ZEIT für X
Menschen um ein Hochbeet

In der Pause ab ans Hochbeet

05. Juli 2022
Ein Artikel von Studio ZX.

Mit der „Ackerpause“ können sich Beschäftigte in der Mittags­pause geistig und körperlich mit dem Thema Nach­haltigkeit beschäftigen. Bei der Arbeit im eigenen Gemüse­beet lernen sie über die Zusammen­hänge zwischen ökologischer Land­wirtschaft, Ernährung und Klima­schutz.

von Luca Pot d’Or, Studio ZX

Erdbeeren und Tomaten, damit kennt sich Sina Bock noch etwas aus. Im Garten ihrer Eltern wachsen so manches Gemüse und Obst, doch in ihrer Stadt­wohnung ist fürs Gärtnern kaum Platz. Damit ist sie nicht allein. Deshalb sind nun 13 Beschäftigte des Auto­mobil­zu­lieferers Motherson in der ersten Work­shop­gruppe am Standort Oldenburg bei Bremen zur Mittags­zeit zusammengekommen, um gemeinsam Gemüse anzubauen und mehr über gesunde Ernährung zu lernen. Das Interesse ist in den meisten Fällen größer als die Vor­kenntnisse. „Nur so viel vorweg“, begrüßt Ackercoach Patrick Berndt von der Acker­pause die Teilnehmenden, „heute holen wir uns alle dreckige Hände!“

Schnittlauch, Rote Beete oder Rucola sollen in acht Hochbeeten wachsen, die am Morgen schon von dem Team der Ackerpause und den Initiator:innen des Workshops von Motherson auf dem Werks­gelände in Position gebracht wurden. Unter dem Motto „Vom Acker auf den Teller“ hat sich das Berliner Unternehmen Ackerpause zum Ziel gesetzt, gesunde Ernährung und die Grundlagen des Gemüseanbaus praxisnah in Unternehmen zu bringen. Denn vor allem im Rahmen der betrieblichen Gesund­heits­förderung nimmt die Vermittlung von gesund­heits­förderlichem Verhalten und Ernährung eine enorm wichtige Rolle ein. Motherson Oldenburg kooperiert hier mit der AOK Niedersachsen schon seit vielen Jahren. Neben den drei Mitarbeiter:innen der Ackerpause sind zum „Acker-Kickoff“ heute deshalb auch zwei Vertreter:innen aus dem Betrieblichen Gesundheits­management (BGM) der AOK Niedersachsen zu Besuch bei Motherson. Auf dem Programm stehen das Einbringen von Saatgut und Jung­pflanzen sowie ein kleiner Exkurs in die Ernährung von früher und heute.

Mit den Händen in der Erde graben

„Fühlt sich gut an“, freut sich Sina Bock, als sie die Hände in der dunklen Erde versenkt. Lisa Schäfer vom Team der Ackerpause schaut hier und da mal über die Schultern der Teil­nehmenden und bestätigt: „Durch den direkten Kontakt mit der Erde wird nicht nur ein Gefühl der Ruhe und Zufrieden­heit im Körper aus­gelöst, sondern man fühlt sich auch wieder mehr mit den einfachen, elementaren und natürlichen Dingen verbunden, quasi geerdet.“ Dieses Gefühl möchte das Unternehmen den Beschäftigten näherbringen – unabhängig von den Vor­er­fahrungen der Projekt­teil­nehmenden. „Bei unseren Workshops ist es egal, ob man bereits Hobby-Gärtner mit viel Vorwissen ist oder noch nie eine Gießkanne in der Hand hatte. Die Teil­nehmenden lernen voneinander, unterstützen sich gegenseitig und am Ende nimmt jede bzw. jeder etwas mit“, so Schäfer.

Mit den Händen in der Erde, mit den Gedanken bei der Aussaat – das Projekt ist für die Beschäftigten eine willkommene Abwechslung. Rund 440 Mitarbeitende zählt Motherson in Oldenburg – vom Werks­mit­arbeiter bis zur Büro­angestellten. Sina Bock arbeitet im Controlling: „Acht Stunden vor dem Computer sind natürlich nicht sehr gesund. Wir haben zwar höhen­verstellbare Schreibtische, aber mir ist bewusst, dass zur Gesundheit noch mehr gehört. Deswegen freue ich mich über neue Anstöße für den Alltag.“

Sina Bock am Gemüsebeet
© Luca Pot d‘Or Sina Bock ist im Controlling bei Motherson tätig und freut sich auf die Abwechslung am Hochbeet.

Wenig Zeit für gesunde Ernährung im Alltag

Wann hat welches Gemüse Saison, wie viele Vitamine hat ein Dinkelbrot und wo bekomme ich gute Lebens­mittel­qualität? Die Teil­nehmenden sind mit Fragen zu gesunder Ernährung gekommen, die sie umtreiben und für deren Beantwortung im Alltag aus Arbeit, Familie oder Sport oft kaum Zeit bleibt. Die Ernährungs­expert:innen der Ackerpause geben gern Auskunft: „Wir müssen wieder lernen, auf unser Bauchgefühl beim Essen zu hören. Wir haben ja eigentlich alle Informationen, was gute Ernährung betrifft. Aber wir sind oft viel zu verkopft“, erklärt Ackercoach Patrick Berndt. Kalorien zu zählen sei dabei nicht gleich­zu­setzen mit gesunder Ernährung.

Wir müssen wieder lernen, auf unser Bauchgefühl beim Essen zu hören.

Patrick Berndt, Ackercoach bei der Ackerpause

Vielmehr ist es der Faktor Zeit, den alle immer wieder als Problem benennen. Auch deshalb gehen die Ackerpause und die AOK mit ihrem Präventions­programm direkt in die Unternehmen, um gesundheits­förder­liche und nach­haltige Ernährungs­kompetenz einfach und niedrig­schwellig in den Arbeits­alltag zu integrieren und in den Betrieben die Themen Gesundheit, Umwelt und Nachhaltigkeit zu verknüpfen. „Wir haben in der Mittags­pause alle ein paar Minuten, um uns um die Beete zu kümmern“, meint Sina Bock. „Wenn es hier klappt, dann auch zuhause. Ich hätte auf jeden Fall Lust auf ein eigenes Hochbeet.“

Salat im Gemüsebeet
© Luca Pot d‘Or Kräuter, Salate und Gemüse werden unter Anleitung der Ackercoaches ausgesät und eingepflanzt.

Gärtnern für den Zusammenhalt – hier wächst Teamgeist

Neben dem Gemüseanbau geht es den Initiator:innen des Projekts auch um den Zusammen­halt im Team. Gemüse­anbau in der Mittag­spause: Für die Beschäftigten eine willkommene Abwechslung im Arbeits­alltag, für den Motherson-internen Arbeitskreis „Gesundes Werk“ eine erstklassige Team­building-Maßnahme. Dafür wurden in der Kantine eigens kleine Kräuter­töpfe samt Einladung zum Projekt verteilt – mit offen­sichtlichem Erfolg: „Allein die Resonanz heute zeigt, dass wir mit diesem Thema auf offene Ohren stoßen“, berichtet Hagen Wieneke von Motherson aus dem Fachbereich „Gesundheit, Umwelt, Sicherheit“.

In zwei Gruppen geben sich insgesamt 30 Teilnehmende die Garten­schaufel in die Hand. Die Teams mit drei bis vier Personen werden sich in den nächsten Wochen um ihre Beete kümmern – die Koordination erfolgt über eine Smartphone-App der Ackerpause. Gießen, Unkraut jäten und täglich nach­schauen, ob im Beet alles mit rechten Dingen zugeht. „Die Pflege erfordert schon ein wenig Disziplin“, weiß Lisa Schäfer von der Ackerpause. „Doch innerhalb kürzester Zeit sind die Teil­nehmenden immer so motiviert und gemeinsam leiden­schaftlich bei der Sache, dass die Gemüse­pflanzen fast ausnahmslos wachsen und gedeihen.“ Und das lohnt sich: Nach acht Wochen, wenn die Salatköpfe üppig und die Tomaten rot und prall sind, soll als krönender Abschluss zusammen geerntet und gegessen werden – mit viel Zeit und einem guten Bauchgefühl.

Die Ackerpause ist ein Programm der AckerCompany GmbH mit einem Office-Gardening-Konzept, bei dem die Mitarbeitenden gemeinsam Gemüse anbauen – und zwar unmittelbar am Unter­nehmens­standort. Die Idee hinter dem Konzept entspringt dem gemeinnützigen Acker e.V. und dessen Bildungs­programmen “GemüseAckerdemie“, „AckerRacker“ sowie der „Gemüseklasse”. Während sich letztere an Schulen und Kitas richten, erweitert die Acker­pause das Portfolio um die Erwachsenen­bildung. Das Angebot der Ackerpause ermöglicht Unternehmen ein ganzheitliches Office-Gardening-Konzept im Rundum-Sorglos-Paket. Vom gemeinsamen Anbau bis hin zur Ernte und Zubereitung der verschiedensten Gemüsesorten. Während mehrerer Workshop-Termine wird gesundheits­förder­liches Verhalten praxisnah und ohne großen Zeitaufwand in den Alltag integriert.