwas gegen den Fach­kräfte­mangel unternehmen?

Man kann etwas verändern, indem man das Büro in die digitale Welt verlagert. Denn in der Regel kann man viele Tätigkeiten einfach remote ausführen. Das ist eines der Haupt­argumente für die Gewinnung von Fachkräften. Um Fach­kräfte anzuziehen, muss aber der physische Arbeits­ort einladend sein. Nur in einer guten Atmosphäre kann auch gut gearbeitet werden. Dafür braucht man ein gutes Set-up und die Möglichkeit, menschlichen Interaktionen nach­zu­gehen. Dann verbringt man gerne Zeit im Büro. Es gibt noch mehr Faktoren, die Fach­kräfte einladen: Lade­stationen und Sharing-Optionen vor Ort zum Beispiel erleichtern den Weg zur Arbeit. Auch die Gestaltung von Pausen sollte bedacht werden: Gibt es in der Nähe des Arbeits­platzes Angebote wie gute Cafés oder Bäckereien? Außerdem kann man Kinder­betreuungs­angebote schaffen. Es muss nicht gleich eine Unternehmens­kita sein. Aber es wäre schon hilf­reich, wenn es für Notfälle zum Beispiel eine Tagesmutter gäbe. All das macht einen Arbeit­geber für Fachkräfte interessant.

Das Bild, das Sie zeichnen, entspricht eher einem Arbeits­stand­ort in einem urbanen Setting. Wie können denn Arbeit­geber in ländlichen Regionen für Arbeit­nehmer:innen interessanter werden?

Auch auf dem Land gilt: Der Arbeits­standort muss mit einer guten Infrastruktur aus­gestattet sein. Es sollte möglich sein, diesen ohne privaten Pkw zu erreichen. Das geht durch Leih­konzepte, den ÖPNV oder sogar durch Shuttle-Lösungen, die vom Arbeit­geber angeboten werden. Ich bin der Meinung, dass man die örtliche Infrastruktur im ländlichen Raum mehr einbeziehen sollte. Zum Beispiel indem man Kooperationen mit der ansässigen Nah­versorgung fördert, also mit Bäckereien oder Metzgereien. Solche Kooperationen kommen auch dem Ort zugute. Auch die umliegende Natur kann eingebunden werden, etwa indem man Mitarbeitenden den Zugang zu natur­nahen Benefits erleichtert. Wer in der Nähe der Berge arbeitet, könnte vom Arbeitgeber etwa einen Skipass erhalten.

Sie selbst sitzen ja im Schwarzwald. Gibt es bestimmte Faktoren, die die in Baden-Württemberg vertretenen Branchen individuell beachten müssen?

Es gibt hier viele Headquarter, zum Teil auch von Milliarden­unternehmen. Diese sind allerdings schwer zu erreichen. Daher muss man gute Infra­struktur-Benefits schaffen, die die Leute auch wirklich brauchen und wahrnehmen. Außerdem sind Werte die neue Währung – und die erkennt man ja schon am Standort. Wer zeigen möchte, wie nach­haltig er ist, tut das besser mit begrünten Dächern, Solar­anlagen, Bienen­balkonen und einer angedockten solidarischen Land­wirtschaft. Diese Sachen sind fürs Recruiting viel authentischer, als wenn ein Unternehmen Greenwashing betreibt und sich am Ende des Jahres das Logo grün färbt.